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Unter Druck. Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) wird vorgeworfen, in seiner an der Universität Potsdam verfassten Dissertation die Herkunft übernommener Textstellen verschleiert zu haben.

© dapd

KEIN PLAGIAT: Uni Potsdam: Althusmann darf Doktortitel behalten

UPDATE. Formale Mängel in einer schwachen Doktorarbeit - Aber kein wissenschaftliches Fehlverhalten. Niedersachsens Kultusminster Bernd Althusmann (CDU) sieht seinen Ruf nicht beschädigt.

Potsdam/Hannover - Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) behält seinen Doktortitel. Eine Prüfkommission der Universität Potsdam hat ihre Untersuchung zu dem Fall eingestellt, wie der geschäftsführende Uni-Präsident Thomas Grünewald am Donnerstag sagte. Zwar bescheinigte die Kommission der umstrittenen Dissertation eine Vielzahl formaler Mängel. Jedoch erfüllten die Verstöße nicht den Tatbestand des wissenschaftlichen Fehlverhaltens, hieß es. Althusmann selbst zeigte sich „erleichtert“ über die „einstimmige“ und „eindeutige“ Entscheidung der Kommission. „Das ist eine Bestätigung dessen, was ich bereits vor Monaten gesagt habe: Meine Arbeit weist keine Urheberrechtsverletzungen auf, sie ist kein Plagiat, und das ist mir wichtig: Es ging ausschließlich um Zitierfragen und mögliche Zitierfehler“, sagte er. Seinen Ruf als Bildungspolitiker sieht er nicht beschädigt. Er sei sich von Anfang an sicher gewesen, dass der Vorwurf der Täuschung nicht auf seine Arbeit zutreffe. „Ich habe zu keinem Zeitpunkt an Rücktritt gedacht.“ Auch wenn die Kommission auf Mängel in der Arbeit hingewiesen habe, sehe er nun keinen Anlass, seinen Doktortitel abzugeben. „Niemand ist ohne Fehl und Tadel“, argumentierte Althusmann, der auch Präsident der Kultusministerkonferenz ist. Er werde deshalb weiterhin als Kultusminister mit „gutem Gewissen“ vor eine Klasse treten können und über Bildungspolitik sprechen. Eine Überarbeitung seiner Arbeit schloss er aber nicht aus. „Lassen sie mir mal ein bisschen Zeit, um darüber nachzudenken.“ Ansonsten werde er nun aber wieder „gelassen und ruhig“ seiner Arbeit nachgehen.Der 44-Jährige räumte ein, dass es in der Dissertation „Fehler“ gebe. Das habe er aber auch zuvor nicht bestritten. „Es gibt Zitierregeln. Die sind mir jetzt noch besser bekannt, als sie es vielleicht früher waren“, sagte er. Als er die Arbeit verfasst habe, habe er sich aber an die ihm bekannten Regeln gehalten. Er plädierte dafür, dass die großen Universitäten in Deutschland weiter an einer Vereinheitlichung der Zitierregeln arbeiten. Zudem halte er eine intensivere Betreuung, insbesondere von externen Doktoranden, für notwendig, sagte Althusmann. Die Prüfkommission der Universität Potsdam habe ihre Untersuchung zu dem Fall Althusmann eingestellt, hatte zuvor der geschäftsführende Uni-Präsident Thomas Grünewald am Donnerstag erklärt. Der Kommissionsvorsitzende Tobias Lettl bescheinigte der umstrittenen Dissertation zwar eine Vielzahl formaler Mängel. Jedoch erfüllten die Verstöße nicht den Tatbestand des wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Zu den formalen Mängeln gehört laut Lettl, dass Althusmann in seiner an der Universität Potsdam vorgelegten Doktorarbeit fremde Textfragmente wiedergab, ohne das im Text beispielsweise durch Anführungszeichen deutlich zu machen. Stattdessen habe Althusmann lediglich in den Fußnoten mit dem Hinweis „vergleiche“ auf die Quellen aufmerksam gemacht.Das sei ein Mangel von erheblichem Gewicht, betonte Lettl. Dieser „Verstoß gegen die gute wissenschaftliche Praxis“ bedeute aber kein wissenschaftliches Fehlverhalten im Sinne der Satzung der Universität Potsdam, die sich an Vorschlägen der Deutschen Forschungsgemeinschaft orientiere. Der Tatbestand wissenschaftlichen Fehlverhaltens wäre laut Satzung bei Falschangaben, der Verletzung geistigen Eigentums oder der Beeinträchtigung der Forschungstätigkeit Dritter erfüllt. Als Beispiel für die Verletzung geistigen Eigentums nennt die Satzung die unbefugte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke oder wesentlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse unter Anmaßung der Autorenschaft. Ein solcher Plagiatsvorwurf sei der Dissertation nicht zu machen, sagte Lettl. Die achtköpfige Prüfkommission sei einhellig zu dieser Auffassung gelangt.Abgesehen vom objektiven Tatbestand wissenschaftlichen Fehlverhaltens ist aus Sicht der Kommission auch der subjektive Tatbestand nicht erfüllt. Denn dann müsste Althusmann Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit unterstellt werden. Dagegen spreche jedoch die „Gutgläubigkeit von Herrn Althusmann“ im Hinblick auf seine gewählte Methodik mit den „vergleiche“-Hinweisen. Lettl rügte, die Dissertation sei von den Gutachtern der Universität nicht ausreichend überprüft worden. Grünewald sagte dazu, dass die Universität ihre Standards für Promotionen künftig verbindlicher gestalten werde.Ein Urteil zur inhaltlichen Qualität der Doktorarbeit gab die Kommission nicht ab. Grünewald sagte, inhaltliche oder qualitative Mängel seien nicht Gegenstand der Untersuchungen gewesen. Ob Althusmann weiterhin guten Gewissens seinen Doktortitel tragen könne, habe er nicht zu bewerten. Althusmann hatte für seine Dissertation nur das schlechteste Prädikat „rite“ (ausreichend) erhalten. Der Chef des Experten-Gremiums informierte Althusmann erst am Donnerstag telefonisch über die Ergebnisse. Die CDU- und FDP-Fraktionen im niedersächsischen Landtag forderten daraufhin eine Entschuldigung der Opposition. SPD, Grüne und Linke sehen aber immer noch den Ruf des Ministers beschädigt. Er gebe ein schlechtes Vorbild für Lehrer und Schüler ab. Der Schaden bleibt, meint auch die Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD). Es bleibe „ein mulmiges Gefühl zurück“. Die Erklärung der Promotionskommission der Universität Potsdam lese sich „wie ein Freispruch zweiter Klasse“, erklärte die SPD-Politikerin am Donnerstag. Die Plagiatsvorwürfe waren im Juli bekannt geworden. Althusmann war vorgeworfen worden, in seiner  2007 an der Universität Potsdam eingereichten Dissertation fremde gedankliche Leistungen versteckt als eigene ausgegeben zu haben. In der Wochenzeitung „Die Zeit“ war die Rede davon, dass er  erheblich gegen wissenschaftliche Regeln verstoßen habe. Die Kommission zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens der Universität Potsdam hatte sich seit August mit der Doktorarbeit des Ministers beschäftigt, dabei wurden auch zwei externe Sachverständige hinzugezogen. Eine Vorprüfung des Dekans der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, Klaus Goetz, war zu dem Ergebnis gekommen, dass „die Verdachtsmomente nicht hinreichend ausgeräumt“ werden konnten.Die Fehler beim Zitieren fremder Quellen betrafen in erster Linie  längere Passagen, die Althusmann  in seiner Arbeit von anderen Wissenschaftlern übernommen hatte, hier war in  Fußnoten lediglich mit dem Hinweis „vergleiche“ auf die Quellen aufmerksam gemacht worden. Der Minister hatte  nach Bekanntwerden der Vorwürfe „handwerkliche Fehler“ eingeräumt. Eine bewusste Täuschung hatte er jedoch abgestritten. Nach dem Vergleich seiner Arbeit mit anderen Potsdamer Dissertationen sprach er nur noch von falschen Seitenzahlen in Fußnoten. Aus dem Kreise der Prüfer hatte die „Zeit“ erfahren, dass die Promotionsschrift nach siebenjähriger Entstehungszeit mehrfach überarbeitet werden musste und dann „über den Zaun gehoben“ wurde. Der Fall Althusmann unterscheidet sich allerdings  vom Plagiat des ehemaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Althusmann soll den Vorwürfen nach nicht kopierte Passagen komplett eingefügt, sondern die Herkunft übernommener Textstellen durch „kosmetische Veränderungen“ am Text und irreführende Fußnoten verschleiert haben. Im abgelaufenen Jahr hatte es zwei weitere Plagiatsverdachtsfälle an der  Universität Potsdam gegeben. Zum einen hatte ein  nun emeritierter Mathematikprofessor  aus einem Sachbuch abgeschrieben. Zum anderen prüft die Universität Bonn  die Promotion der  FDP-Politikerin und Potsdamer Honorarprofessorin Margarita Mathiopoulos aus dem Jahre 1986. dpa/dapd/Kix

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