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Kultur: Kontrastreicher Gestalter

Pianist Zeljko Vlahovic im Nikolaisaal

Ein erstes reinigend-befreiendes Gewitter brach am schwülen Nachmittag im Foyer des Nikolaisaals los. Zeljko Vlahovic setzte sich nach der Pause zu einem ganz persönlichen Zwiegespräch mit Franz List (1811-1886) an das Klavier. Die Ungarischen Rhapsodien in H- und Des-Dur, die Consolation Nr. 3, eine Nocturno und die Konzertparaphrase auf Verdis Rigoletto, unterbrochen nur einmal für eine kurze Pause heftigen Applaus.

Vlahovic, in Zagreb geboren, ließ Liszt zu einem mächtigen Wetterleuchten wachsen. Explosiv und unerbittlich trieb er ihn an den Rande des Zusammenbruchs, um dann in ein zartes, meditatives Piano zu verfallen. Filigranster Feinschliff auf den Tasten, der jeden Moment wieder in diesen harten, fast brutal gestanzten Anschlag umzuschlagen drohte. Liszt als Kraftprotz mit verschmäht weicher Seite, kantig, grob und aufbrausend, dann verletzlich, bloßgelegt und fein wie ein fernes Leuchten. Ein faszinierendes Wechselspiel der Kontraste, das Vlahovic mit fast unbewegter Miene in das Foyer warf. Für seine erste CD-Einspielung – zwei Konzertmitschnitte seiner Liszt-Interpretationen – hatte sich der 33-Jährige für einige Zeit zurückgezogen, um sich dem „musikalischen Giganten“ Liszt zu nähern. Wie fruchtbar solch ein Rückzug zum persönlichen Zwiegespräch sein kann, zeigte Vlahovic in diesem Konzert.

Mit Joseph Haydns (1732-1809) Sonate in D-Dur hatte Vlahovic das Konzert eröffnet. Keinerlei Rokoko-Manierismus, mit einem Was-kostet-die-Welt-Anschlag lässt Vlahovic Haydn aufleben, dass er einen anspringt wie ein frischer Wind. Es folgten „Veilchen“ und „Rose“ aus dem Blumenleben op. 19 der ungarischen Komponisten Dora Pejacsevich (1885-1923), die Vlahovic zum ersten Mal als kontrastreichen Gestalter zeigten. Das Veilchen bodennah, im spätromantischen Schönklang schimmert hier schon der kommende Verfall, die Rose als aristokratisches Gewächs, das sich erhaben in luftige Höhen aufschwingt.

Chopins (1810-1849) Sonate in h-Moll mit dem bekannten Trauermarschthema, das Vlahovic hier bis fast an die Schmerzgrenze klagen lässt, als kraftvolles Klanggemälde zwischen hell und dunkel, berstender Kraft und fast lautlosem Innehalten. War hier Vlahovic“ Spiel noch raumgreifend, wollte er mit Liszt das Foyer schier sprengen.Dirk Becker

Dirk Becker

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