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Kultur: „Das Schicksal will mich so nicht glücklich machen“ Neue HOT-Lesereihe im Krongut begann Sonntag

Die einen rufen ihre Liebe Häsin, andere Bärlein, Hermann Fürst von Pückler-Muskau nannte die ewige Dame seines Herzens auch nach einer Zweckscheidung 1826 „Schnucke“, na ja. Sie war die Tochter des Staatskanzlers und Fürsten Hardenberg, von ihrem Gatten getrennt, und lebte mit ihrer Tochter in Berlin.

Die einen rufen ihre Liebe Häsin, andere Bärlein, Hermann Fürst von Pückler-Muskau nannte die ewige Dame seines Herzens auch nach einer Zweckscheidung 1826 „Schnucke“, na ja. Sie war die Tochter des Staatskanzlers und Fürsten Hardenberg, von ihrem Gatten getrennt, und lebte mit ihrer Tochter in Berlin. Der Exzentriker und Lebemann hofierte sie beide, entschied sich dann aber, die Mutter 1817 ohne tiefere Bindung zu heiraten. Man sagt, er hätte sich von dieser Liaison – neben des öffentlichen Aufsehens, die ihm an Jahren überlegene Dame zu freien – auch eine Gesandtenstelle in Konstantinopel versprochen, vor allem die Sanierung seiner Finanzen, des ersten Parks an der Neiße, welcher mit 500 000 Talern überschuldet war. Aber sowohl Gräfin Lucie als auch der Lausitzer galten als edle Verschwender. Nachdem die Mitgift durchgebracht und ihr Schmuck verkauft waren, kam sie auf die verrückte Idee, diese Ehe nach 9 Jahren zu beenden, um den tollkühnen Reiter und glücklosen Spieler – gepflegte Toilette, gefärbter Haare – auf Brautschau nach England zu schicken. Charles Dickens, der ihn erlebte, setzte ihm in seinen „Pickwickiern“ (1836/37) ein wenig schmeichelhaftes Denkmal. Was er seiner „alten Schnucke“ von dort und der Nachbarinsel Irland druckreif schrieb, wurde Anfang der Dreissiger unter dem Titel „Briefe eines Verstorbenen“ anonym, aber mit pekuniärem Erfolge, veröffentlicht, zumal seine Amouretten das Publikum fast genauso entzückten wie Casanovas Erinnerungen. Hans-Jochen Röhrig stellte am Sonntag die merkwürdige Verbindung zweier so ungleicher Gleichen, die voneinander nicht lassen konnten, an den Beginn einer neue Lesereihe des Hans Otto Theaters im Bornstedter Krongut, „Julchen war so schön“ betitelt. Auch diesmal kam das Publikum zuhauf. Knut Kiesant hielt wieder eine seiner fundierten Introduktionen, am Klavier empfahlen sich vierhändig Inge Lindner und Rita Nauke mit leider unbenannten Werken, Ronald Funke brillierte in lesender, darstellender und ironisch kommentierender Vielfalt an den literarischen Zeugnissen einer letztlich erfolglosen Brautschau: Englische Damen wollten damals niemandes „Zweitfrau“ sein. „Das Schicksal will mich so nicht glücklich machen“, seufzte der Ärmste. Die heimlichen Gatten (geschieden, aber nicht getrennt) hatten ja ausgemacht, das Geld jener Dritten zu teilen. Sieht man das rechtens, so war es eine krasse Gemeinheit. Pückler schnurrte um eine Juwelierstochter, wie man dieses Sonntages hörte, um andere gute Partien Englands, jeder nur möglichen „Surrogatfrau“ in spe Liebe des Herzens erheuchelnd und dennoch kühl abwägend, wo sich das überhaupt rechnete. Napoleons Nichte ersäufte sich sogar wegen ihm, dem ungeliebten Spross seiner Eltern: Die Mutter war 15. Als sie ihn gebar, sie suchte seine Hauslehrer nach ihren Bettgenossen aus. Brachten es die Schnurren der zu langen Lesung das Schmunzeln, wenn er trotz tadelloser Manieren als eine der ersten Adressen in Preußen die Damen so täuschte, wie es Playboys und Heiratsschwindler noch heute tun? Nicht Geldsorgen waren sein Lebensproblem, sondern unstillbare Eitelkeit, die ihn schon früher per Luxuskutsche durch Berlin fahren ließ, davor ein Gespann aus Hirschen. Er liebte exzentrisches Auftreten, orientalische Kleidung und Lebensart, von einer Nahostfahrt brachte der Schriftsteller zum Entsetzen seiner Ex sogar die abessinische Sklavin Machbuba mit an die Neiße. Lieber ein Pascha mit 100 Weibern als „ein armer Christenhund“, war sein Leitspruch. Gerold Paul

Gerold Paul

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