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Kultur: Die Heimat in der Fremde gefunden

Bérangére Palix mit ihren aktuellen Chansons im Waldschloss

Bérangére Palix mit ihren aktuellen Chansons im Waldschloss Von Dirk Becker Mit 20 verließ sie ihre südfranzösische Heimat. Freiwillig, wie Bérangére Palix betonte. Es zog sie nach Deutschland, Berlin. Ein Mensch, der geht, ist meist auf der Suche. Dass Bérangére Palix Berlin eine neue Heimat wurde, scheint zu zeigen, dass sie hier fündig wurde. Hier in der Fremde, wo sich die Begeisterung über das Neue mit dem vagen Gefühl Heimweh vermischt, fand sie den Ton, um die urfranzösischen Lieder zu den ihrigen zu machen. „Instants flánés, instantes flammés“ nennt Bérangére Palix ihr aktuelles Chansonprogramm, mit dem sie am Samstag im Waldschloss zu Gast war. „Wart ab, renn los", so übersetzte sie sehr frei ihr gesangliches Changieren zwischen stillen, poetischen Momenten und den geballten Gefühlsexplosionen, mit denen sie gut zwei Stunden lang das überschaubare Publikum unterhielt. Wenn Bérangére Palix die Bühne betritt, dann wird sie zur raumgreifenden Person. Erstaunlich, wie absolut und gleichzeitig unaufdringlich diese zierliche Frau sich in Szene zu setzen wusste. Am Mikrofon gehörte alle Aufmerksamkeit ihr. Eigene Kompositionen aber auch die Klassiker wie Lemay, Piaf oder Aznavour wurden zitiert. Und dass der Chanson als Kabarettlied eine Mischung aus Gesang, Erzählung und ein wenig Schauspielerei ist, das weiß Bérangére Palix nur allzu gut. Ob nun die ewig lächelnde Mona Lisa im Louvre bei ihr zur ewig hängenden, sich vor Langeweile nur so grämenden Mona Lisa wird. Ob der Friseurbesuch vor einem ihr wichtigen Rendezvous in einer Katastrophe endet oder der kindliche Traum vom Fliegen sich endlich in einem Lied erfüllt, Bérangére Palix versteht ihr Handwerk bis ins Detail. Doch am besten ist sie, sind ihre Chansons, wenn sie wie eine Perpetuum mobile um das ewige Thema der Liebe kreisen. Bérangére Palix gab sich jedoch nicht als hoffnungslose Romantikerin. Liebe, die ewig halte? Da hatte sie nur ein müdes Lächeln für das Publikum übrig. Aber auch wenn die Männer auf immer Mistkerle bleiben, Enttäuschungen nie ausbleiben werden, auch eine Bérangére Palix kann das Mausen nicht lassen. Und so schwärmte sie von blauen Augen, um dann eifersüchtig zu donnern und zu toben, dass es aus den Boxen nur so dröhnte. Diesem südfranzösischen Temperament, wenn Ungerechtigkeitsgefühl es entfacht hat, ist nicht einmal der gelassenste, männliche Kaltblüter dieser Breitengrade gewachsen. Begleitet wurde die Wahlberlinerin an diesem Abend vom Pianisten Jan Hoffmann, der auch die Musik zu ihren Liedern komponiert hat. Die beiden ergänzten sich wunderbar. Bérangére Palixs Stimme reiner Chanson, Hoffmanns Spiel, das sie mal trieb, dass ihr Gesang sie schier zerreißen wollte, dann wieder bremsend, beruhigend, sie so führend, dass sie die Leidenschaft behutsam und mit Bedacht in ihre stilleren Lieder legte. In der Fremde ist Bérangére Palix angekommen. Hier ist sie zwar einige hundert Kilometer von ihrer Heimat entfernt. Doch, wie sie an diesem Abend im Waldschloss zeigte, hat sie erst hier eine ganz persönliche Nähe zum Chanson gefunden, die sie in Frankreich vielleicht vergeblich gesucht hatte.

Dirk Becker

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