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Borys Borysenko legte einen unbeschwerten Auftritt hin.

© Julius Ruge

Friedensprojekt im Potsdamer Theaterschiff: Vom Zauber dieser Welt

Zwölf Künstler:innen lassen ein gemeinsames Licht der Hoffnung in diesen unruhigen Kriegszeiten leuchten. Mehrere Veranstaltungen sind bereits ausverkauft.

Von Astrid Priebs-Tröger

Die Sommerpause ist für die Crew des Theaterschiffes in diesem Jahr ausgefallen. Deren künstlerische Leiterin Martina König hatte Mitte Mai im Holländerviertel eine Zufallsbegegnung, die alle ihre Pläne über den Haufen warf.

König traf auf eine Gruppe russisch sprechender Menschen, darunter der Körperkünstler (physical artist) Borys Borysenko, der zusammen mit seiner Schwester aus Kiew geflohen war. Martina König, die selbst russisch spricht, kam schnell mit ihnen ins Gespräch.

Borysenko erzählte ihr, dass er Clown, Pantomime und Tänzer sei und nun damit klarkommen müsse, dass die Luft jetzt sein Zuhause sei. König bot ihm an, auf dem Theaterschiff zu arbeiten und der Künstler mit den ausdrucksstarken blaugrauen Augen, der unter anderem beim Cirque du Soleil aufgetreten ist, ergriff die ihm dargebotene Hand.

Das Projekt zog immer weitere Kreise

Geplant war, vor allem finanziell, eine Circus-Show mit vier Künstler:innen auf die Beine zu stellen. Doch die Idee, mit Artist:innen aus Europa ein gemeinsames Friedensprojekt zu inszenieren, zog weitere Kreise und immer mehr Menschen an, die mitmachen wollten. Das Hans Otto Theater half mit Technik, der Schauspieler Jon-Kaare Koppe sprach einen Text ein.

Und nun treten in „The ship, where the light lives“ zwölf Künstler:innen auf, und lassen ihr eigenes beziehungsweise ein gemeinsames Licht der Hoffnung in diesen unruhigen Kriegszeiten leuchten. Für sie zählt das, was jede:r einbringt und nicht, woher eine:r kommt.

Das vorhandene Geld wurde wie vieles andere auch durch zwölf geteilt - wie auch schlechte Nachrichten aus der Ukraine, die von der temporär entstandenen Theaterfamilie gemeinsam verarbeitet wurden. Für einige der Beteiligten sei das Schiff wie eine Arche, sagt Martina König, sie kämen hier zur Ruhe und die Schwere der Welt bleibe außen vor.

Theaterschiff wird zur vielfarbigen Zirkusarena

Entsprechend leicht und spielerisch beginnt die Circus-Show am vergangenen Samstagabend. In dem paradiesisch verwandelten Theaterschiff – dicht an dicht hängen Pflanzen- und Blütenranken von der niedrigen Decke, Vögel zwitschern – jagt am Anfang ein Kerl mit roter Mütze und Kescher (Borys Borysenko) dem zarten Glühwürmchen Sonia hinterher.

Doch Sonia (Zhenja Struts) ist eine schnelle und gewitzte Akrobatin, die mit ihren verwegenen Saltos immer wieder seinem Netz entgeht. Diese Jagd zieht sich als Running Gag durch den ersten Teil der 70-minütigen wundersamen Show, in der exzellente Zauberer, Akrobat:innen und Tänzer:innen mit Tüchern, Ringen, Diabolos und Stäben auftreten. Und obwohl das Theaterschiff als Manege nicht sonderlich gut geeignet ist - es ist viel zu niedrig fürs Trapez  - ist es gelungen, mit künstlerischen, athletischen und „magischen“ Kräften eine vielfarbige Zirkusarena entstehen zu lassen.

Als Balsam für die Seele entpuppte sich auch der Gesang von Gennady Tkachenko-Papizh, denn der mystische Sänger erreicht Heil-Frequenzen von 111 bzw. 532 Hertz. Es geht ein ungemein wohliges Gefühl durch den Körper, wenn er eine Arie aus „Tosca“ singt oder wie ein fantastischer Waldgeist verkleidet Vogelstimmen und Geräusche imitiert.

Licht spielt eine besondere Rolle

Die Idee und das Konzept für „The ship, where the light lives“ stammen von Borys Borysenko, der es gemeinsam mit Joe Ryan umgesetzt hat, der wiederum für Bühnenbild, Kostüm, Regie und Musik verantwortlich zeichnet.

Licht spielt in vielen Facetten eine Rolle. Sei es bei den unzähligen farbigen Scheinwerfern oder den Lichterketten, die kunstvoll die Kostüme der Tänzer:innen illuminieren, oder immer wieder an der Bühnenrückseite, deren rundes Bullauge von Weiß zu Blau, Rot oder Orange wechselt.

Vor allem aber ist das innere Licht gemeint. Von Borys Borysenko stammen die Worte, die gegen Ende der märchenhaften Revue vorgetragen werden: „Das Licht ist in unserem Inneren. Alles, was wir tun, woran wir denken, hat hier seinen Ursprung. Dein Leben ist das Licht. Es ist das Licht des Lebens. Schätze es. Liebe es. Sei glücklich.“

Eine schöne und sichere Welt

Für Regisseur Joe Ryan war die Produktion eine, wie er sagt, “besondere Erfahrung“; er „wollte nicht nur für die Zuschauer:innen eine fantastische Welt kreieren, sondern auch für die Künstler:innen. Auch sie sollten in eine sichere und schöne Welt versetzt werden.“ Ryan empfindet es als großes Geschenk, „hier in Freiheit arbeiten zu dürfen“. Und er hofft, dass auch die Zuschauer:innen „bereit sind, ihre Herzen und Seelen zu öffnen und diese besondere Atmosphäre in sich aufzunehmen“.

Dass diese Botschaft ankommt, zeigen mehrere ausverkaufte Vorstellungen. Erst Ende September beziehungsweise bis zum 8. Oktober kann man wieder Tickets für die Vorstellung bekommen.

Für Geflüchtete mit ukrainischem Pass ist der Eintritt kostenlos. Weitere Informationen, auch auf Ukrainisch, findet man unter: https://theaterschiff-potsdam.de/

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