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Landeshauptstadt: Soundcheck in der alten Wasseruhrenfabrik

Wo proben Bands, wenn im boomenden Potsdam nichts mehr leer steht? Oliver Deutschmann will in Babelsberg mit dem Projekt „Myroom4music“ eine Antwort geben – in einer umgebauten Fabrikhalle

Babelsberg - Was des einen Lust, ist des anderen Last: Während sich Wohnungssuchende in Potsdam über die Sanierung leer stehender Häuser freuen, wissen Musikbands in der boomenden Stadt zunehmend nicht, wo sie noch ordentlich in die Tasten hauen oder in die Gitarrensaiten greifen sollen. Zuletzt hieß es von der Alten Brauerei am Telegrafenberg, dass im Zuge des Umbaus zur Wohnnutzung zahlreiche Bands ihre Probenräume verlieren. In dieser Situation scheint die Geschäftsidee von Oliver Deutschmann vielversprechend: Der junge Unternehmer hat in der Gartenstraße in Babelsberg für zehn Jahre eine 650 Quadratmeter große Lagerhalle gemietet, in die er zunächst zehn, später 15 Probenräume integrieren will, um sie stundenweise an Bands oder Solisten zu vermieten. Im Januar beginne der Umbau, kündigt Deutschmann an, eine erste Teileröffnung sei für den 1. Februar 2014 vorgesehen. „Ich erfülle mir einen Traum“, bekennt der 43-Jährige.

Die Investitionssumme beträgt etwa 200 000 Euro. Eine Finanzierungsvereinbarung mit einer Bank hat Deutschmann bereits in der Tasche; am gestrigen Montag unterschrieb er die Verträge.

Deutschmann spielt selbst Bass in der Band „Thinmen“ und komponiert auch. Daher sind ihm die Probleme der Bands nur zu gut bekannt. Auch der Halleneigentümer sei von dem Projekt, dass sich „Myroom4music“ nennt, ebenfalls überzeugt. „Da sind zwei Positiv-Verrückte aufeinander getroffen“, sagt Deutschmann, der als studierter Wirtschaftsingenieur seinen Idealismus mit nüchternen Kalkulationen zu verbinden sucht – nicht zuletzt auf Basis seiner 15-jährigen Erfahrung als selbstständiger Finanzberater. Deutschmann: „Ich bin nicht nur Musiker, ich bin auch Geschäftsmann.“

Seine Überlegungen sind sehr konkret. Nicht selten müssten Bands „tropfende Keller“ anmieten, um spielen zu können. Die feuchte Location ist oft nicht ideal, die Instrumente leiden, und dennoch muss der suboptimale Raum komplett gemietet werden – und steht doch die meiste Zeit leer. Diese widersprüchliche Situation will Deutschmann „aufbrechen“; in seiner Halle werde schon ab vier Euro die Stunde ein Probenraum für einen Solomusiker zu mieten sein. Die Räume, von denen der größte auch Videoaufnahmen für Bands ermöglicht, sollen „voll ausgestattet sein mit Schlagzeug, Verstärker und Mikros“, sagt Deutschmann: „Plug and play!“ Die Musiker brauchten „nur mit kleinem Besteck zu uns kommen, Drummer etwa bringen nur ihre Schlagstöcke mit“. Zu den anvisierten Kunden Deutschmanns gehörten etwa freie Schlagzeuglehrer, die momentan gar nicht wissen, wo sie üben können mit ihren Schülern. Der Potsdamer freut sich auch auf junge Leute, die ihre erste Band gründen wollen.

Empfangen werden die Kunden des Probenraum-Centers in einem Office, wo nicht nur die Musikerräumer stundenweise vermietet, sondern auch Ersatzteile für Instrumente und Getränke verkauft werden. Auch könnten dort dann beispielsweise Gitarren ausgeliehen werden. „Wir starten mit mindestens zwei Mitarbeitern“, sagt Deutschmann, zudem würden Pauschalkräfte eingestellt, Studenten etwa, die eine Musikaffinität mitbringen sollten – „gern auch Leute mit Blech im Gesicht und Tätowierungen“. Deutschmann: „Wir sind Musiker, da herrscht eine andere Kultur.“ Geöffnet sein soll „Myroom4music“ zwar auch am Samstag und am Sonntag, aber nur bis maximal 24 Uhr – „wir wollen das Band der Freundschaft in der Umgebung nicht überstrapazieren“.

Der Einzug der Musiker in die Halle, die bisher von dem Gebäudereiniger Rhauda genutzt wurde, bedeutet auch einen Erhalt des alten Industriebaus. Die Halle entstand um 1900 und beherbergte früher eine Wasseruhrenfabrik. Deutschmann will das Sheddach, auch Sägezahndach genannt, in das schräge Fenster integriert sind, erhalten und so das einfallende Tageslicht nutzen. Guido Berg

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