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Stammkunde: Der Potsdamer Tramfahrer Nico Lübke geht seit 20 Jahren regelmäßig zur Plasmaspende im Stern-Center.

© Andreas Klaer

Wenn Spender zu Empfängern werden: Ein Besuch im Blutspendezentrum Potsdam

Blutspenden sind in Deutschland in den letzten zehn Jahren um rund 21 Prozent gesunken. Das hat viel mit der alternden Gesellschaft zu tun.

Arm freimachen, Nadel ansetzen und dann eine gute Stunde sitzen und warten: Für Nico Lübke ist das schon längst Routine. „Ich mach’ das gerne“, sagt der 42-jährige Tramfahrer aus Potsdam, der bereits zum 74. Mal im Haema-Blutspendezentrum in Potsdam ist, um hier Blutplasma zu spenden. Angefangen hatte er mit dem Blutspenden schon in der Berufsschule: „Der Grund war damals, dass man schulfrei bekommen hat, wenn man Blutspenden gegangen ist.“

70 bis 100 Personen kommen täglich ins Haema Blutspendezentrum, das sich im Stern-Center befindet. In der Einrichtung wird ausschließlich Blutplasma abgenommen, sogenannte Vollblutspenden übernimmt das Deutsche Rote Kreuz in Potsdam an seinem Standort am Bergmann-Klinikum oder mit mobilen Blutspende-Teams.

Es wird sich in den nächsten Jahren bemerkbar machen, dass viele Spenderinnen und Spender aus der Babyboomer-Generation altersbedingt ausscheiden. 

Kerstin Schweiger, DRK-Sprecherin

Die Anzahl der Vollblutspenden sinkt seit Jahren kontinuierlich: Zählte das DRK 2013 deutschlandweit noch rund 4,6 Millionen Spenden, waren es 2022 nur noch rund 3,6 Millionen – ein Rückgang um etwa 21 Prozent. Genaue Zahlen für Potsdam oder Brandenburg gibt es nicht, der Trend herrscht jedoch bundesweit.

„Auch im Bereich des DRK-Blutspendedienstes Nord-Ost, der Brandenburg, Berlin und Sachsen umfasst, wird sich in den nächsten Jahren bemerkbar machen, dass viele Spenderinnen und Spender aus der spendenstarken Babyboomer-Generation altersbedingt ausscheiden werden“, sagt DRK-Sprecherin Kerstin Schweiger. „Aus Spendern werden Empfänger, auch dadurch steigt der Bedarf an Blutpräparaten. Dies bedeutet, dass die Solidargemeinschaft dringend mehr Menschen benötigt, die zum ersten Mal Blut spenden und dann sprichwörtlich am Ball bleiben.“ Derzeit könne der Bedarf bei entsprechender Planung gut gedeckt werden, mittelfristig werde er jedoch steigen.

Plasma hilft gegen lebensbedrohliche Krankheiten

Beim Plasma sieht es etwas anders aus: Hier gab es 2013 laut DRK bundesweit 2,5 Millionen Spenden, 2022 lag dieser Wert bei 2,8 Millionen. Doch auch bei Haema sieht man die Herausforderungen durch den demografischen Wandel und versucht junge Menschen für Spenden zu gewinnen: So nimmt das Unternehmen regelmäßig an Aktionstagen wie der Internationalen Woche der Plasmaspende Anfang Oktober teil, ist in den Sozialen Medien aktiv und produziert einen eigenen Podcast. Das DRK Nord-Ost hat mit „500 Milliliter Leben“ ebenfalls einen eigenen Podcast zum Thema Blutspende.

Auch Nico Lübke versucht regelmäßig, Freunde und Bekannte zum Spenden zu animieren: „Ich poste auch immer ein Foto bei Instagram, wenn ich gerade spende.“ Mittlerweile hat die Maschine, an die der Schlauch zu Lübkes Arm angeschlossen ist, angefangen zu arbeiten. Bei einer Plasma-Spende werden feste und flüssige Blutbestandteile voneinander getrennt, der flüssige Teil ist das Plasma, die eigentlichen Blutbestandteile fließen in den Körper zurück.

Plasmaspenden sind wichtig, da aus den Plasmaproteinen Medikamente hergestellt werden, die zur Behandlung von lebensbedrohlichen genetischen Erkrankungen gebraucht werden. Dazu zählen unter anderen Blutgerinnungsstörungen wie die auch Bluterkrankheit genannte Hämophilie, Immundefekte und seltene neurologische Störungen. Viele Menschen sind ihr Leben lang auf Plasmamedikamente angewiesen.

„Mir geht es hauptsächlich darum, den Menschen Plasma zu geben, die das dringend brauchen“, sagt Lübke, während die blassgelbe Flüssigkeit in eine Flasche läuft. „Es können ja auch nicht alle Menschen Plasma spenden.“ Wer bestimmte Krankheiten hat, regelmäßig Medikamente nimmt oder selbst schon mal eine Blutspende bekommen hat, ist von der Plasmaspende ausgeschlossen. Außerdem muss man mindestens 18 Jahr alt sein und mindestens 50 Kilogramm wiegen.

Nebenbei lohnt sich das Plasmaspenden auch: 25 Euro gibt es pro Spende. Bis zu 60 Mal im Jahr kann man Plasma spenden, bei Vollblutspenden sind es sechsmal im Jahr bei Männern und viermal bei Frauen.

Rund 2000 Vollblutspenden wurden im September 2023 beim Potsdamer DRK geleistet, davon etwa ein Viertel am Standort im Bergmann-Klinikum sowie rund 1500 Spenden auf mobilen Terminen in Potsdam, Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming und Havelland. Deutschlandweit sind im Schnitt 15.000 Blutspenden täglich notwendig, um den Bedarf an Blutprodukten zu decken. Derzeit spenden etwa drei Prozent der Bevölkerung in Deutschland Blut.

Der Verdacht, dass die Blutspenden auch aufgrund von Corona zurückgegangen sein könnten, ist übrigens falsch: „Die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung war während der Pandemie durchaus vorhanden“, sagt DRK-Sprecherin Susanne von Rabenau. Gerade in dieser Krisensituation hätten viele Menschen mit einer Welle an Hilfsbereitschaft reagiert. „Dass die Pandemie sich auf das aktuelle Spendenaufkommen noch auswirkt, kann man so aus den genannten Gründen eher nicht sagen“, sagt von Rabenau.

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