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Landeshauptstadt: Viele Gäste beim Spendenfest

Die Gemeinde St. Nikolai lädt zum „Gedeckten Tisch“ mit Musik, Haareschneiden und ärztlicher Beratung

Innenstadt - Es fehlt an Kuchen. Alles ist vorhanden. Nur Kuchen fehlt, weil der Ansturm einfach zu groß ist. Die St.-Nikolai-Gemeinde öffnete am Freitag zu ihrer dreitägigen Aktion „Gedeckter Tisch“ ihre Kirchenpforten am Alten Markt – und erlebte mit etwa 1000 Gästen einen Ansturm. Die Resonanz war deutlich höher als bei den gleichnamigen Spendenfesten der vergangenen beiden Jahre, hieß es.

Für den heutigen Samstag wird mit noch mehr Publikum gerechnet, denn zum einen gibt es ein besonderes Kinderprogramm mit dem Kindertheater „Buntspecht“ und dem Puppentheater „Rabatz“, zum anderen sorgt das „Montagsorchester“ für Stimmung vor dem Altar, wie Organisatorin Ariane Zibell sagte. Weil aber Kuchen fehlt, gibt Pfarrer Matthias Mieke die Parole heraus: „Zeitung lesen, Kuchen backen, herkommen!“

Der „Gedeckte Tisch“ ist ein Angebot an alle Potsdamer, aber insbesondere an diejenigen unter ihnen, „denen es nicht so gut geht“, wie Harald Geywitz vom Gemeindekirchenrat sagt. Am Eingang der riesigen Schinkelkirche spendet jeder Gast einen Euro und erhält eine weiße Rose – sowie die Möglichkeit, sich an die gedeckten Tische zu setzen, Kaffee zu trinken, Kuchen – insofern vorhanden – zu essen oder auch Würstchen oder Suppe und dabei diversen musikalischen Angeboten zu lauschen. Am Freitag spielten keine Geringeren als die Potsdamer Band Kitchen Grooves – „Hey na, na, na “

Über 170 freiwillige Helfer hat Organisatorin Zibell an allen drei Tagen am Start; die Aktion endet erst am Sonntag gegen 16 Uhr. Literweise werden gespendete Getränke angeliefert; über den Kaffeeverbrauch kann Ariane Zibell nur spekulieren: Im vergangenen Jahr wurden 24 Kilogramm Kaffee aufgebrüht, dieses Mal wird es wohl sehr viel mehr sein.

Doch das Angebot der Gemeinde an diesen drei Tagen geht über das Kulinarische und Kulturelle weit hinaus. In einem gefliesten Toilettenraum im Keller werden im Akkord Haare geschnitten. Manuela Epperlein, die sonst ihr Geld beim „Barbier im Krongut“ verdient, sagt, warum sie ihren Job an diesen Tagen kostenlos versieht: „Ich kann die Welt nicht retten, aber ich kann was tun vor meiner Haustür.“ Es bildet sich eine lange Schlange von Menschen, die sich dank dieses Angebots die Kosten für einen Haarschnitt sparen können.

Die Friseurin berichtet, dass junge Kolleginnen, die sie fragte, ob sie mit in die Nikolaikirche kommen wollen, abgewunken hätten. Dennoch ist Manuela Epperlein nicht allein in diesem improvisierten Salon: Neben ihr steht der 75-jährige Karl-Heinz Skodlarek, ein Friseurmeister im Ruhestand, der Kunde bei ihr ist – selbst Friseure schneiden sich die Haare nicht selber – und der sofort zugesagt hat. Nun frisiert Skodlarek gerade einen jungen Mann, es wird ein sehr strenger Kurzhaarschnitt. „Die Kunden können natürlich auch hier Wünsche äußern“, sagt die Friseurin, die mitzählt: Im vergangenen Jahr hat sie beim „Gedeckten Tisch“ 94 Haarschnitte absolviert, „dieses Mal werden es mehr sein“, vermutet sie.

Großer Andrang herrscht auch bei Felicitas Blume, die zur Gemeinde St. Peter und Paul gehört, an diesem Tag aber in der evangelischen Nachbargemeinde bei der Verteilung der Kleiderspenden hilft. „Wir machen Ökumene“, sagt sie. Zahlreiche, gut erhaltene Anziehsachen liegen auf Tischen aus, die Gäste probieren, suchen aus, nehmen mit. Auch für die Wochenendtage werden noch genügend Sachen da sein, versichert sie. Die Kleidung stammt von Spendern, die sie das Jahr über in der Gemeinde abgegeben haben.

Auch das bietet die Aktion: eine kostenlose medizinische Untersuchung bei der Ärztin Anneke Vad, die ihre Praxis in Seddiner See für diesen Freitag geschlossen hat. Die Allgemeinmedizinerin erklärt, es gebe eine starke Korrelation zwischen Armut und psychischen Erkrankungen. Hier, in einem Nebenraum des Gemeindesaals, könnten die Leute mal ganz ungezwungen mit der Ärztin reden. Sie müssen nicht einmal ihren Namen nennen. Allerdings kommen auch Menschen zu ihr, die keine Krankenversicherung mehr haben, etwa gescheiterte Unternehmer. Anneke Vad: „Wer einmal raus ist aus der Versicherung, kommt nicht mehr rein.“

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