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Mehr als Bockwurst. Im Restaurant Potsdam im weißrussischen Minsk wurde unter anderem gefülltes Kalbssteak angeboten. Laut Zeitzeugen war das Lokal äußerst beliebt. Ein Gericht hieß Sanssouci.

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Das Potsdam in Minsk: Sanssouci im Zuckerbäckerstil

Das Terrassenrestaurant Minsk hatte in der weißrussischen Hauptstadt sein Potsdamer Pendant. Auch heute kann man dort noch speisen – allerdings heißt die Gaststätte anders. Erinnerungen gibt es dennoch.

Weiße Tischdecken, frische Blumen, schwere Vorhänge, ausladende Kronleuchter an hohen, stuckverzierten Decken und poliertes Besteck: Das frühere Restaurant Potsdam in der Innenstadt der weißrussischen Hauptstadt Minsk will offenbar mit gehobenem Ambiente punkten. Inwischen heißt es Grand Café. Auch die kleinen Portionen auf umso größeren Tellern lassen erahnen, dass man nicht in erster Linie dorthin geht, um satt zu werden. Das Potsdam war auch schon in der sozialistischen Welt eine gute Adresse. Es befand sich an der Kreuzung der Leninstraße und der Straße der Internationale – beide Straßen heißen im Gegensatz zum Restaurant auch immer noch so.

Dass es in Potsdam das Terrassenrestaurant Minsk gab und in Minsk das Restaurant Potsdam, ging auf wechselseitige Besuche der Parteileitungen der entsprechenden Gebiete zurück. Potsdam sei dabei keine Ausnahme gewesen, wie der Potsdamer Historiker Thomas Wernicke vom Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte recherchiert hat. Cottbus unterhielt Kontakte ins russische Lipezk, Frankfurt (Oder) ins weißrussische Witebsk. Eine offizielle Städtepartnerschaft gab es nicht: Die SED-Leitung wünschte keine „zusätzliche Reisetätigkeit“.

Strammer Max und Kalbssteak gefüllt mit Champignons

Aus den Kontakten auf Funktionärsebene zwischen Minsk und Potsdam entwickelte sich schließlich die Idee, in Potsdam das Restaurant Minsk zu bauen. Pläne für ein Terrassenrestaurant neben der Schwimmhalle am Brauhausberg hatte es schon früher gegeben, so Wernicke. Doch erst durch die Minsk-Kontakte kam Schwung in die Sache. Wegen Materialknappheit dauerte es bekanntlich noch bis 1977, ehe das Minsk – zum 60. Jahrestag der russischen Oktoberrevolution – seine ersten Gäste begrüßen konnte.

In Minsk ging es schneller. Am 24. Mai 1971 berichteten die Brandenburgischen Neuesten Nachrichten, wie die PNN seinerzeit hießen: Das Restaurant Potsdam sollte drei Gasträume haben; einen Gastraum Sanssouci mit 50 Plätzen, ein als Bauernstube eingerichtetes Märkisches Zimmer und einen kleineren Raum, das Hans-Marchwitza-Zimmer. Die Minsker Köche wurden in einem Küchenseminar geschult. Auf der Speisekarte standen Strammer Max und Kalbssteak gefüllt mit Champignons. Insgesamt 35 Gerichte wurden angeboten. Im Juli wurde die Gaststätte eröffnet.

Gekachelte Fassade in einem Orange-Ocker-Ton

Anders als in Potsdam wurde für das Restaurant allerdings kein eigenes Gebäude errichtet. Es befand sich im Erdgeschoss eines repräsentativen Wohn- und Geschäftshauses im Zentrum der Stadt. Das Gebäude wurde wie viele solcher Bauten im Zuckerbäckerstil der Stalin-Ära errichtet. Das wuchtige Erdgeschoss ist mit einer Natursteinfassade verblendet und mit Säulen verziert, die Etagen darüber haben eine gekachelte Fassade in einem Orange-Ocker-Ton. Gegenüber wurde inzwischen auch ein Teil der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Altstadt wiederaufgebaut – inklusive einer Kirche.

Kontakte zwischen Minsk und Potsdam gab es 1988 noch einmal. Eine Delegation des Rates des Bezirkes reiste nach Weißrussland. Es ging um anstehende Renovierungen beider Gaststätten, so Wernicke. Die sowjetische Seite wünschte sich auch neue Stühle und einen attraktiven Außenbereich, so Wernicke. 1989 sollten die Arbeiten beginnnen. Doch daraus wurde nichts mehr.

In Minsk erinnern sich einige noch gut an das Restaurant. Auf den Webseiten mehrer örtlicher Zeitungen finden sich Berichte. So erinnert sich Anton Astapowitsch in einem Text des Nachrichtenportals „Tut.by“ an Besuche während seiner Studentenzeit Anfang der 1980er-Jahre. Abends habe es auch Live-Musik gegeben. Das Potsdam war offenbar sehr gefragt. Ohne Reservierung gab es keinen Platz – es sei denn man gab dem Türsteher drei Rubel. Die Spezialität des Hauses war ein Gericht mit dem Namen Sanssouci.

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