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Landeshauptstadt: Zu tief abgeworfen

Sprengmeister Mike Schwitzke entschärfte einen Weltkriegs-Blindgänger

Um 10.55 Uhr war die Arbeit von Mike Schwitzke getan. Ab 9 Uhr am gestrigen Donnerstag, nachdem die Bundesstraße 1 zwischen Potsdam und Geltow gesperrt und ein Sperrkreis von 800 Metern gezogen war, widmete sich der Sprengmeister des Munitionsbergungsdienstes Brandenburg seiner Profession. Er entschärfte im Wildpark eine sowjetische Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Die beiden Zünder dieses 250-Kilogramm-Sprengsatzes sowie eine ebenfalls gefundene 20-Kilo-Bombe sprengte Schwitzke gleich vor Ort. Noch lange lag der Geruch des verbrannten Sprengstoffs in der Luft. Zu Staus wegen der Sperrung der Bundesstraße kam es augenscheinlich nicht, die Umleitungswege schienen vielen Fahrern bekannt.

Nach getaner Arbeit erhielt Schwitzke Glückwünsche von Ordnungsamtsmitarbeiterin Ilona Hoenes. Sie überreichte eine Flasche „Förstertee mit Rum und Fichtennadelauszügen“ – „weil die Entschärfung im Wald geschah“.

Aber noch bevor der 41-jährige Sprengmeister die Allgemeinheit darüber informierte, dass es zwei Bomben weniger auf der Welt gibt, rief er seine Frau an. „Sie ist der General“, sagte er schmunzelnd wenige Minuten nach der Entschärfung gegenüber den PNN, „erst wenn sie Bescheid weiß, hebe ich den Sperrkreis auf.“ Vor dem Mann in der schwarzen Uniform der Munitionsberger liegt die völlig intakt scheinende Fliegerbombe des Typs FAB 250. Sogar das Leitwerk, das die Bombe nach dem Abwurf in die senkrechte Fallposition drehen soll, ist noch gut erhalten. Es ist die vierte Bombe in diesem Jahr für Schwitzke, gefunden wurden sie alle in Potsdam. Angst vor der Entschärfung hat er nicht, sagt er. „Ich habe meine Hausaufgaben gemacht.“ Seinen Beruf habe er „von der Pike auf gelernt“; viele Jahre lang sei er mit erfahrenen Sprengmeistern mitgegangen, um von ihnen das Bombenentschärfen zu lernen. Doch wenn Schwitzke Zweifel hat, greift er zu „Plan B, die Sprengung vor Ort“. Das war etwa nötig vor einem Jahr, als Schwitzke an der Autobahn bei Stahnsdorf eine amerikanische 250-Kilo-Bombe sprengen musste.

Im konkreten Fall blieb es bei Plan A, unter anderem weil sich eine Hochspannungsleitung in der Nähe des Fundortes befindet, die durch fliegende Granatsplitter hätte beschädigt werden können. Auch waren die beiden Zünder des 250-Kilo-Kolosses noch völlig intakt – und nicht einmal scharf. Gern erklärt der Experte den Grund: Die Bombe ist offenbar aus zu geringer Höhe abgeworfen worden. Scharf werde diese Freifallbombe erst nach dem Abwurf durch die Kraft der an der Bombe vorbeiströmenden Luft. Diese bringt metallene Rotoren – kleinen Windrädern oder Mini-Ventilatoren nicht unähnlich – dazu, zu rotieren und sich selbst aus dem Zünder zu drehen. Erst wenn diese kleinen Rotoren von der Bombe abfallen, ist diese scharf und explodiert dank des Front- und des Heckzünders beim Aufschlag. Im konkreten Fall hatte die Fallzeit für die Rotoren nicht ausgereicht, um sich aus der Bombe zu drehen. Senkrecht bohrte sich die stählerne Waffe in den lehmigen Waldboden, direkt neben einem Waldweg, der der ausgefahrenen Fahrrinne wegen wohl durchaus häufig befahren wird. Das Leitwerk der Fliegerbombe reichte bis 50 Zentimeter unter die Erdoberfläche.

Gefunden haben die Bombe die Mitarbeiter der Firma Schollenberger, die von der Forstwirtschaft mit der Bombensuche in den Waldschneisen des Wildparks beauftragt wurde. Mitarbeiter Henrik Schieritz zeigt auf ein ferromagnetisch arbeitende Bombensuch-Gerät vom Typ „Sensys“, eine Tiefensonde. Oft springe das Gerät an, oft sei es Fehlalarm. Wenn dann tatsächlich eine Bombe wie diese ausgegraben werde, „ist das kein Standard“, sagt Schieritz respektvoll.

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