Riesendemo, leere Straßen: Wie Potsdam den großen Warnstreik erlebte
Tausende Gewerkschafter zogen durch die Breite Straße. Tarifverhandlungen im Kongresshotel zunächst ohne Fortschritte.
Potsdam hat am Montag einen der größten Demonstrationszüge der vergangenen Jahre erlebt. Beim Warnstreik anlässlich der dritten Tarifverhandlungsrunde für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zogen gegen 11 Uhr laut Verdi-Angaben 5000 Gewerkschafter lautstark vom Kongresshotel am Templiner See über die Zeppelinstraße bis zum Alten Markt. Dabei hatten sie Plakate in den Händen mit Aufschriften wie „Wir streiken bis ihr handelt“ oder „Wertschätzung sieht anders aus“. Wegen des Aufzugs musste die Lange Brücke gegen 12 Uhr komplett gesperrt werden.
Das führte zu erheblichen Verkehrseinschränkungen für Autofahrer - das ganz große Chaos blieb aber aus. Die Straßen waren deutlich leerer als an normalen Montagen, viele hatten entweder freigenommen oder Home-Office-Möglichkeiten genutzt. Deutlich leerer als sonst war es auch an Touristenmagneten wie dem Neuem Palais oder dem Museum Barberini - kaum jemand hielt sich am Hauptbahnhof auf. Erst am Nachmittag nahmen S-Bahn und Regionalbahnen wieder Fahrt auf.
Umso lauter war es gegen Mittag am Alten Markt, wo die Abschlusskundgebung zum Warnstreik stattfand. Dort rief - begleitet von einem Pfeifkonzert - Christoph Schmitz vom Verdi-Bundesvorstand den Beschäftigten zu, wenn die Arbeitgeber kein besseres Angebot vorlegen würden, dann werde der Arbeitskampf verschärft: „Dann sehen wir uns hier alle wieder, notfalls auch länger.“ Mehr Lohn sei gerade in Zeiten stark gestiegener Energie- und Lebensmittelpreise nötig.
Zu sehen waren nicht nur Angestellte etwa aus dem Bergmann-Klinikum, sondern auch Arbeitnehmer aus Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen. Mit Bussen waren sie nach Potsdam gebracht worden. Neben Verdi waren auch Arbeitnehmervertretungen wie die Gewerkschaft der Polizei oder die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vor Ort, die die Interessen von Erzieherinnen in kommunalen Kitas vertritt.
Derweil hatten Institutionen wie die Stadtverwaltung mit den Folgen des Ausstands zu kämpfen. Zum Beispiel war das Bürgerservice-Center vor Ort nur spärlich besetzt, das Besucheraufkommen aber ebenfalls gering. Die Stadt- und Landesbibliothek blieb den Montag über geschlossen, auch die Müllabfuhr blieb eingeschränkt.
Im Klinikum „Ernst von Bergmann“ habe es eine höhere Beteiligung bei der Verdi-Aktion gegeben als bei einem Warnstreik vor zwei Wochen, sagte eine Sprecherin. „Die Patientenversorgung konnte Tag mit einigen Einschränkungen gewährleistet werden.“ Insbesondere bei Operationen und in der Klinik für Psychiatrie habe es trotz der verhandelten Notdienstvereinbarung verstärkte Ausfälle gegeben. Zur Entlastung hatte das Haus bereits am Freitag alle nicht lebensnotwendigen Operationen verschoben. Klinikumsgeschäftsführer Hans-Ulrich Schmidt sagte, er hoffe, dass auf weitere Streiks verzichtet werde: „Eine weitere Einschränkung der Patientenversorgung, aus welchen Gründen auch immer, kann von keiner Seite gewollt sein.“
Rathaus rechnet mit hohen Zusatzkosten
Die Stadtspitze blickt mit Sorge auf die Verhandlungen. Schon Ende Januar hatte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) den Stadtverordneten vorgerechnet, dass sich die Verdi-Forderungen für die Stadtverwaltung allein in diesem Jahr auf 10 Millionen Euro extra summieren könnten - und für das Klinikum auf sogar 13 Millionen Euro. Wie viel Geld Kämmerer Burkhard Exner (SPD) in dem ohnehin defizitären Doppelhaushalt 2023/2024 eingeplant hat, ließ er bisher offen.
Schubert hatte ferner kritisiert, dass die von den Gewerkschaften geforderte zwölfmonatige Laufzeit für den nächsten Tarifvertrag zu erheblichen Planungsunsicherheiten führen werde. Der Arbeitskampf fällt zugleich in eine Zeit, in der die Stadtverordneten gerade über den Haushalt debattieren und dabei auch Kürzungen beschließen müssen - gerade in freiwilligen Bereichen wie Kultur oder Klimaschutz.
Die Tarifverhandlungen endeten vorerst ergebnislos - nicht ausgeschlossen also, dass in Potsdam in absehbarer Zeit noch einmal gestreikt wird. Allerdings rechnet der Verdi Landesbezirk Berlin-Brandenburg vor Ostern nicht mehr mit einem weiteren großangelegten Arbeitskampf, wie eine Sprecherin bestätigt: „Bei uns ist streiken schon das letzte Mittel - wenn das mit den Verhandlungen überhaupt nicht funktioniert.“ Bei der Tarifrunde selbst zeichneten sich am Montag zunächst keine Fortschritte ab.
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