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Keimzeit im Lindenpark. Auch die Babelsberger Spielstätte treffen die hohen Energiekosten hart.

© Olli Köhler

Krise ohne Ende: Potsdams gebeutelte Kultur- und Veranstaltungsbranche

Wie die Spielstätten und Ateliers der Stadt mit den gestiegenen Energiekosten umgehen und was das für die Wintersaison bedeutet.

Von Andrea Lütkewitz

Anstieg der Heiz- und Stromkosten, weniger Gäste bei Veranstaltungen, Unsicherheit bei Künstler*innen: Kultur- und Veranstaltungsorte in Potsdam trifft die Energiekrise nach mehr als zwei Jahren Coronakrise hart. Ein Stimmungsbild.

Es war nur ein kurzes Aufatmen in der Potsdamer Kultur- und Veranstaltungsbranche: Kaum können Häuser wieder ohne Corona-Auflagen öffnen, ist schon die nächste Krise da. Inflation und hohe Gas- und Strompreise machen vielen Einrichtungen zu schaffen, ob und welche staatlichen Hilfen es geben wird, ist aktuell nicht absehbar.

Die Steigerung der Energiekosten trifft uns unmittelbar und spürbar.

Reiko Käske, stellvertretender Leiter und Sprecher des Jugendkultur- und Freizeitzentrum Lindenpark

„Die Steigerung der Energiekosten trifft uns unmittelbar und spürbar“, sagt Reiko Käske, stellvertretender Leiter und Sprecher des Jugendkultur- und Freizeitzentrum Lindenpark. Bereits 2021 seien die Energiekosten erhöht worden, für das kommende Jahr sei „mit einem um 300 Prozent höheren Wert im Vergleich zu 2019“ zu rechnen. Auch das Jugend- und Soziokulturzentrum Freiland kalkuliert laut Geschäftsführer Achim Trautvetter mit bis zu 60.000 Euro mehr für Betriebskosten im nächsten Jahr. „Der Betrag für Fernwärme und Strom wird sich vermutlich verdoppeln“, sagt er.

Beide Betreiber müssen ihre Betriebskosten ohne Zuschüsse von Stadt und Land finanzieren. Damit das auch künftig gelingt, setzt der Lindenpark auf eine Steigerung der eigenerwirtschafteten Mittel. „Wir hoffen, diese mit einem attraktiven Programmangebot und einem treuen Publikum stemmen zu können“, so Käske. Ob dabei die aktuellen Eintrittspreise zu halten sind, sei nur schwer vorauszusagen. „Wir hoffen, dass es auch künftig Förderungen auf Lokal-, Landes- und Bundesebene gibt“, sagt er, damit Kultur zugänglich bleibe.

Deutliche Zurückhaltung

Auch für die Einkommen von Künstler:innen sei das wichtig. „Es gibt viele Angebote, die mit deutlicher Zurückhaltung zu kämpfen haben“, sagt er. Das sei problematisch vor dem Hintergrund von Einnahmeausfällen der letzten zwei Jahre und der Inflation. Aktuell bestünden „deutlich größere Unsicherheiten bei Vorverkäufen und Auslastungen, sodass die Vertragsverhandlungen unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten derzeit eine echte Herausforderung sind.“

Auf dem Theaterschiff in der Schiffbauergasse hingegen wird bereits über die Anhebung der Ticketpreise nachgedacht - bei gleichzeitiger Sorge, dass dann weniger Gäste kommen. „Die Kosten für Heizöl haben sich verdoppelt“, erklärt Sprecherin Andrea Brose. „Auch bei einem sparsamen Umgang mit den Ressourcen wird eine Lücke in der Finanzierung entstehen.“

Im Kunsthaus sans titre treffen bei der Grünen Bühne an jedem ersten Donnerstag im Monat Lyrik und Musik aufeinander.

© Ottmar Winter PNN

Die fabrik rechnet laut Pressesprecher Laurent Dubost mit etwa jährlich 40.000 Euro mehr für Betriebskosten. „Wir haben die Information der Stadt erhalten, dass zusätzliche Fördergelder 2023 nicht zu erwarten sind. Wir hoffen sehr, dass es nicht dabei bleiben wird“, sagt er. Eine Erhöhung der Eintrittsgelder sei aber nicht geplant, da dies Mehrkosten auch nicht ausgleichen könne.

Dass sich Fördergelder 2023 nicht erhöhen, ist auch für den ersten Vorsitzenden des Kunsthaus sans titre, Werner Ruhnke, ein Problem - auch hier gibt es eine Verdopplung der Energiekosten. „Uns bleibt nichts anderes übrig, als eine Winterpause zu machen“, sagt er - um kurzfristig einzusparen. „Veranstaltungen werden zunehmend schlechter besucht“, ergänzt auch der Leiter des sans titre, Mikos Meininger. Das sei belastend.

Betriebskostenpuffer einplanen

Im Freiland, das neben Veranstaltungsorten auch Ateliers beherbergt, sei laut Trautvetter bereits „gemeinschaftlich mit allen Mieter:innen eine Anhebung der Miete in Höhe von zwei Euro pro Quadratmeter ab Januar 2023“ beschlossen worden.

Im Rechenzentrum, das ebenfalls Ateliers an Kunst- und Kreativschaffende vermietet, müssen anstehende Mehrkosten auch auf die Schultern der Mieter:innen verteilt werden, sagt Leiterin Anja Engel. Wie viel das sein wird, ist allerdings noch unklar, „da uns noch kein neues Angebot für die Stromlieferung vorliegt.“

Trotz Ungewissheit ist Freiland-Geschäftsführer Trautvetter aber zuversichtlich, dass sein Haus die Energiekrise bewältigen kann. „Wir werden versuchen, auch für die Mieter:innen eine Lösung zu finden, die das nicht tragen können, zum Beispiel mit Benefizveranstaltungen.“ Im Rechenzentrum werde den Mieter:innen empfohlen, „das Plus aus der Abrechnung 2020 auf dem Konto zu belassen und einen Betriebskostenpuffer anzulegen“. Das wäre bis zu einem Euro pro Quadratmeter mehr. Ab 2023 sollen dann laut Engel die Nebenkosten angepasst werden.

Gäste bleiben öfter weg

Wie sich die Situation für die Veranstalter des Freiland entwickle, sei allerdings unklar, sagt Achim Trautvetter. Schon jetzt blieben Gäste öfter weg. „Die Menschen geben weniger Geld aus für Luxus wie Veranstaltungen“. Zudem seien sie mit erhöhten Preisen für Dienstleistungen jeglicher Art konfrontiert. Hätte der Tagessatz für einen Veranstaltungstechniker bislang bei rund 200 Euro gelegen, müssten inzwischen mindestens 350 Euro gezahlt werden, Einkaufspreise für Getränke seien ebenfalls gestiegen. „Dass das so ist, ist verständlich, aber trotzdem schwierig für Veranstaltende“, zumal das Haus als soziokulturelle Einrichtung ein Interesse an niedrigschwelligen Angeboten habe.

Von einer Teuerung im Veranstaltungsbereich sprach jüngst auch der Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) Jens Michow gegenüber der „Tagesschau“ - und außerdem von 1,1 Millionen Fachkräften, die in der Branche fehlen würden. Das sei eine Folge der Coronapandemie. Und das mache sich auch im Freiland bemerkbar, so Trautvetter: „Auch wir haben mit einem Personalschwund zu kämpfen.“

Geht es um mögliche Sparmaßnahmen, werden allerorts ähnliche Maßnahmen ergriffen, zum Beispiel durch LED-Beleuchtung und Reduzierung der Heiz- und Stromnutzung. Darüber, wie effektiv das am Ende sein wird, herrscht Unsicherheit, gehofft wird darum auf finanzielle Unterstützung.

So hält Anja Engel es für notwendig, „dass auch Selbstständige entlastet werden“, da bislang nur Arbeitnehmende von Einmalzahlungen der Regierung profitieren würden. Achim Trautwetter sieht eine Lösung in der Finanzierung von Solardächern. „Das wäre eine sinnvolle Hilfestellung zu mehr wirtschaftlicher Autonomie.“ Auch in der fabrik, im Lindenpark und im Rechenzentrum wird die Nutzung von Solarenergie für erstrebenswert gehalten, Möglichkeiten würden bereits geprüft, heißt es. Wie auch immer am Ende Hilfspakete aussehen könnten, die Kultur- und Veranstaltungsbranche hofft auf sie - und auf ein erneutes Aufatmen.

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