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Kultur: „Ich bin nicht Sklavin meines Berufs“

Im Gespräch mit der bulgarischen Sängerin Vesselina Kasarova, die über eine der schönsten und wandlungsfähigsten Mezzosopranstimmen unserer Zeit verfügt. Heute ist sie im Nikolaisaal zu erleben

Frau Kasarova, auf was dürfen sich die Potsdamer Zuhörer freuen?

Ich habe ein neues Programm zusammengestellt, das heute Premiere hat. Es werden Werke von Mozart, Händel und Haydn, die ich alle drei sehr gerne singe, zu hören sein. Mein absoluter Favorit ist aber Mozart, dessen ausdrucksvolle, feine Weise mir sehr liegt.

Sie sind auf allen Konzertpodien der Welt zu Hause. In Berlin kann man Sie nur selten erleben und wenn, dann nicht in Opern. Wie kommt das?

Das hat sich bislang eben so ergeben. Ich mag Opern aber ebenso gern wie Liederabende. Allerdings sind Liederabende einfach exponierter: Man ist allein auf der Bühne, ohne Dekoration. Das ist intimer, dadurch kommen die Feinheiten auch besser zum Ausdruck, die in der Oper leider verschwinden. Dort agieren viele Menschen, alles ist eine Spur lauter.

Begleitet werden Sie heute von Charles Spencer, einem renommierten Pianisten.

Er ist ein sehr guter Mann mit viel Fantasie. Ich mag Künstler, die nicht nur kopieren. Musik braucht Freiheit. Genauigkeit ist natürlich ein Muss, aber man sollte das Ganze lebendig halten.

Es gibt viele gute Sänger, die wie Sie aus Bulgarien kommen. Liegt das an der guten Ausbildung?

Sicher auch, aber es ist darüber hinaus die Sprache, die Phonetik, die sehr geeignet ist. Auch Tradition und Mentalität schwingen sicher mit.

Sind sie durch Ihre Familie musikalisch vorbelastet?

Nein, zum Glück nicht. Es gibt viele Künstler, die nicht mehr in einer realen Welt leben. Wenn ich das Recht dazu hätte, dies zu kritisieren, würde ich es tun. Das Leben und der Beruf sind zwei verschiedene Sachen, die ich bewusst trenne. Viele Kollegen denken extrem nur an das Berufliche und werden dadurch einsam. Für mich ist auch meine Familie wichtig, dadurch werde ich nicht zur Sklavin meines Berufs. Auch mit Erfolg lässt sich so besser umgehen.

Und mit Niederlagen?

Die kenne ich bei dieser Art zu leben so nicht. Ich bin ein sehr sensibler, zurückhaltender Mensch. Aber ich fühle mich auch auf der Bühne wohl, scheinbar bin ich dafür geboren. Wichtig ist es, auf dem Boden zu bleiben, sich nicht durch den Erfolg zu verändern. Und man sollte sich selbst gegenüber kritisch bleiben. Es besteht sonst die Gefahr, dass man sich für den Besten hält, und das ist falsch. Das sehe ich mitunter bei Kollegen, die dann unnatürlich werden.

Sie konzertieren an der Metropolitan Oper in New York, bei den Salzburger Festspielen, waren an der Mailänder Scala und auf Japan-Tournee ... Wie bewahren Sie sich Ihren Freiraum für die Familie?

Ich bin eine emanzipierte Frau, die weder auf Kind noch auf Beruf verzichten will. Und dank meines Mannes und meiner Eltern habe ich das auch bislang hinbekommen. Wenn ich auf Tournee bin, haben mich mein Sohn und meine Mutter zumeist begleitet. Nun kommt mein Kind in die Schule, da braucht es natürlich die Stetigkeit. Man muss sehr diszipliniert sein, um alles unter einen Hut zu bekommen. Auf Partys und ähnliches heißt es da zu verzichten. Deshalb versuche ich, meinen Beruf als Hobby zu nehmen.

Obwohl das Leben in Hotels sicher auch anstrengend ist.

Sicher. Manche Kollegen schleppen ihre Kissen mit, um etwas Heimat bei sich zu haben. Das brauche ich nicht. Ich fühle mich durch meine Arbeit auch privilegiert. Schließlich lerne ich immer wieder verschiedene Menschen und Städte kennen, muss nicht jeden Tag ins Büro.

Wie hat es Sie nach Zürich verschlagen?

Ich habe einen Schweizer geheiratet und wohne seit 1988 dort. Bulgarien verließ ich, als ich 23 war.

Sie begannen mit Vier, Klavier zu spielen und strebten ursprünglich eine Laufbahn als Pianistin an. Warum haben Sie dann umgesattelt?

Weil ich Sänger begleitet habe und plötzlich die Neugierde verspürte, das Singen selbst zu probieren. Und plötzlich ist es passiert: Ich fing Feuer. Ich hätte nie gedacht, dass ich Opernsängerin werden kann. Es ist schon sehr speziell, das Singen, und so verdammt schwierig. Zum Singen gehören sehr viele Sachen: vor allem Intuition und Intelligenz. Nicht so eine Intelligenz, die zeigt, wie viel Bücher man gelesen hat. Der Kopf muss bestimmen, was ich singen will und dann muss ich wie ein Jongleur mit der Stimme umgehen können. Das ist Arbeit, viel Arbeit. Wir können ja unsere Stimme nicht berühren wie ein anderes Instrument. Sie ist im Inneren versteckt. Deshalb ist auch die Intuition so wichtig.

Haben Sie Angst, dass die Stimme Schaden nimmt?

Ich singe seit 1988, und dass ich noch singe, ist meiner Vernunft zu verdanken. Ich habe Respekt vor der Stimme und vor dem, was ich singe. Außerdem setze ich mir deutliche Grenzen, mache nie zu viel.

Müssen Sie täglich üben, um stimmlich fit zu bleiben.

Nein. Dafür habe ich ja fünf Jahre Technik gelernt. Sprechen ist übrigens belastender als Singen. Wichtig ist es, viel zu schlafen und viel Wasser zu trinken wegen der intensiven Atmung. Singen ist wie Hochleistungssport.

Haben Sie noch große berufliche Träume?

Nein, ich bin froh über das, was ich geschafft habe. Ich wünsche mir nur Gesundheit, und dass ich auch weiterhin interessante Menschen und Musiker kennen lerne.

Das Gespräch führte Heidi Jäger.

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