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Kultur: Echo auf Wagner

Bild-Raum-Klang-Installation im Großen Waisenhaus

Bild-Raum-Klang-Installation im Großen Waisenhaus Die schwere Holztür des neu renovierten Großen Waisenhauses führt von der Lindenstraße in das denkmalgeschützte Treppenhaus. Ein gepflasterter Innenhof, über dem sich die drei Kuppelräume öffnen, von denen erst der oberste in der Mitte geschlossen ist. So geht der Blick durch die Ringe der Kuppelöffnungen hinauf. In der ersten Öffnung ist Gaze ausgespannt, die gleich zur Videoleinwand werden wird. Dieses klassizistische Treppenhaus, das von 1771 bis 1778 errichtet und im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört worden war, haben Künstlerinnen, Künstler und Kunststudierende aus Cottbus, Potsdam und Berlin für ihre Bild-Raum-Klang-Installation „Die Nähe ferner Klänge“ ausgewählt. Ihr Ausgangspunkt war jedoch nicht nur dieser Raum, sondern der Zyklus „Körper ohne Echo“ (1984-1989), der aus Zeichnungen des Malers Hartmut Lincke besteht und sich mit Person und Werk Richard Wagners auseinandersetzt. Der 1942 in Berlin geborene und heute dort lebende Hartmut Lincke war mit Salvadore Dalí befreundet. Er ist dem Surrealismus treu geblieben. In der multimedialen Installation sind, neben Zeichnungen aus dem Zyklus, großformatige Ölbilder von ihm zu sehen, alle von 2003. Vier von diesen Bildern empfangen die Eintretenden gleich unten im Hof, nehmen sie von vier Seiten in die Zange. Glühende Feuer- und Blutformen, bedrohliches Dunkel und alptraumhafte erstarrte Kompositionen zwischen Felswänden, -zacken und –höhlen. Die spiralförmige breite Steintreppe hinauf, gelangt man zu den Zeichnungen von Hartmut Lincke. Mit Titeln wie „Rheingold“, „Siegfried“s Tod“ und „Tristan und Isolde“ zeigen sie vor Muskeln strotzende Körper in extremen Posen, vom Blattformat abgeschnitten. Ähnlich wie die Ölbilder haben auch die Zeichnungen eine große Kraft, die es mit der Gewalt von Wagners Musik aufzunehmen scheint. Zudem setzen sie sich in ihrer bedrückenden und beängstigenden Motivik mit den fragwürdigen Seiten an dem Phänomen Wagner auseinander. Ein Embryo mit Stahlhelm, eine Mutter mit Sohn, der die Babyfaust reckt, ein Porträt des Komponisten, vor dem ein Skelett hockt. Zurückhaltender haben sich die übrigen Arbeiten dem Werk und der Person Richard Wagners genähert. Mit überwiegend leisen Passagen und mit differenzierter räumlicher Klangführung reflektiert die Klanginstallation „Tristan?“ von Frank Bartel (Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam, HFF) die Berühmtheit des Tristanakkordes. Frank Bartel verbindet den Akkord zum Beispiel mit Jazzstücken, in denen er aufgeht und seine Einzigartigkeit in Frage gestellt wird. Dazu die Videoarbeit „m_e²“ von Sabine Jank (HFF). Ruhige mechanische Bewegungen im Schiffshebewerk, dazu Bilder von einem Riesenrad. Es schwankt der Horizont, als wäre er die Gondel, dann taucht das Gondeldach langsam ins Bild wie ein Raumschiff. Unten auf der Kirmes sind die Gestalten fast genauso groß, wie die Silhouetten des Publikums, das sich über die Brüstung lehnt und von unten durch die Gaze hindurch zu sehen ist, auf der sich die Bilder bewegen. Drei Studenten von der Fachhochschule Potsdam haben Videofilme mit einem Chorstück aus den „Meistersingern“ kombiniert. „Hands on Wagner“, das Publikum kann per Knopfdruck entscheiden, wann es welchen der neun kurzen Filme zu der Musik sehen will. Macht die Musik etwas mit den Bildern? Sun-hee Chea und Jakobine Motz (beide HFF) haben beklemmende Fotografien in das Treppenhaus gehängt. Eine Figur, deren Körper von steifer weißer Kleidung und deren Gesicht von einem Bastkorb verhüllt wird: „Porträt ohne Gesicht“. Realistische Räume, die aber menschenleer sind und fremd wirken und in denen die Figur eigentlich keinen Platz hat. Die über sechzig Besucherinnen und Besucher der Eröffnung zerstreuten sich schnell wieder, nachdem sie einmal oben im vierten Stock gewesen waren. Die Installation arbeitet behutsam, das Treppenhaus bleibt auch mit Video und Klang ein Treppenhaus und nichts will überwältigen. Wobei sich manche Arbeiten zu sehr zurückziehen, wie zum Beispiel die 72 kleinen Videoprints „Fernes Echo“ von Günther Petzold (HFF), die im Dämmer der Videoprojektion kaum zu sehen sind. Ein sehr fernes Echo. Dagmar Schnürer „Die Nähe ferner Klänge“ ist noch bis zum 12. Dezember 2003 im Großen Waisenhaus, Lindenstr. 34a, zu erleben. Mo. bis Fr. 9-18 Uhr.

Dagmar Schnürer

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