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Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) mit Mundschutz bei einem öffentlichen Termin am 17. April.

© Tobias Schwarz / AFP

Machtkampf in der Corona-Affäre: Klinikum-Aufsichtsrat bricht Sitzung ab

Nach dem Corona-Ausbruch ist die Klinikum-Geschäftsführung unter Druck geraten. Und auch Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD). Die Lage wird unübersichtlich, selbst für die Entscheider.

Potsdam - In der Potsdamer Corona-Affäre um das kommunale Klinikum "Ernst von Bergmann" kommt es zu einem Machtkampf zwischen Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) und der Geschäftsführung des Klinikums sowie den politischen Gegnern Schuberts. Eine Sondersitzung des Aufsichtsrats ist am Freitagabend nach mehreren Stunden nach PNN-Informationen ohne Ergebnis abgebrochen worden. Sie soll erst am Dienstag fortgesetzt werden. Ursprünglich war damit gerechnet worden, dass der Aufsichtsrat eine Empfehlung zu personellen Konsequenzen abgibt und der Oberbürgermeister als alleiniger Gesellschafter zeitnah eine Entscheidung trifft. Am morgigen Samstag kommt der Hauptausschuss der Stadtverordnetenversammlung wegen des Klinikums und der vielen toten Patienten zu einer Sondersitzung zusammen.  

Geschäftsführung geriet unter Druck

Die Klinikum-Geschäftsführung Steffen Grebner und Dorothea Fischer ist immer mehr unter Druck geraten, seit nach dem Corona-Ausbruch innerhalb des Krankenhauses die Zweifel an der angemessenen Vorbereitung des Klinikums auf eine Ausbreitung des gefährlichen Virus lauter und lauter geworden sind. Zudem mehrten und mehren sich Hinweise darauf, dass das Klinikum die Gefahr unterschätzt haben könnte. Der Oberbürgermeister hatte Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen drei Ärzte eingeleitet und kurz später auch gegen die Geschäftsführung wegen des Verdachts des "Organisationsverschuldens". Die Verfahren übergab Schubert an die Potsdamer Staatsanwaltschaft, die prüft, ob die möglichen Verstöße von strafrechtlicher Relevanz sind.

Dazu kommt nun eine Strafanzeige der deutschen Stiftung für Patientenschutz gegen das Klinikum wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung sowie des Verdachts des Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz. Die Staatsanwaltschaft prüft die Aufnahme von Ermittlungen wegen des Verdachts fahrlässiger Tötung, wie am am Freitag bestätigt wurde. 

Offener Kampf um Infektionsdaten

Die Klinikleitung hatte sich zuletzt einen offenen Kampf mit Oberbürgermeister Schubert geliefert, indem sie sich mehr als zwei Wochen lang geweigert hatte, die Daten zur Dokumentation des Corona-Ausbruchs wie vorgeschrieben an das Gesundheitsamt zu geben - während parallel fast jeden Tag ein Infizierter im Krankenhaus verstarb. Zweifache Anordnungen der Potsdamer Amtsärztin blieben ohne Reaktion, eine dritte mit Androhung von Zwangsgeld in Höhe von 25 000 Euro sowie eine Weisung des Gesellschafters, also des Oberbürgermeisters, zeigte schlussendlich Wirkung. Es wurden Daten übermittelt. Doch nach Aussagen der Stadt sind diese Daten, die das Infektionsgeschehen dokumentieren sollen, weiterhin unvollständig. Eine Stellungnahme des Klinikums zu dem Sachverhalt gibt es bislang nicht - eine entsprechende PNN-Anfrage wurde nicht beantwortet. 

Steffen Grebner, seit zwölf Jahren Geschäftsführer des Klinikums "Ernst von Bergmann". 
Steffen Grebner, seit zwölf Jahren Geschäftsführer des Klinikums "Ernst von Bergmann". 

© Ottmar Winter

Der Klinikum-Aufsichtsrat ist ein zwölfköpfiges Gremium, dem sechs Stadtverordnete angehören sowie Vertreter der Klinikum-Arbeitnehmer. Es wird von der Potsdamer Gesundheitsbeigeordneten Brigitte Meier (SPD) geleitet. Ihr Stellvertreter ist Wolfgang Blasig (SPD), Landrat des Landkreises Potsdam-Mittelmark. Bei der Sitzung des Aufsichtsrats ist auch die Klinikum-Geschäftsführung angehört worden. Offenbar konnte sie zumindest teilweise Vorwürfe einordnen.

"Die schwarze Station" 

Für Verwunderung sorgte parallel zur Aufsichtsratssitzung am späten Nachmittag eine Veröffentlichung des Magazins "Spiegel" mit dem Titel "Die schwarze Station" über das Geschehen im Bergmann-Klinikum. Während das Klinikum seit Anfang April Fragen der lokalen Medien nur noch selektiv oder gar nicht beantwortet sowie Anfragen der PNN für ein Interview mit einem Arzt und Gesprächen mit Mitarbeitern zu ihrer Tätigkeit in der Ausnahmesituation bereits vor Eskalation der Lage ignorierte, waren in der heißen Phase der Ereignisse zwei "Spiegel"-Journalisten über längere Zeiträume im Krankenhaus.  

Die Enthüllungen der lokalen Medien Märkische Allgemeine Zeitung und PNN beispielsweise über Missstände im Klinikum, etwa dokumentiert im Untersuchungsbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) nach dem Einsatz des Interventionsteams des Bundesbehörde im Klinikum, wiegelten Klinikumverantwortliche dagegen in einem mehrseitigen, den PNN vorliegenden Schreiben an die Belegschaft ab. Darin heißt es einleitend zur Auseinandersetzung mit der Berichterstattung: „Leider sind wir in den vergangenen Tagen nicht schon eher dazu gekommen, Ihnen diese Handreichung zu geben.“ Und weiter: „Diesen Service einer Klarstellung wollen wir auch zukünftig für Sie beibehalten.“ Später ist davon die Rede, es gebe "Anfeindungen" der Medien gegen das Klinikum. Man wolle jedoch mit den Mitarbeitern "gemeinsam in die Zukunft schauen". Am 26. März war der erste mit dem Virus infizierte Patient im Bergmann-Klinikum verstorben, inzwischen sind es 37 Tote. Bis Freitag gab es von den Klinikmanagern keinerlei Aussage, dass im Krankenhaus irgendetwas nicht richtig gemacht worden sei.   

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