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Iss mich. Zwei Maronen-Röhrlinge in einem Wald nahe Biegen (Brandenburg).

© picture alliance / Patrick Pleul

PYAnissimo: In die Pilze mit Sven Regener

Beim Pilzesammeln geht es immer wieder um das Was, selten aber um das Wie und das Wann.

Eine Kolumne von Steffi Pyanoe

Brandenburg und Pilzesammeln - das gehört zusammen. Der Märker geht im Spätsommer los und kommt erst im Advent korbbeladen aus dem Wald zurück. 2022 soll ein Spitzen-Pilzjahr gewesen sein. Ich hab’s auch versucht, war aber nur mittelmäßig erfolgreich. Und jetzt wird’s kalt.

Wer jetzt kein Pilzglück hat, der findet keines mehr. Wer jetzt kein Sammler ist, der wird es lange bleiben, wird pilzlos kochen oder Bettelbriefe schreiben und in den Supermärkten hin und her unruhig wandern, wo Sonderangebote treiben.

So ist das in der Metropolregion, wo sich 180.000 Potsdamer und vier Millionen Berliner in den trockenen Kiefernwaldfurchen drängeln. Jeder Ratgeber und Pilzexperte sagt dir haarklein, was du sammeln kannst, aber nicht wie! Und wann! Der richtige Zeitpunkt ist entscheidend. Das Wochenende kommt nur infrage, wenn du fit bist und Konkurrenz verträgst. Montag – vergiss es. Mittwoch ist ganz schön. Freitag früh auch noch – wenn du schneller bist als alle anderen im Homeoffice.

Pilze suchen ist psychologisch

Letzte Frage: wo. Die Prignitz soll sich hervorragend eignen, da wird nicht gesammelt, sondern eingesammelt. Mein kleines Pilzglück fand ich am Potsdamer Stadtrand, gleich hinter der letzten Bushaltestelle. Messer raus und los. Das gehört zu meiner Strategie: Alle anderen stiefeln erstmal rein ins Dickicht und schön weit weg, das ist dem Pilz aber egal. Wenn ich trotzdem im Randbereich auf Mitbewerber treffe, dann tu ich so, als sehe ich die nicht. Ich will auch mit niemandem sprechen. Bleibt mir fern! Aber das geht allen so, da setzt automatisch ein Fluchtreflex ein. Pilze suchen ist voll psychologisch. Als Sucher bist du Einzelkämpfer. Und du brauchst Geduld. Ja, da zahlt sich aus, wenn man im Frühjahr in einen Kurs Waldatmen oder Achtsamkeit investiert hat.

Und dann, wenn du gerade massiv gefrustet bist und denkst, dir die blödeste Stelle ausgesucht zu haben, peng, dann siehst du sie. Jetzt aber keine unbedachten Schritte machen, denn wo einer ist, sind noch mehr. Falls du den Überblick zu verlieren drohst: Zeige theatralisch mit dem ausgestreckten Arm und dem Messerchen auf jeden einzelnen Pilz: Du, du und du, ich sehe dich. Damit verkörperlichst du den Standort. Und falls doch jemand in der Nähe ist, ist die Botschaft klar: Dein Claim, deine Ernte. Dann vorsichtig bücken und abschneiden, dabei aus dem veränderten Winkel nochmal den Boden scannen. Lass dir Zeit. Falls dich jemand sieht, wird er beeindruckt sein, wie viel du da unten zu tun hast.

Spinnenweben sind ein gutes Zeichen

Natürlich gibt es Durststrecken, wenn einfach nichts mehr kommt. Dann prüfe, ob du nicht aus Versehen auf einem ausgelatschten Sammelpfad gelandet bist. Nicht gut. Du musst dahin, wo dir hinterher Spinnweben im Haar kleben. Ich summe dabei vorzugsweise Sven Regener: Ich bin jetzt immer da, wo du nicht bist. Der Regener war vor Kurzem zum Konzert im Nikolaisaal und hat den ganzen Abend über kein Wort gesagt. Den würde ich sofort zum Pilzesammeln mitnehmen.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.

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