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Kulturszene in Potsdam: "Hier wird nur in die Vergangenheit investiert"

Seit dreieinhalb Jahren arbeitet Anja Pentrop im Atelierhaus Panzerhalle. Dass der Kis dort die Mieten erhöht, brachte für sie das Fass zum Überlaufen. Ein Gespräch über die Kulturpolitik der Stadt.

Frau Pentrop, der Kommunale Immoblienservice (Kis) fordert von den Künstlern des Atelierhaus Panzerhalle, zu denen auch Sie gehören, ab 1. August höhere Mieten. Was bedeutet das für Sie?

Ich werde Potsdam verlassen. Ich muss mir schon jetzt regelmäßig Geld leihen, um meine Miete bezahlen zu können – die alte, wohlgemerkt. Die neue kann ich mir definitiv nicht leisten, da geht es nicht ums Wollen. Und ich habe keine Kapazitäten mehr, noch mehr Jobs zu machen.

Ist die Mietdifferenz tatsächlich so hoch? Der Kis sagt ja, die Ateliers hätten noch nie so günstig vermietet werden dürfen, die marktübliche Miete sei eben höher.

Ja, das stimmt aber nicht ganz, denn die 5,21 Euro anstatt drei Euro pro Quadratmeter, die unsere Ateliers jetzt kosten sollen, sind die Warmmiete. Und – das haben wir prüfen lassen – die Miete, die wir jetzt zahlen, ist angesichts der ganzen Gebäudemängel an der Panzerhalle akzeptabel. Mein Atelier kostete bisher 107 Euro im Monat, künftig wären es 189 Euro. Die kann ich mir nicht leisten.

Woran liegt das?

Es gibt ja keinerlei Einnahmequellen für Künstler in Potsdam. Selbst in städtischen Ausstellungshäusern – etwa dem Kunstraum an der Schiffbauergasse – gibt es keine Künstlerhonorare, wenn man dort ausstellt. Auch der Kunstraum verfügt nicht über genügend Mittel, um den ausstellenden Künstlern ein Honorar zu zahlen. Da war „Localize“ – das ja jetzt ebenfalls an mangelnder Förderung zugrunde geht – eine Ausnahme. Viele Künstler haben also andere Jobs – oder leben vom Jobcenter.

Und die Stadt bietet keine Alternativen zur Panzerhalle?

Es heißt immer: Es gibt ja jetzt das Rechenzentrum. Das aber ist nach meiner Information sowieso nur ein temporäres Projekt und es ist auch gar kein Argument dafür, andere Projekte deshalb sterben zu lassen. Außerdem liegt die Miete dort bei 7,50 Euro pro Quadratmeter, das wäre also noch teurer. Die Räume dort sind außerdem nicht für jeden Künstler geeignet, es gibt etwa keine Lastenaufzüge. Dazu kommt: Am Standort Waldsiedlung, wo das Atelierhaus Panzerhalle ist, haben wir eine 20 Jahre alte Tradition, die gerade still und heimlich vor sich hin stirbt.  

  Und jetzt?

Ich bin auch so selbstbewusst zu sagen: Bei dem, was an der Waldsiedlung gerade passiert – dort sollen Flüchtlinge untergebracht werden, die Menschen im Villenpark klagen dagegen – halte ich es für sehr bedenklich, ausgerechnet die Künstler an diesem Standort zu verjagen. Ich denke, wir wären dort wichtig, könnten zur Integration einen wichtigen Beitrag leisten.

Was machen die anderen Künstler des Atelierhaus Panzerhalle?

Viele jüngere gehen, ich werde nicht die Letzte sein, die geht. Tatsächlich trauen sich nur bislang viele der anderen nicht, das in der Öffentlichkeit auszusprechen. Denn auch, wenn die Förderungen, die man hier bekommen kann, zu klein sind, so hat doch jeder Angst, auch noch die zu verlieren.

Also resignieren Sie?

Nein. Ich fände es durchaus denkbar zu sagen: Wir setzten all die anderen Projekte, Kinder- und Jugendfreizeiten, die alle nur durch riesengroßen ehrenamtlichen Aufwand gestemmt werden können, mal für drei Jahre aus – und gucken, was passiert.

Ein Künstlerstreik?

Ja. Natürlich. Es geht ja anscheinend nicht anders. Aber es gibt eben viele Kinder, auch andere gesellschaftliche Gruppen, die darunter leiden würden. Alternativ müsste man bei einem Projekt wie „Localize“ zehn Euro Eintritt nehmen – damit aber würden viele gesellschaftliche Gruppen ausgeschlossen, die könnten dann nicht mehr teilnehmen. Das aber sind die Leute, die nicht in den Kunstraum gehen.

Was für Aussagen bekommen Sie von der Politik?

Oberbürgermeister Jann Jakobs war im Januar 2014 bei uns im Atelierhaus und hat uns versichert, es bliebe bis 2018 alles wie bisher und ein paar Monate später kamen die Briefe mit der Mieterhöhungsankündigung durch den Kis. Ich hätte dazu gerne mal ein Statement von ihm bekommen, das gab es aber nicht, das lief alles über den Kis. Leider konnte ich nicht feststellen, dass den Künstlern dort auf Augenhöhe begegnet wird, die Umgangsformen des Kis mit den Künstlern kann ich persönlich nicht akzeptieren.

Haben es die bildenden Künstler in Potsdam eigentlich noch schwerer als Musiker?

Das kann man so nicht abwägen. Ich würde sagen, wir leben einfach alle unter absolut prekären Bedingungen. Dabei geht es oft gar nicht um so große Summen – bei der Panzerhalle um 30 000 Euro im Jahr. In manche Preisverleihungen werden 100 000 Euro gesteckt, davon könnte man unser Atelier für drei weitere Jahre retten.

Was werfen Sie der Stadt konkret vor?

Ich habe auch mal fest angestellt als Kulturarbeiterin bei der Stadt hier gearbeitet. Ich kenne das ja: Alle Projektgelder werden immer so gekürzt, dass für den Künstler nichts übrig bleibt. Denn Transport- und Materialkosten sowie die Raummiete – die kann ich nicht verringern. Das Einzige, was ich drücken kann, ist das Honorar der Nicht-Festangestellten, also der Künstler. Die Leute, die im Fachbereich Kultur arbeiten, die bekommen ihr volles Gehalt. Der Tischler bekommt sein volles Gehalt und auch der Mann, der meine Kunst zum Ausstellungsort fährt. Meines fällt dann weg.

Ist abseits von Festanstellungen etwas zu holen?

Nein. Nicht in Potsdam. Bei einem Festival wie „Made in Potsdam“ etwa – da bekommen Künstler, die für so etwas ausgewählt werden, in anderen Städten 1000 Euro in die Hand gedrückt. Hier wird einem lediglich beim Transport geholfen – und es gibt zwei Freigetränke.  

 

Warum ist das hier so?

Es ist der Klassiker: In meiner Wahrnehmung wird hier nur in die Vergangenheit investiert. Die großen Ausstellungen sind DDR-Kunst. Die Sammler kaufen Kunst von bereits lange verstorbenen Künstlern, davon aber kann die Gegenwart nicht überleben.

Würden Sie in der Stadt bleiben, wenn die Mieterhöhung an der Panzerhalle zurückgenommen würde?

Nein, ich glaube, das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Wenn ich jetzt sehe, dass auch noch ein Festival wie „Localize“ zu Ende geht – das in meinen Augen das Wertvollste war, was die Stadt in Sachen zeitgenössische Kunst zu bieten hatte – dann nein.

Was hat „Localize“ so besonders gemacht?

Das war einer der ganz wenigen Orte, an denen Kunstförderung stattfand. Weil man die Transportkosten erstattet bekam, als Künstler wertgeschätzt und versorgt – ja, ernst genommen wurde. Weil dort ein reger Austausch mit den Besuchern stattfinden konnte und auch unter den Künstlern untereinander.

Wenn Sie jetzt weggehen – können Sie mit Sicherheit sagen, dass es in anderen Städten besser ist als hier?

Es stimmt schon. Kunst hat es immer schwer. Aber es ist eben ein Unterschied, ob ich für Wohnen und Leben ein bis vier Euro pro Quadratmeter bezahle, oder fünf bis zwölf Euro. Die Lebenshaltungskosten sind niedriger, die Fördermöglichkeiten sind in anderen Städten besser. In Chemnitz etwa werden Projekte wie „Localize“ mit einem ganz anderen Volumen gefördert.

Wo wollen Sie jetzt hin?

Ich habe noch keine Entscheidung getroffen. Ich habe jetzt erst einmal ein paar Ausstellungen zu stemmen, in Magdeburg, in Berlin, Niedersachsen und Dessau. Infrage kommen Leipzig, aber auch das Wendland. Möglicherweise aber auch Holland. Ich bin völlig ungebunden.

Bekommen Sie bei irgendeiner dieser kommenden Ausstellungen Honorar?

Viele Ausstellungen sind unbezahlt, aber die laufenden Kosten für Atelier, Material, Transporte und Versicherungen werden übernommen. Ich habe das Glück, dass bei den nächsten vier Ausstellungen eine dabei ist, die die anderen drei mitfinanziert. Damit komme ich bis jetzt auf neun Ausstellungsbeteiligungen in diesem Jahr, was nicht die Regel ist und was das Jobben für Geld wegen der vielen Termine fast unmöglich macht.

Normalerweise jobben Sie, um sich die Arbeit als Künstlerin leisten zu können?

Ja, aber soziokulturelle Projekte sind in dieser Stadt gnadenlos schlecht bezahlt. Selbst als Hauptkoordinatorin der Stadt der Kinder 2012 war mein Nettogehalt fast 200 Euro unter Existenzminimum, während ich die Verantwortung für Hunderte Menschen – ehrenamtliche Helfer und teilnehmende Kinder – hatte. Das ist inakzeptabel.

Das Gespräch führte Ariane Lemme

ZUR PERSON: Anja Pentrop ist 1980 in Münster geboren. An der Akademie Münster und in Barcelona hat sie auch Freie Kunst studiert. In Potsdam ist sie seit gut sechs Jahren, zweimal hat sie am „Localize“-Festival teilgenommen, aber auch zahlreiche andere Ausstellungen gehabt. In ihrer Kunst beschäftigt sie sich derzeit mit der Situation von Gefangenenen in US-Todestrakten und setzt sich allgemein kritisch mit politischen Fragen wie eben der Todesstrafe auseinander.

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