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Landeshauptstadt: Stark mit leisen Tönen

Die Potsdamerin Johanna Wanka wird Angela Merkels neue Wissenschaftsministerin. Ein Blick auf eine Frau, die weiß, was sie will und auch als Ministerin in Niedersachsen auf Potsdam geachtet hat

Das Telefonat ist kurz, freundlich, aber bestimmt. Sie bitte um Verständnis, dass sie sich zurückhalten wolle bis zur Ernennung in dieser Woche. Die Frau, die seit Samstag designierte Bundesbildungsministerin ist und Annette Schavan beerben soll, lässt sich nur einen Satz entlocken. „Ich habe Respekt vor der Aufgabe“, sagt Johanna Wanka, Jahrgang 1951, verheiratet, zwei erwachsene Kinder, in Potsdam lebend, zuletzt Wissenschaftsministerin in Niedersachsen, davor neun Jahre in Brandenburg.

Respekt – das Wort passt zu ihr. Das sei keine dahingeworfene Floskel, bestätigen Wegbegleiter. Den hatte sie stets in der ungewöhnlichen Karriere, die die durchsetzungsstarke Ostdeutsche mit – in der Öffentlichkeit – leisen Tönen machte. Mit Charme, elegantem Auftritt, den Ehrgeiz geschickt hinter Zurückhaltung versteckend. Eine, die das Ziel nie aus den Augen verliert, aber jeden Schritt nüchtern abwägt, was ihr die einen als Risikobewusstsein zugutehalten, weniger freundliche Stimmen auch als Übervorsicht. Nur: Kritikern und Bremsern kann sie mit einer sanften Form besonderer Kälte begegnen – dann werden die Augen schmal, der Blick kurz stechend und dann kann sie verbal das Gegenüber mit Sätzen, die mit „Wissen Sie“ beginnen, rempeln.

Ambitionen auf das Bundesforschungsministerium hatte man Wanka bereits im Bundeswahlkampf 2009 nachgesagt. Bei einem gemeinsamen Besuch der Potsdamer Fachhochschule ließ sie Bundesforschungsministerin Schavan ziemlich blass aussehen, die entscheidenden Aussagen kamen von ihr. In dieser Zeit war es auch, dass Wanka im Bildungsstreik als märkische Wissenschaftsministerin eine souveräne Figur abgab, sie ging direkt auf ihre Herausforderer zu. Das ist ein Wesenszug von ihr: Wanka weicht nicht aus und sie bekommt so meist, was sie will.

Ihren Politikstil beschrieb Wanka einmal so: „Ich bin niemand, der für lautes Getöse steht, der polarisiert.“ Und:  „Man sollte fair sein und Siege teilen können.“ Da ist die Naturwissenschaftlerin zu spüren. Als sie 2010 als Wissenschaftsministerin ins niedersächsische Hannover gerufen wurde, war sie die erste Ostdeutsche überhaupt, die in ein westdeutsches Kabinett wechselte. Langjährige Erfahrungen halfen, dass es reibungslos lief, sie in Niedersachsen erfolgreich war. Zuletzt koordinierte sie, seit ihrer Zeit als Präsidentin der Kultusministerkonferenz bundesweit bestens vernetzt, CDU-Länder bei bundesweiten Wissenschaftsthemen.

Ein guter Draht zu Kanzlerin Angela Merkel wird Wanka schon länger nachgesagt. Wenn es um Hochschulen geht, macht ihr kaum einer was vor. Das war schon als Wissenschaftsministerin in Brandenburg so, anerkannt bei den Hochschulen wie in der Politik, selbst der damaligen Linke-Opposition. Es war ein Schock für Wanka, als Matthias Platzeck nach der Landtagswahl 2009 mit den Linken weiterregierte, es verletzte sie tief, das nahm sie persönlich. Entdeckt hatte sie einst Manfred Stolpe, der frühere Ministerpräsident in Brandenburg. Als sein Vize und Innenminister Jörg Schönbohm im Jahr 2000 die Spitze des CDU-geführten Wissenschaftsministeriums neu besetzen musste, machte Stolpe ihn auf Wanka aufmerksam. Damals war die Professorin, noch parteilos, Rektorin der Fachhochschule Merseburg, wo sie in den Wendetagen das Neue Forum mitgründete. Geboren in Rosenfeld, hatte sie an der Universität Leipzig Mathematik studiert und promoviert: „Lösung von Kontakt- und Steuerungsproblemen mit potential-theoretischen Mitteln“. Vielleicht ist das ihr Erfolgsgeheimnis.

Denn auch in der Praxis ist und war Wanka bei Kontakt- und Steuerungsproblemen eine – oft auch im Verborgenen agierende – Expertin. Ihr Draht nach Potsdam war nie abgerissen – im Gegenteil, sie hielt ihn immer aktiv aufrecht. Nicht nur weil ihr Mann, Mathematiker wie sie, hier die Wohnung am Tiefen See noch hütete – und nicht auf sein im Frühjahr und Sommer tägliches Bad im See verzichten wollte. Auch zu ehemaligen Mitarbeitern hielt sie den Kontakt – sie wollte auch über Brandenburg auf dem Laufenden bleiben. Nur in ihre Partei wollte sie sich nicht mehr einmischen in Brandenburg – das gehöre sich nicht, fand sie. Dass aber ihre Nachfolgerin im Amt als Partei- und Fraktionschefin, die Werderanerin Saskia Ludwig, von den eigenen Parteifreunden aus den Ämtern gedrängt wurde, fand sie in der Ferne leise richtig. Ludwig hatte sie zuvor in ihrem Nachregierungsamt als Chefin der Landtagsfraktion bedrängt – da kam der Ruf nach Hannover gerade richtig: nicht im Ministeramt und die Mühen der Oppositionsarbeit mit der eigenen Partei im Nacken vor sich. Auch wenn so vieles in der märkischen Partei noch immer nicht so ernsthaft läuft, wie sie es sich wünscht – sie zeigte Interesse und ganz ohne Fäden gen Potsdam in der Hand war Wanka in Hannover nie.

Eine spezielles freundschaftliches Verhältnis hat sie zu einer ganz speziellen politischen Figur: dem Potsdamer Rainer Speer, Ex-SPD-Politiker, Ex-Staatskanzleichef, Ex-Finanzminister, Ex-Innenminister und noch immer hinter den Kulissen aktiv. Speer stürzte später über eine Unterhaltsaffäre. Wanka fand es unappetitlich und ungehörig – schätzt „den Rainer“ aber weiter. Speer war es, der ihr nach der Wahl im Herbst 2009 die Absage der SPD an eine Neuauflage der SPD/CDU-Kolition zugunsten eines Bündnises mit den Resten und Nachfahren der DDR-Staatspartei SED überbrachte. Am 11. Oktober, es war eine Sonntagnacht, saß Speer in ihrer Wohnung in der Berliner Straße und sagte es ihr. So, wie er es ihr versprochen hatte: Wenn sich etwas tut, dann sagt er ihr das offen und rechtzeitig, verstellt sich nicht, belügt sie nicht. Speer, sagte sie Vertrauten, habe sich als ehrlich und verlässlich erwiesen – ein schräger Typ, mit seinen Marotten, aber eben einer, der Wort halte. Mit Matthias Platzeck ist Wanka allerdings durch: Der hatte sie, die Verhandlungsführerin der CDU, erst am Montag anrufen lassen – irgendwann am Vormittag. Wanka hat ihr Urteil gefällt: Platzeck – rückhaltlos, feige, nach der gemeinsamen Regierungszeit zu keinem ordentlichen Umgang fähig. Politisch kann man sich begegnen – privat hat sie Zweifel an der Charakterfestigkeit. Das habe, sagen Vertraute, nichts damit zu tun, dass Platzeck den Koalitionspartner wechselte – dass sei normal in der Politik. Ihr gehe es um das Wie und ob es mit Anstand und offen geschehe. Das habe sie erwartet, das sehe sie als nicht erfüllt an. Und dass einer wie Platzeck, einer mit dieser Vita, anstandslos mit der alten Staatspartei koalierte, in deren Landtagsriege sich eine ganze Reihe alter Stasispitzel wiederfand, habe sie ehrlich schockiert, sagen Freunde.

Wanka ist auch keine Ostdeutsche, wie sie sich die meisten Ostdeutschen vorstellen: Sie ist kein Ossi. Wanka hat andere Erfahrungen gemacht als die Masse: Die religiöse Mutter aus Ostpreußen gab den, wie sie findet, richtigen Weg vor: Abstand zum Staat DDR und dessen Organisationen. Johanna Wanka durfte nicht zu den Jungen Pionieren, fühlte sich so als Außenseiterin. Das prägt. Noch mehr aber die Erfahrung, aufgrund der Religion und Eigenständigkeit Wege versperrt zu bekommen: Auf die erweiterte Oberschule durfte die Musterschülerin – „alles Einsen außer Sport“ – erst, nachdem sie dem Druck nachgab und mit 14 Jahren der SED-Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend (FDJ) beitrat. Diesmal kamen die Tränen wegen Nachgebenmüssens: „Da habe ich geheult vor Wut.“

In die Politik geriet Wanka wie so viele: zu Wendezeiten als Mitglied der DDR-Bürgerrechtsbewegung. Sie war im September 1989 Gründungsmitglied des Neuen Forums in Merseburg. Von der „irren Zeit“, in der sie mit selbstkopierten Plakaten für Meinungsfreiheit kämpfte, schwärmt sie bis heute. Zunächst parteilos, schloss sie sich erst 2001 der CDU an – da war sie schon Wissenschaftsministerin unter Manfred Stolpe (SPD).

Die Wankas werden nun wieder gemeinsam in Potsdam wohnen – und Potsdam seine erste Bundesministerin haben; einen Minister hatte die Stadt schon: Manfred Stolpe, der im Alter nicht loslassen konnte und Bundesverkehrsminister wurde. Kurz davor war die Stadt schon einmal – als im Vorjahr Bundesumweltminister Norbert Röttgen zurücktrat, war Katherina Reiche, die parlamentarische Umweltstaatssekretärin und Potsdamer CDU-Kreischefin, im Gespräch. Nun ist es also Wanka – und vielleicht sitzt sie dann auch mit anderen als den lokalen und regionalen Größen und ihren Freunden in ihrem Lieblingsrestaurant, der „Waage“ am Neuen Markt. Für unerwartet große Resonanz könnte die neue Bundesministerin für eine Potsdamer Galerie und einen Autoren sorgen: Am 8. März soll sie in der Galerie Semsdorf das Buch des „Spiegel“-Autoren Stefan Berg über dessen Parkinson-Krankheit vorstellen. Sie wird den Termin wohl einhalten.(mit kix und rts)

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