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Bürgerbühne Potsdam

© Laura Straub/Laura Straub

Die innere Black Box: Die Potsdamer Bürgerbühne sucht das Ich

Das neue partizipative Projekt am Hans Otto Theater heißt einfach „Ich“. Es lässt 18 Laien-Darsteller mit ihren eigenen Geschichten zu Wort kommen.

Von Alicia Rust

Ich bin der, der ich bin, so ein lateinisches Sprichwort. Aber was heißt das schon? Wer Ich sagt, mag schnell als Egoist gelten, wird vielleicht gar als Selbstdarsteller abgestempelt. Kein leichter Begriff also, dem sich die jüngste Produktion der Bürgerbühne am Hans Otto Theater mit den Mitteln des Theaterspiels genähert hat.

Jeder hat sein Päckchen zu tragen, wenn es um die eigene Person geht. Um dieses Päckchen zu versinnbildlichen, hat die Theaterpädagogin Manuela Gerlach, Leiterin der Bürgerbühne, die Metapher der Black Box gewählt. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch die 90-minütige Aufführung. Auf der Bühne zeigt sie sich in Form von schwarzen Kisten, die die 18 Darstellenden mit sich tragen. In 21 Szenen mit drei musikalischen Beiträgen und zwei Einlagen mit tänzerischen Elementen gibt jeder Darsteller kurze Einblicke in die eigene – zum Teil verfremdete – Lebensgeschichte.

Die jüngste Darstellerin ist 15 Jahre alt, der Älteste, der uns alle mit seiner Energie mitgerissen hat, ist 82 Jahre alt.

Manuela Gerlach (Regisseurin, Bürgerbühne)

Psychogram der Gesellschaft

„Ich...“ heißt das Stück. Seit November 2022 wurde dafür geprobt. Ein Spiel mit Worten und Bildern, untermalt von Musik und Tanz, digitale Projektionen gibt es auch. Manuela Gerlach hat Regie geführt. Die Darsteller kommen aus den unterschiedlichsten Berufen. Es sind Frauen und Männer aus verschiedenen sozialen Situationen, insgesamt befinden sich drei Generationen auf der Bühne.

In dem Stück „Ich“ kommen 18 Laien-Darsteller zu Wort.

© Laura Straub/Laura Straub

„Die jüngste Darstellerin ist 15 Jahre alt, der Älteste, der uns alle mit seiner Energie mitgerissen hat, ist 82 Jahre alt“, sagt Gerlach. Zwischen den Darstellern liegen Welten. „Dennoch werden sie im Stück mit einer gemeinsamen Klammer versehen, wenn jeder über die eigene Kindheit erzählt“. Die Teilnehmer hat sie bewusst ausgewählt und so zusammengestellt, dass sie eine diverse Gesellschaft abbilden.

Während der Corona-Zeit wurden viele Menschen plötzlich mit ihrem Ich konfrontiert.

Manuela Gerlach, Regisseurin und Theaterpädagogin

Die Fragen, die die Bürgerbühne umtrieben: Was macht uns aus? Was hat uns geprägt? Schicksal oder um Zufall, in welche Gesellschaft, Familie, in welches Land wir hineingeboren wurden? Welche Rolle spielt die Herkunft? Was ist mit denen, die ihr Land in der Zwischenzeit verloren haben, die gezwungen waren, von vorn anzufangen? „Dabei ist man nicht nur fremdbestimmt, man kann auch aktiv das eigene Leben bestimmen und damit das Selbst, das Ich“, sagt Gerlach.

All das sind Bausteine, aus denen sich das sozialkritische Stück bedient. Entsprechend sieht das Bühnenbild aus: Es besteht aus Würfeln, die wieder auf das Motiv der Blackbox anspielen. Sie können je nach Belieben zu einer Wand, einem Bus oder einem Laufsteg umfunktioniert werden.

Neue Herausforderungen

„Ich“ thematisiert auch Krisen: Klimawandel, Krieg in der Ukraine, die Nachwehen der Pandemie. „Covid war eine große Herausforderung“, sagt Gerlach auf die Frage, wie die Bürgerbühne sich seit der Gründung entwickelt hat. Die Bürgerbühne ging 2019 kurz vor Ausbruch der Pandemie an den Start. Das Konzept habe sich auch in der Ausnahmezeit bewährt. „Wir haben das Stück ,Das offene Mehr’ digital geprobt. Eine Notlösung, doch es hat ganz gut funktioniert.“ Natürlich habe der persönliche Austausch gefehlt. In „Kinder der Sonne“, dem von Bettina Jahnke inszenierten Auftakt der aktuellen Spielzeit, hatten die Mitglieder der Bürgerbühne immerhin als Statisten ihren Auftritt.

Die lange Corona-Zeit habe alle mehr oder weniger isoliert, sagt Manuela Gerlach. Viele waren auf sich selbst zurückgeworfen. „Plötzlich wurden Menschen mit ihrem Ich konfrontiert.“ Was schmerzlich fehlte, war die persönliche Begegnung, der gewohnte Alltag, Berührungen. Genau da setzt die Bürgerbühne nun an. Durch die Zusammenarbeit über Wochen und Monate entstanden Verbindungen zwischen Menschen, die normalerweise nicht ohne Weiteres zusammenkämen.

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