zum Hauptinhalt
Steffi Pyanoe

© Sebastian Gabsch/PNN

Schlaflose Nächte: Über verschreckte Katzen, mutige Politiker und einen der schönsten Plätze Europas

Nach zwei relativ ruhigen Corona-Jahren wurde wieder ordentlich geböllert in Deutschland. Unsere Autorin nervt das - und ihre Haustiere auch.

Eine Kolumne von Steffi Pyanoe

Ein großer Feuerwerkshersteller sagte, vom Tagesspiegel zur Lage des Unternehmens nach zwei ruhigen Corona-Silvestern gefragt, sie hätten um ihr Überleben gekämpft. „Ich hatte viele schlaflose Nächte.“ Ich hatte gerade auch viele schlaflose Nächte. Es begann mit dem Böllerverkauf und erreichte seinen fulminanten Höhepunkt am 31. Jede Nacht lag ich wach, bis gegen vier Uhr die Katze mit eingekniffenem Schwanz zurückschlich ins Haus, wo sie am Vormittag viel Schlaf nachzuholen hatte und mit dem ersten Nachmittagsböllern, das in der Dämmerung wie ein Countdown erwachte, erneut die Flucht ergriff. Tagelang. Während die andere Katze vorübergehend komplett in den Keller gezogen war.

Wenn ich etwas aus der Coronazeit mitnehmen könnte ins Jetzt, wäre das die Bereitschaft vieler Menschen beziehungsweise der Mut der Politiker, die Böllerei einzudämmen. Das Wort Verbot tut der Diskussion nicht gut, es soll Leute geben, die dadurch ihre Freiheitrechte bedroht sehen. Ich sehe meine Freiheitsrechte mittlerweile auch bedroht. Feuerwehr, Polizei und Gesundheitswesen sind tagelang damit beschäftigt, einem Bruchteil der Bevölkerung ein teures, menschen- und umweltschädliches und gefährliches Brauchtum zu ermöglichen und ihnen hinterherzuräumen, wenn sie rücksichtslos die Sau rauslassen. Das verstehe ich nicht.

Früher war mehr Lametta aber weniger Knallerei. Jetzt schicke ich alle halbe Stunde den Kindern, 20 und 24, eine SMS: Geht’s euch gut? Habt ihr noch alle Finger? Das nervt sie natürlich. In diesem Jahr schrieben sie zurück: „Gibt keine Böller oder Raketen. Aus Solidarität mit den Ukrainern, der Umwelt und den Tieren.“ Na bitte!

Aus dem vergangenen Jahr 2022 möchte ich auch was mitnehmen, nämlich den Moment, als ich am zweiten Weihnachtstag nach dem Gottesdienst aus der Nikolaikirche trat. Ich stand auf dem Treppenpodest und blickte hinunter auf den stillen Alten Markt, über dem noch der Morgennebel lag. Einer der schönsten Plätze Europas mit majestätisch-wuchtiger Architektur, die mir Winzling-Mensch plötzlich eine wohlige Stabilität vermittelte: Alles geht weiter, alles wird gut. Es war – zum Heulen schön.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false