zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: „TNT“ mit Trompeten

Musikalisches, Kulinarisches und Hochprozentiges aus Potsdam und Umgebung auf der Grünen Woche

Sie heißen Horst und Peter. Sie kommen aus dem Erzgebirge, aus Altenberg – „da, wo die Bobbahn ist“ – und sie sind jedes Jahr da. „Wir machen uns einen gemütlichen Tag“, sagt einer der Mittsechziger und zwinkert, „ohne Frauen, das bringt sonst nichts“. Horst und Peter lassen sich vom Geschiebe zahlloser, zumeist gleichaltriger Erlebnishungriger mitreißen. Die Brandenburg-Halle der Grünen Woche in Berlin ist selbst an einem Wochentag extrem gut besucht; dabei sagt Aaron Radtke von der Fleischerei Bothe aus Geltow, während er Lachsrücken-Scheiben an die Messegäste verteilt, „es geht heute noch, am Wochenende ist mehr los“.

So muss man es machen, wie Horst und Peter, einfach drauflos, einfach darauf einlassen. Am Stand mit der Aufschrift „Maritas Wildfrüchte“ aus Ferch steht Detlef Jänicke und preist seine Marmeladen. Die Gäste dürfen sich Weißbrotwürfel nehmen, mit einem Plastiklöffel Konfitüren draufstreichen und kosten. Justin und Jerry, Schüler aus Wartenberg, finden es lecker. „Erdbeer und Kirsch sind der Renner“, kommentiert Jänicke, „alles Eigenproduktion.“ Und was ist mit der Mango da? „Man muss sich dem Markt anpassen.“

Wenige Schritte weiter, am Stand der Stadt Beelitz, steht der Beelitzer Bürgermeister Bernhard Knuth. Mit Stolz verweist er auf das große Wandbild in der Brandenburg-Halle, darauf sind der Beelitzer Kirchturm und die berühmte Bockwindmühle des Ortes zu sehen. Aus dieser Mühle kommt das Mehl für das Mühlenbrot, das die Bäckerei Exner an diesem Mittwoch am Beelitz-Stand anbietet. So jedenfalls sagt es Tobias Exner, Chef der 43 Bäckerläden, darunter neun in Potsdam, die den Namen Exner tragen. Wirklich, echtes Mehl aus der Mühle? Exner bestätigt: „Wenn der Wind weht, wird mit Windkraft gemahlen.“ Und mehr noch: Damit es auch künftig Mühlenbrot geben kann, werden zwei Exner-Mitarbeiter den Beruf des Windmüllers erlernen, kündigt der Firmenchef an.

Nur wenig später geht jemand am Beelitz-Stand vorbei, gehüllt in ein riesiges, sehr flauschig-filzig anmutendes Spargel-Kostüm. Ein grüßender, tanzender Riesenspargel. „Na Sie“, wird er gefragt, „ist Ihnen warm.“ Der Spargelmann – oder die Spargelfrau? – nickt enthusiastisch und reißt zur Antwort beide Daumen hoch. Auf der Bühne von Antenne Brandenburg tanzen indes Frauen aus dem Fläming in Regionaltracht zu einer Musik, zu der auch gesungen wird. Im Text heißt es: „Halleluja, das Paradies ist längst schon da.“ Mit Betonung auf den Reim am Schluss.

Vor der Bühne geht indes ein Herr in schwarzer Tracht auf und ab. Es ist eine Fläminger Herrentracht, sagt Heinz Müller, an seinem Revers trägt Müller einen Orden mit der Aufschrift „200 Jahre Schlacht bei Dennewitz“, der sie in Dennewitz vergangenes Jahr gedachten. Es ging damals gegen Napoleons Grande Armée, die, wie Müller berichtet, „vernichtend geschlagen“ wurde. Auf der Bühne tritt nun das Ensemble „Blechschaden“ der Kreismusikschule Teltow-Fläming auf. 15 Schüler blasen in ihre Trompeten, ein Keyboard wird bedient, ein Schlagzeug erzeugt ein sehr markantes Drum-Wummern ... das kennst du doch das ist von einer Band, in der niemals eine Trompete zugelassen würde Ein wohliger Schauer im Moment des Erkennens: Die Jungs und Mädchen trompeten tatsächlich „TNT“ von AC/DC! Nicht schlecht!

Auf einem Hockertisch vor dem Stand der Landeshauptstadt Potsdam steht Ramona Kleber vom Lavendel-Hof Marquardt und hat ein Angebot: Einen Lavendel-Tee und ein Lavendel-Säckchen „To Go“ für 2,50 Euro. Die Leute greifen aber viel häufiger zu den kostenlosen Lavendel-Muffins, von denen, wie die Hofbetreiberin sagt, 20 000 bis Mittag nicht reichen würden. Auch Susanne Posth ist am Potsdam-Stand; sie betreibt den Laden „Senf-Elfen“ in der Potsdamer Hermann-Elflein-Straße und bezieht die Senfkörner, „die Saat“, aus dem Fläming und verarbeitet diese in der Landeshauptstadt: „Mahlen, Meischen, Abfüllen, das findet alles in der Elflein-Straße statt.“

Am Nachbarstand der Braumanufaktur Templin bereitet sich indes der 31-jährige Koch Stefan Richter auf das große Schaukochen im Pro-agro-Kochstudio vor. Er werde eine Wildschwein-Keule zubereiten, sagt er, geliefert von der Sielmann-Stiftung. Dazu gibt es Braunbier-Semmelknödel und eine Braunbiersoße, „halb Bier, halb Milch“.

Wiederum ein Stand weiter steht Michael Schultz von „Schultzens Siedlerhof“, ein Hofladen mit eigener Brennerei. Der Mann produziert Freude und hat Freude daran, sie mit anderen zu teilen. Zunächst gießt er aus einer Flasche ein, auf deren Etikett „Williams Christ Birnenbrand Nr. 1“ steht. Es brennt angenehm Aber wieso Nr. 1? „Das ist die erste Pflücke der Früchte aus der sonnenverwöhnten Krone“, sagt Schultz – und reicht als Nächstes einen Birnenlikör. Natürlich sollte jeder den Unterschied zwischen Brand und Likör kennen Aber was ist das da? Whisky? Im Regal hat Schultz tatsächlich ein paar Flaschen seines selbst hergestellten Whiskys – „Single Grain German Whisky“ steht auf der Flasche und auch der Name, den Schultz seinem Whisky verlieh: „Glina“, auf Slawisch „Ton“ oder „Lehm“. Später entstand aus „Glina“ der Ortsname Glindow, die Whisky-Benennung ist „ein Andenken an meine Heimat“, sagt Schultz. Mindestens „drei Jahre und einen Tag“ sind seine Whiskys in neuen Fässern aus Spessart-Eiche gelagert. Großzügig schenkt der Mann von der bronzefarbenen Flüssigkeit ein; edel-ölig und mit einem schaurigschönen Nachbrennen perlt sie den Gaumen herab wunderbar! Die Grüne Woche, sie kann so schön sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false