zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: „Wer Träume verwirklichen will “

Ex-Inselgärtner Jörg Näthe präsentiert eine Ausstellung über die Geschichte der Freundschaftsinsel und hofft auf Spenden zur Sanierung des Denkmals für Karl Foerster aus dem Jahr 1974

Mit Schwarz-Weiß-Denken ist die Geschichte der Freundschaftsinsel nicht zu verstehen. Schließlich waren einige der Väter und Mütter des Inselgartens politische Verantwortungsträger im Potsdam des 20. Jahrhunderts. Da ist General a.D. Hans Friedrich, „ein strammer Nazi“, so Näthe, der als nationalsozialistischer Oberbürgermeister Potsdams die Insel gärtnerisch gestalten lässt. Da ist Brunhilde Hanke, in deren Zeit als Oberbürgermeisterin 1968 die Garnisonkirche abgerissen wurde, die aber ihre Verdienste um die Freundschaftsinsel hat. Jörg Näthe, Inselgärtner im Ruhestand, hat ein großes Herz, da passen alle rein, die der Insel in der Mitte der Stadt guttaten. „Es gibt keine Engel“, sagt Näthe: „Wer Licht hat, hat auch Schatten.“ Als Vorsitzender des Vereins „Freunde der Freundschaftsinsel“ zeigte Näthe den PNN am Montag eine Ausstellung des Vereins zur Geschichte der Freundschaftsinsel, die ab sofort noch bis Mitte Oktober samstags und sonntags von 13 bis 17 Uhr geöffnet ist.

Alles begann, als 1841 ein Schankwirt aus der Burgstraße seine Parzelle auf der Insel zwischen Alter und Neuer Fahrt an seinen Schwiegersohn vererbte – und diese in seinem Testament als „Insel der Freundschaft“ bezeichnete. Der Erbe errichtete daraufhin auf der Insel ein erstes kleines Restaurant. Seine Gäste brachte er per Boot ans Inselufer, in einer Laube schenkte er Zichorienkaffee und Bier aus. Noch auf einer Postkarte von 1910 ist das Restaurant „Freundschaftsinsel“ zu sehen. In den 1930er-Jahren wird nur noch von „den Resten des Restaurants“ gesprochen, berichtet Näthe.

Im April 1934 erhielten die Kleingärtner auf der Freundschaftsinsel ihre Kündigung. Sie sollen auf den Pfingstberg umziehen, da Oberbürgermeister Friedrich eine neue Eingangssituation für die Innenstadt schaffen will. Näthe: „Gerümpelbuden, Ziegen, Hühner, Tauben, das war nichts für Friedrich.“ Doch die Kleingärtner wehrten sich. Wie Peter Warnecke in seinem Buch „Laube, Liebe, Hoffnung“ schreibt, dichteten sie ein Gedicht „Bitte an unseren Führer“. Zwei Kinder der Kleingärtner banden einen Blumenstrauß mit der Bittschrift daran an das Motorboot in der Neuen Fahrt, mit dem Adolf Hitler Potsdam besuchte. Intention der Bitte: „Kriegsversehrte und Amputierte“ würden um ihr Fleckchen Erde gebracht. Der Diktator gab die Bitte jedoch lediglich an den Regierungspräsidenten weiter und dieser schlug sich auf die Seite Friedrichs mit der Bemerkung, die Insel solle ein Garten für alle Potsdamer werden und nicht nur für wenige Kleingärtner.

Vier Entwicklungsetappen schält die Ausstellung des Insel-Vereins dann heraus. Erstgestalter ist Hermann Mattern vom Bornimer Kreis um Karl Foerster, der große Inspirator des Inselgartens als Deutschlands erstem Staudenschau- und Sichtungsgarten. „Foerster war kein Gestalter“, sagt Näthe. Er habe Ideen und Fantasien gehabt, für die Umsetzung „hatte er seine Leute“. Der große Staudenzüchter muss ein ganz besonderer Mensch gewesen sein, sagt Näthe: Wer immer ihn nur kurz sprach, habe ein Leben lang bewundernd darüber berichtet.

Foerster hat den Staudengarten eigentlich hinter dem Neuen Palais anlegen wollen, doch „bis da draußen wäre kein Mensch gekommen“, verteidigt Näthe die Entscheidung, den Staudengarten auf der Insel anzulegen. Den Kern der Matternschen Gestaltung bildete eine dem Verlauf der Klinkermauer am Ufer der Alten Fahrt folgende Pergola mit Säulen aus rotem Wesersandstein, von der aus sich fächerartig die Staudenbeete ausbreiteten. Im Frühjahr 1941 wurde der Garten mit 2200 Arten und Sorten Stauden und Sommerblumen sowie 270 verschiedenen Rosen und Ziergehölzen eröffnet.

Nach der kriegsbedingten Zerstörung 1945 erfuhr die Insel ihre zweite Geburt ab 1951, als auf der Freundschaftsinsel wieder eine erste städtische Grünfläche angelegt wurde. Es war „ein Rückgriff auf eine formale Gartengestaltung mit viereckigen Beeten“, erklärt Näthe: „Die Modernität wurde stark zurückgenommen.“ Ab 1953, als Karl Foerster keine Kohlköpfe mehr anbauen musste – „weil Hunger herrschte, Schönheit war überflüssiger Luxus“ –, begann der Landschaftsarchitekt Walter Funcke auf Anregung Foersters auch damit, den Staudengarten neu zu gestalten. Die Pergola wurde in dieser Phase wieder aufgebaut, ebenso eines der beiden Torhäuschen. Darin wird das Büro von Peter Altmann eingerichtet, dem Vorgänger Näthes als Inselgärtner.

Die nächste Entwicklungsetappe brachten die Weltfestspiele im Jahr 1973. Es gibt Geld aus Berlin, mit dem eine Festwiese, ein Restaurant, eine Freilichtbühne, ein Bootshafen sowie ein Pavillon für Musik und Ausstellungen finanziert wird. Und es entsteht „auf Beschluss der Partei“ der Freundschaftsbrunnen, von Näthe schmunzelnd als „Betonweihnachtsbaum“ oder auch „Monstrum“ bezeichnet. 1974 wird anlässlich des 100. Geburtstages Karl Foersters ein Denkmal aufgestellt. Damit kommt aus Sicht Näthes die große Stunde Brunhilde Hankes. Die aus schwedischem Nirosta-Stahl gefertigte, noch heute äußerst modern erscheinende, sehr leichte Skulptur des im Frühjahr 2013 verstorbenen Künstlers Christian Roehl wird von der SED-Bezirksleitung attackiert. Es gibt auch massive Einwände des Stadtarchitekten Werner Berg. Doch Oberbürgermeisterin Hanke „hat das Denkmal durchgesetzt“, sagt Näthe anerkennend. Ein Satz Foersters ist in den Stahl eingraviert: „Wer Träume verwirklichen will, muss wacher sein und tiefer träumen als andere.“

Die letzte Gestaltungswelle erfuhr die Freundschaftsinsel zur Bundesgartenschau 2001. Eine alte Behelfsbrücke, in Anlehnung an die DDR-Bürgermeisterin als „Brunhildensteg“ bezeichnet, wurde durch einen modernen Übergang ersetzt.

Näthe hofft, dass die Ausstellung über die Geschichte der Freundschaftsinsel zu Spenden ermutigt. Gebraucht werden 30 000 Euro, um das Foerster-Denkmal zu sanieren, das im Frühjahr 2013 beschädigt wurde – „eine unmöglich erreichbare Summe“, wie Näthe resignierend sagt. Jugendliche hatten sich auf das filigrane Werk Roehls gesetzt und es stark verbogen. Eine Zeugin berichtete Näthe, „da saßen neulich drei Mädels drauf“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false