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Kurt Krömer flucht sich drei Abende lang durch den Potsdamer Nikolaisaal.

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Na, ihr Kackmäuse?: Kurt Krömer flucht sich durch den Nikolaisaal

Seine Kultsendung „Chez Krömer“ hat der Berliner hingeworfen, dafür bereist er mit „Die Gönnung steigt“ jetzt die Republik. Auch Potsdam war dabei.

Von Oliver Köhler

Es ist nicht das erste Mal, dass der Berliner Kurt Krömer im Potsdamer Nikolaisaal ist, aber dreimal hintereinander, schleunigst ausverkauft: Das ist schon eine Leistung. Vielleicht liegt das auch daran, dass Kurt Krömer – die Kunstfigur von Alexander Bojcan – in letzter Zeit in aller Munde war. Zunächst die offenen Gespräche über seine Depression und dieses Buch, das der mehrfache Grimme-Preisträger im vergangenen Jahr veröffentlichte: „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst: Meine Depression“.

Und dann noch das abrupte Ende von „Chez Krömer“, die ehrlichste Talkshow der Republik, ein explosives Hybrid aus Klaus Kinski und Markus Lanz: Als zuletzt Ex-BILD-Propagandist Julian Reichelt trotz Teflonbeschichtung gegrillt und Halsschmerzkomödiant Faisal Kawusi von Krömer entnervt sitzen gelassen wurde, schien Krömer seinen Schlussstrich quer durchs Land zu ziehen. Die „Arschgeigen“ hätten ihm letztlich „nur noch schlechte Laune gemacht“. Was soll das heißen? Zieht er sich jetzt ganz zurück? Ein Jammer wär‘s.

„Fick deine Meinung, ey“

Aber noch ist er da, präsent wie immer. „Na, ihr Kackmäuse?“, poltert er breit grinsend zur Ankunft in Potsdam – küsst den Boden und knuddelt die erste Reihe ab. Genau die war früher noch No-Go-Area im Krömerschen Universum: Die Plätze der ersten Reihe wurden höchstens an unliebsame Kontakte verschenkt oder teuer von Krömer-Die-Hard-Fans erworben. So richtig freiwillig konnte man da nicht sitzen, ohne dass man von Krömer weggeblafft oder durch den Kakao gezogen wurde, wenn man nur blöd genug war, auf irgendeine Frage zu antworten. „Dat Ekligste hamwa hinta uns“, speit Krömer: „Volksnähe!“ Als ob er genau die nicht bräuchte.

„Die Gönnung steigt“ heißt das Programm, und ja: Es wird gleich richtig steil. „Sachdo watte denkst, isdo ejal!“, kräht er, „Fick deine Meinung, ey.“ Hinsetzen, aufstehen, reinsteigern, durchatmen, hinsetzen. Putin? „Verklemmt schwul!“ Winnetou? „So billig produziert wie die Bumsfilme der 70er-Jahre!“ Hitler, Wehrmacht, „endlich kann ich wieder Quatsch machen, endlich bin ich wieder auf der Bühne!“ Ein Befreiungsschlag.  

Schock, Angst und Erlösung

Dabei liefert Krömer zu keiner Zeit nur pseudoprovokante Aneinanderreihungen von Buzzwords, der Wahnsinn hat durchaus Methode - und aus einer diffusen Melange aus Schock, Angst und Erlösung heraus bleibt einem nichts anderes als zu lachen. Weil Kurt Krömer sich nicht auf Zielgruppen oder Schubladenpositionen einschießt, sondern am ehesten: auf sich selbst. Diese rundumschlagende Selbstgeißelung macht ihn letztlich sehr nahbar. Er ist der liebenswert-cholerische Nachbar, nervt schon irgendwie, hat aber doch recht. „Diggi! Wann warste das letzte Mal beim Urologen?“

Stammtisch-Steilvorlage? Von wegen: Am Ende nur ein Plädoyer für zur Verfügung stehende Therapien. Und das Publikum krümmt sich vor Lachen inmitten dieser zirkulierenden Wiederholungen, die sich immer wieder hysterisch hochschaukeln. Das muss inhaltlich nicht mal witzig gemeint sein, die Ernsthaftigkeit lauert immer dahinter. Was fasziniert, ist auch die Dichotomie zwischen Kunstfigur und realer Person.

Krömer hält sich meist am Pult fest, springt auch mal auf und reißt sich den Wampenansatz unterm Hemd hervor. Immer wieder ist es diese Nahbarkeit, diese versöhnliche Cholerik, die ihn nicht in einen jähzornigen Grantler abdriften lässt, sondern menschlich macht. Dieses Reicht-mir-jetzt gehört bei Krömer schon seit Dekaden zum Repertoire. Aber wie kann man denn keinen Bock mehr auf Kein-Bock-mehr haben? Wie es jetzt weitergeht, bleibt trotzdem offen. Immerhin 25 Jahre gehe das schon, sagt er noch. „Jetz maick mal ne lange Pause.“

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