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Kultur: „Aladin“ erfüllte auch ihr einen Wunsch

Antje Sternbergs Kostüme bezauberten beim Weihnachtsmärchen / Es war ihre erste große gestalterische Arbeit

Antje Sternbergs Kostüme bezauberten beim Weihnachtsmärchen / Es war ihre erste große gestalterische Arbeit Von Heidi Jäger Das Märchen von „Aladin und die Wunderlampe“ entführt in eine ferne Welt voller Poesie und wundersamen Dingen. Wie aber kann eine solche Exotik aus dem mit Geschichten prallgefüllten Reich tausendundeiner Nacht in die profane Blechbüchse des Hans Otto Theaters hinein gezaubert werden? Dazu braucht es neben uferloser Fantasie wohl vor allem eines guten Zusammenspiels von Regisseur und Team, was zweifellos der Inszenierung von Yüksel Yolku gegeben ist. Schauspiel, Musik, Bühnenbild, Masken und Kostüme zeigen sich aus einem Guss, geben dem Theatererlebnis ein glanzvolles Kolorit. Einen dieser funkelnden Mosaiksteinchen fügte die Leiterin der Kostümabteilung, Antje Sternberg, in das Gesamtkunstwerk ein. Sie kreierte anmutig fallende Gewänder, die der holden Prinzessin schmeichelten, steckte den kessen Jungen Aladin in burschikose „Räubersachen“ und schließlich in die majestätisch aufwertende Robe des jungen Königs. Den bösen Zauberer setzte sie indes charismatisch düster ab. Es war nach „Gretchen 89 ff.“ die erste große Arbeit von Antje Sternberg als Kostümgestalterin, und es ist ihr sehr befremdlich, darüber große Worte zu verlieren. Es sei mehr ein Zufall gewesen, dass sie überhaupt mit dieser aufwändigen Aufgabe betraut wurde. „Ich hatte mich zwar schon um das vorige Weihnachtsmärchen beworben, aber leider vergebens. In diesem Jahr klappte es dann auch nur deswegen, weil kurzfristig die Wunschbesetzung absprang.“ Antje Sternberg fühlte sich aber keineswegs als fünftes Rad am Wagen, sondern füllte begeistert die Lücke, auch wenn es dann „nicht immer nur lustig war.“ Denn schließlich lief ihre Verantwortung als Kostümdirektorin – ein Begriff, den sie nicht mag – weiter. 17 Kollegen - von Scheidern, Gewandmeistern, Schuhmachern bis zu Ankleidern – wollen natürlich beschäftigt und koordiniert sein. „Drängle ich sonst immer die Kostümbildner, unbedingt pünktlich mit ihren Entwürfen zu sein, so dass wir mit der Umsetzung auch nachkommen, musste ich mir diesmal selbst auf die Füße treten.“ Sie arbeitete auch abends und an den Wochenenden, und dennoch wurde alles ganz knapp. „Das Besondere dieser Inszenierung war ja das Zusammenspiel der Kostüme mit den Masken und Perücken. Und da die Masken vorher nicht fertig waren, sondern erst während der Produktion entwickelt wurden, mussten sich auch die Kostüme oft zwangsläufig mit verändern. Die Masken verändern den Menschen total. Letztlich bestimmt natürlich der Regisseur, was gemacht wird, und da muss man sich auch ein bisschen unterordnen, will man ein schönes Endprodukt haben. Zum Schluss freut man sich sehr, wenn es den Kindern gefällt. Erst habe ich zwar gesagt: diesen Stress nie wieder, aber das hat sich inzwischen relativiert.“ Und insgeheim liebäugelt die zurück haltende Frau vielleicht ja doch schon mit dem nächsten Weihnachtsmärchen. Bevor sich Antje Sternberg in ihr „Aladin“-Ideenstübchen zurück zog, hat sie viele Bücher gewälzt, um die Fantasie in Gang zu setzen. Doch dann sprudelten die Ideen von ganz allein. „Das Schöne am Märchen ist ja, dass nichts festgelegt ist und keiner sagen kann: Das stimmt nicht. Man kann also so richtig schön spinnen.“ Die Konzeption steckte den Rahmen ebenfalls recht weit: „Es sollte kein rein orientalisches, sondern ein asiatisches Stück werden, das dann auch die Kimonos ermöglichte.“ Zu beachten hatte Antje Sternberg aber nicht nur die ästhetische Komponente: „Die Schauspieler müssen sich auch in ihrem Outfit bewegen und sich vor allem in Windeseile umziehen können.“ Die Ankleiderinnen kamen bei „Aladin“ jedenfalls mächtig ins Schwitzen, da die Darsteller immer mehrere Rollen zu bestreiten hatten. „Maske runter, raus aus dem Kleid, rein in das nächste: und schon mutiert in drei Sekunden die Zofe zum Geist.“ Trotz ihres prachtvollen Antlitzes steckte nicht unbedingt viel Geld in den Kostümen. Gerade diese Tricks seien es, die das Kreative ihres Fachs ausmachen und sie begeistern. Da ist des Königs dicker Bauch aus Polsterwatte geformt und mit Goldfarbe besprüht und glitzert am Ende goldiger als Gold. Seine Krone besteht aus Filz und Stoff sowie Glasperlen aus der letzten Restekiste und könnte kaum herrschaftlicher sein. „Im Theater ist man immer auch ein guter Sammler. Ein stattlicher Fundus verführt aber auch zur Trägheit. Zum Glück ist noch genug Spitzfindigkeit gefragt.“ Das Improvisieren hat Antje Sternberg zur Genüge in DDR-Zeiten gelernt: Schließlich musste sie am Metropol-Theater zehn Jahre lang die opulentesten Operetten mit auf die Bühne bringen. Den Floh des künstlerischen Gestaltens setzte ihr schon als Kind der Freund ihrer Oma ins Ohr. „Er war Schneider und lobte mich immer für meine Malerei.“ Ihr mutiger Vorstoß, Kunst zu studieren, wurde indes abgeschmettert und so schlug sie kurzerhand den Seitenweg übers Praktische ein, was ihr ohnehin mehr lag. Sie lernte Herren-Maß-Schneiderin, das Schwierigste in diesem Metier. Kleider hatte sie schon als junges Mädchen zur Genüge für sich selbst und andere genäht und auch auf Märkten feilgeboten. Schließlich waren die Textilläden leer und Individuelles gefragt. „Nach Abi und Lehre arbeitete ich dann in einer Berliner Schneiderei auf Akkord. Das war natürlich nicht die Erfüllung, und so bewarb ich mich für die noch junge Studienrichtung Kostümgestaltung in Dresden.“ Zuvor absolvierte sie ein praktisches Jahr an der Komischen Oper Berlin, durfte applizieren und verzieren und endlich die eigenen Ideen ausprobieren. Sie war begeistert. „Da in der DDR alles so schön geregelt war, musste ich mir auch nach dem Studium keine Sorgen machen. Wir wurden auf die freien Stellen verteilt und ich kam eben zum Metropoltheater.“ Obwohl sie mit Operetten nicht viel am Hut hatte, machte ihr die Arbeit dennoch Spaß: Kostümlich konnte man gerade in diesem Fach schwelgen. Ich arbeitete als Assistentin und versuchte die Ideen und Bilder der anderen umzusetzen. Das war in der Operette natürlich spannender als im Sprechtheater, wo es zumeist viel strenger, karger und grauer zugeht. Wir lernten, aus wenig viel zu machen, miesen Materialien den Anstrich von „Luxus“ einzuhauchen. Es wurde gemalt und gesprüht, aber vom Nahen betrachtet war das Ganze natürlich nicht so toll.“ Mit der Abwicklung des Hauses verlor auch Antje Sternberg ihre Arbeit. „Für mich war das gar nicht so schlecht, denn ich wollte mich ohnehin verändern, hätte aber wohl nicht unbedingt den Mut dazu gehabt. Nun war ich gezwungen, mich nach anderen Aufgaben umzusehen.“ Sie qualifizierte sich in der Computer-Schnitt-Konstruktion und fand schließlich 1999 in Potsdam als „Kostümdirektorin“ eine neue Herausforderung. Um freie Kostümbildnerin zu werden, hätte es Beziehungen zu Regisseuren bedurft, die sie nicht hatte. Auch waren die Kinder damals zu klein, um ständig unterwegs zu sein. „Da war mir Potsdam gerade recht. Obwohl es auch nicht das reine Vergnügen ist, jeden Tag drei Stunden Freizeit zu verfahren. Daran gewöhnt man sich nicht wirklich.“ Zu einem Umzug nach Potsdam konnte sich die Berlinerin aber auch nicht durchringen: „Im Theater weiß man ja nie, wie lange man bleiben kann.“ Seit fünf Jahren hat sie nun ihr Domizil in dem herunter gekommenen Zimmerstraßen-Theater aufgeschlagen, in einem nüchternen Raum, in dem nur ein kleiner Berg an Stiefeletten, ein aufgeschlagener Katalog und einige Fotos auf ihr Tun rund um das Kostüm schließen lassen. Der Computer scheint indes recht raumgreifend in ihrer Arbeitswelt zu thronen. „Wenn viel zu tun ist, helfe ich aber auch in der Schneiderei, färbe Sachen oder trimme sie auf alt. Zum Glück habe ich keine reine Schreibtischarbeit.“ Auch die Anproben gehören in ihren Bereich, und dabei ist durchaus psychologisches Gespür vonnöten. „Denn natürlich kann es auch passieren, dass die Schauspieler die Kostüme ablehnen.“ Wenn keine Überredungskünste helfen, muss mitunter auch im Fundus nach Ersatz gesucht werden. „Die Ideen des Kostümbildners sind für unsere Arbeit das Wichtigste, und es ist eine Herausforderung, sich immer wieder auf andere Handschriften einzulassen.“ Vielleicht ist es ja jetzt öfter die eigene, die es umzusetzen gilt. „Aladin war jedenfalls das Schönste, was mir passieren konnte. Denn ein Märchen war immer mein Wunsch.“ „Aladin und die Wunderlampe“ ist am 4. und 5. März, jeweils 10 Uhr, letztmalig im HOT zu sehen. Karten unter Tel. 0331-9811900.

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