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Mike Schubert mit einem Schal des Bündnisses "Potsdam bekennt Farbe" im Frühjahr 2019.

© Ottmar Winter

Update

„An der Zeit, Gesicht zu zeigen“: Viel Unterstützung für Protestdemo gegen Rechts am Sonntag

Nach rechtem Geheimtreffen: Das parteiübergreifende Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ plant eine große Demonstration auf dem Alten Markt.

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Nach den Enthüllungen rund um ein rechtsradikales Geheimtreffen in Potsdam rufen das parteiübergreifende Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ und Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) für den heutigen Sonntag zu einer Protestkundgebung auf. Beginn ist um 13 Uhr auf dem Alten Markt.

Anlass sei die Berichterstattung über ein geheimes Treffen auf dem Anwesen der Villa Adlon in Neu Fahrland. Hier sollen rechtsradikale Ideologen, AfD-Politiker und Unternehmer Pläne geschmiedet haben, wie man Migrantinnen, Migranten sowie deutsche Staatsbürger mit migrantischem Hintergrund aus dem Land „vertreiben und deportieren kann“, wie Schubert in seinem Aufruf mitteilte.

Der Rathauschef weiter: „Diese Pläne erinnern an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte.“ Es sei an der Zeit, Gesicht zu zeigen und die Demokratie zu verteidigen: „Für unsere Stadt, für unser Land, für die Menschen, die hier leben.“ Gemeinsam müsse man sich gegen die Gefahr wehren, die dem ganzen Land von rechts drohe.

Sagen Sie Ihren Freunden, Kollegen und Familien Bescheid und nehmen Sie sie mit.

Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD)

Die Veranstaltung steht allen Bürgern offen, unabhängig von politischen Überzeugungen oder Lebensstil. „Es spielt keine Rolle, wie Sie zum Gendern stehen, ob Sie Diesel fahren, E-Auto oder Tram, ob Sie Wurst essen oder nur vegan, ob Sie gegen oder für Windkraft sind – hier geht es um mehr, es geht darum, unsere Demokratie zu verteidigen“, so Schubert. Und: „Sagen Sie Ihren Freunden, Kollegen und Familien Bescheid und nehmen Sie sie mit.“

Unter einem Video-Aufruf von Schubert wurden bei X, vormals Twitter, allerdings bis Samstagabend auch hunderte Schmäh- und Hasskommentare gegen den Aufruf veröffentlicht. Bei der Plattform Instagram wurde der Aufruf hingegen mehr als 2000 Mal mit einem „Herz“ versehen.

Neben Schubert rief auch Potsdams evangelische Superintendentin Angelika Zädow am Freitag zur Teilnahme auf. Unter Bezug auf radikal rechte Ideologen erklärte Zädow: „Wer solcher Ideologie anhängt, wer solche Parteien und Gruppierungen unterstützt, widerspricht dem Kern christlichen Glaubens und ist damit in unserer Kirche untragbar.“ Auch der evangelische Kirchenkreis gehört zum „Potsdam bekennt Farbe“-Netzwerk, in dem sich schon vor Jahren mehr als 50 Potsdamer Vereine, Institutionen und Fraktionen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus zusammengefunden haben.

Potsdams Superintendentin Angelika Zädow.

© Andreas Klaer

Am Samstag riefen auch die Grünen zur Teilnahme auf. Durch zahlreiche und breite Teilnahme an der Kundgebung „können wir alle“ für Grundwerte wie die Unantastbarkeit der Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit einstehen, erklärte Potsdams Grünen-Kreischef Jonas Höhne. Wegen der Demo verschoben die Grünen auch ihre Wahl der Direktkandidierenden für die Landtagswahl, die eigentlich für Sonntag vorgesehen war.

Ebenso mobilisierte die Stadtverordnete und Ortsvorsteherin von Neu Fahrland, Carmen Klockow (Freie Fraktion) für die Aktion. Auch die für Flüchtlinge engagierte Initiative Seebrücke veröffentlichte einen Aufruf. „Aufgrund der massiven rechten Umtriebe in Brandenburg und ganz Deutschland sind wir der Meinung, es müssen so viele Menschen wie möglich mobilisiert werden, um an diesem Tag auf der Straße sichtbar zu sein.“ Allerdings kritisierte die Initiative auch die aktuelle Politik: „Bei dem Versuch, durch eine inhumane Asylpolitik die verlorenen Wähler*innen zurückzugewinnen, wurde die AFD viel zu lange verharmlost und Politik in ihrem Sinne gemacht.“

Seit Tagen macht das Treffen Schlagzeilen. Die PNN enthüllten, dass in der Villa seit Jahren schon Größen aus dem radikal rechten Milieu ein- und ausgingen, wie Zeugen aus dem Umfeld des Hauses bestätigten. Am Donnerstagabend hatte bereits eine erste Spontandemo vor Ort stattgefunden, zu der mehr als 60 Teilnehmer kamen.

Die Betreiber des Gästehauses in der Villa haben derweil auf ihrer Internetseite reagiert. „Aufgrund der aktuellen Pressemitteilungen möchten wir Sie darauf hinweisen, dass wir uns von den darin enthaltenen Meldungen distanzieren.“ Man lege großen Wert auf die Privatsphäre der Gäste. Betont wird, „dass wir uns stets um Diskretion bemühen“. Man sei nicht verantwortlich für die Inhalte von Veranstaltungen der jeweiligen Kunden „und kennen diese im Vorfeld auch nicht“.

Unterdessen hat der nordrhein-westfälische CDU-Kreisverband Oberberg ein Parteiausschlussverfahren gegen ein Mitglied eingeleitet. Das bestätigte der Vorsitzende, Carsten Brodesser, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. Den Namen dürfe er aus parteirechtlichen Gründen nicht nennen, sagte der Bundestagsabgeordnete. Das CDU-Mitglied, das an dem Potsdamer Treffen teilgenommen haben solle, habe bis zur nächsten Vorstandssitzung der Landespartei am 26. Januar Zeit, sich zu äußern.

„Die in den Berichten geschilderten Vorgänge sind abstoßend und widerlich“, sagte der Generalsekretär der NRW-CDU, Paul Ziemiak, der dpa. „Für die CDU Nordrhein-Westfalen ist klar: Wer das teilt oder unterstützt, verstößt erheblich gegen die Grundsätze unserer Partei.“ Solches Gedankengut werde in der CDU nicht toleriert. „Die erforderlichen Schritte für ein Parteiausschlussverfahren wurden durch den örtlich zuständigen Kreisverband eingeleitet“, bestätigte Ziemiak.

Potsdams CDU-Kreischef Steeven Bretz

© Foto: Andreas Klaer

Eine Stellungnahme hat am Donnerstag auch die Potsdamer CDU abgegeben – in deren Vorstand der Eigentümer des Adlon-Anwesens, Wilhelm Wilderink, als Beisitzer geführt wird. CDU-Kreischef Steeven Bretz erklärte, er habe mit Wilderink das Gespräch gesucht und erfahren, dass die Villa über eine Vermietungsgesellschaft von Dritten gebucht werden kann. Dabei seien Gruppierungen wie die AfD als Gäste eigentlich ausgeschlossen, hatte Wilderink erklärt. Allerdings entziehe es sich seiner Kenntnis, wer zum Beispiel Diskussionsveranstaltungen vor Ort besucht.

Bretz hatte weiter erklärt: „Unabhängig von Vermietungsfragen: Wie der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann beobachten wir die aktuellen Entwicklungen mit größter Sorge.“ Die AfD sei auf einem Weg, „der eine große Gefahr für unser Land ist“. Das sei mit der CDU unvereinbar. „Sollten CDU-Mitglieder an einem solchen Treffen teilnehmen, verstößt das gegen die Grundsätze unserer Partei.“ Die Potsdamer SPD hatte die Union aufgefordert, sich klar gegen Rechts zu positionieren. (mit dpa)

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