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Landeshauptstadt: Tief im Westen der Insel Potsdams, wo sie der Nässe trotzen und den Folgen eines Brandes

Unterwegs mit Grubes Ortsvorsteher Stefan Gutschmidt zur Lösung eines Problems in Nattwerder – genau genommen in Einhaus an der Wublitz

Er muss nach Einhaus raus. Einhaus gehört zu Nattwerder und Nattwerder zu Grube und Grube zu Potsdam. Stefan Gutschmidt ist Ortsvorsteher von Grube, er hat einen Termin in Einhaus, dessen Name kein großes Rätsel aufgibt, obwohl nun zwei Familien in dem Haus am Ufer der Wublitz wohnen. Der 42-Jährige stellt seinen Golf vor der Nattwerderaner Kirche ab, der ältesten noch erhaltenen in Potsdam, und will zu Fuß nach Einhaus gehen, will sehen, ob der Damm dorthin noch gut befahrbar ist für das Schulkind, das in Einhaus wohnt und jeden Tag mit dem Rad zur Schule fährt. Hier, wo die Insel Potsdam am Westlichsten ist, ist sie auch am nassesten. Wiesen und Mohre prägen die Landschaft, die Wege führen entlang auf aufgeschütteten Dämmen. So gibt auch der Ortsname Nattwerder keine großen Rätsel auf: Als 14 Siedlerfamilien aus der Schweiz das Kolonistendorf 1685 gründeten, standen deren Kühe nicht selten bis zum Bauch im sumpfigen Nass.

Gutschmidt erzählt. Er ist gelernter Tischler, jetzt arbeitet er bei der Potsdamer Feuerwehr. Früher war er immer am Meckern, da haben die Leute in Grube gesagt, er solle sich doch als Ortsvorsteher zur Wahl stellen. Das tat er dann auch. Hin und wieder wirft er jetzt, während er mit kräftigen Schritten hinaus nach Einhaus geht, einen kritischen Blick auf schräge Betonplatten, die den Damm zur Holperpiste machen. „Nur nicht anfassen“, wird Thomas Lederer gleich sagen, denn den Weg nach Einhaus zu erneuern würde der Stadt eine sechsstellige Summe kosten. Zu viel für einen Weg, der nur zu einem Haus führt. Lederer ist ein freundlicher Mann und als solcher im Bauamt der Stadt „zuständig für die Wege in den Kolonien“, wie er sagt. In Ausübung dieser Pflicht ließ er nun den Radweg, der durch Einhaus bis zur Wublitzbrücke geht, ebnen und mit einer Schotterschicht versehen. Das ruft aber die letzten originalen Nachfahren der Nattwerder-Kolonisten von 1685 auf den Plan: Emil Mauerhof, seine Frau Gerda und einen weiteren Verwandten, Bernd Mauerhof, der verrät, dass die Familie, als sie 1685 an der Insel anlandete, noch „Muhrenhof“ hieß. „Der Name hat sich seitdem ein wenig verändert.“

Der Schotterweg hat auch einen Teil der Wiese in Beschlag genommen, die den Mauerhofs gehört. Emil Mauerhof will nicht, dass die Schottersteine in sein Mähwerk gelangen. Aber eigentlich braucht der 77-Jährige überhaupt keinen Schotter in Einhaus. Als er noch jünger war, hat er manchmal einen Treckerreifen an seinen Traktor gebunden und damit den Weg selbst planiert. Dieser Schotterweg werde nun erst recht die Wublitz-Angler anziehen, die ihre Autos auf seiner Wiese parken. „Die wollen am liebsten vom Auto aus angeln“, sagt Gerda Mauerhof.

Schnell wird der Grenzstein gefunden und schnell ist klar, dass Mauerhofs recht haben; der Schotterweg nimmt zur Hälfte die Wiese in Anspruch, Grund und Boden also, den Mauerhofs Vorfahren noch von Kurfürst Friedrich Wilhelm erhielten. 19 Hektar besitzt Emil Mauerhof, der erzürnt, wenn er Großgrundbesitzer gerufen wird. Seine Eltern hatten 35 Hektar und selbst die hießen nur Großbauern, nicht Großgrundbesitzer. Seine Generation hat noch gelitten an diesem nassen, kargen Acker. „Bei einer Bodenwertzahl von 18 bis höchstens 25 haben wir nie die Auflagen geschafft“, erinnert sich der kleine, aber kräftige Mann, „wir haben oft keine Schlachterlaubnis bekommen, weil wir das Soll nicht geschafft haben“.

Mit Thomas Lederer vom Bauamt wird sich der Bauer einig, auch weil Ortsvorsteher Gutschmidt das Vor-Ort-Gespräch moderiert. Drei Möglichkeiten gibt es ja nur: Entweder die Stadt kauft Mauerhofs das geschotterte Stück Wiese ab. Oder sie schiebt ihren Schotter wieder weg. Oder es gibt einen Flächentausch mit der Stadt. Mauerhofs wollen es sich überlegen – und Gutschmidt ist es zufrieden.

Wir gehen zurück. Fahren nach Grube. Gutschmidt will die gefährliche Kurve zeigen und tatsächlich, ein Schwerlaster nach dem anderen fegt durch den kleinen Ort. Allerdings haben die, die direkt an der Kurve wirtschaften, gar nichts gegen den regen Durchgangsverkehr. Das bringt Kundschaft. Anna-Lorena Argüello Wiemeler, deren Wurzeln bis nach Nicaragua reichen, betreibt dort mit ihrem Mann eine Autowerkstatt. „Auto-Mobil-Lorena“ heißt sie, es geht um „Oldtimer – Citroen – Proton – Gasanlagen“ und um indische Motorräder der Marke „Royal Enfield“. Die junge Frau muss das Büro neu malern, es riecht verkohlt, denn es hat gebrannt. Ein Hund war in der Nacht an den Schalter der Herdplatte gekommen. Aber das werde schon wieder alles. Sie zeigt Zuversicht und streichelt ihren blinden Hund.

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