zum Hauptinhalt
Noch prägen parkende Autos das Bild in der Mittelstraße. Das soll anders werden. 

© Andreas Klaer

Potsdam will weniger Autos in der Innenstadt: Hitzige Bürgerdebatte um Parkplatzfrage

Die Bauverwaltung hat ihre Pläne für weniger Autos im Zentrum öffentlich vorgestellt. Anwohner melden Bedenken an.

Die weitreichenden Pläne der Stadtverwaltung für eine autoärmere Innenstadt geraten in die Kritik. Doch gibt es nicht nur Anwohner, die ihre Sorge vor fehlenden Parkplätzen artikulieren - sondern auch Potsdamer, denen das Vorhaben nicht weit genug geht. Das wurde bei einer Bürgerversammlung im Treffpunkt Freizeit deutlich, bei der sich am Montagabend rund 50 Potsdamer über die Planungen informierten. Zugleich wurde erstmals klar, wie teuer die Umgestaltung wird.

Kritik entzündete sich vor allem an der Parkplatzfrage. So protestierten zwei Anwohnerinnen aus der Mittelstraße, die künftig in großen Teilen zur Fußgängerzone werden soll, dass dann ein über Jahre erkämpfter Behindertenparkplatz wegfalle. Insgesamt würden in dieser Straße mehr als 50 Stellplätze verschwinden.

Sie würden aber in anderen Straßen wieder eingerichtet, numerisch bleibe die Zahl der Anwohnerparkplätze gleich, sagte Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos). Gegebenenfalls müssten Anwohner aber weitere Wege zum geparkten Auto zurücklegen, sagte Fritjof Mothes, der mit der Leipziger Agentur „StadtLabor“ das Konzept für weniger Autos erstellt hat.

So könnte die Dortustraße einmal aussehen.
So könnte die Dortustraße einmal aussehen.

© Foto/ Stadt Potsdam

Schon jetzt gebe es zu wenig Innenstadt-Parkplätze, gab ein anderer Anwohner zurück. Warum könne man nicht einfach die bestehenden Parkhäuser, gerade am Abend, für die Anwohner öffnen? Dezernent Rubelt entgegnete, dazu müsste man erst mit den privaten Betreibern dieser Häuser reden. Mothes wiederum sagte, schon jetzt habe man die Möglichkeit in Potsdam, sich die Auslastung dieser Parkhäuser online anzeigen zu lassen - was in Leipzig zum Beispiel noch nicht funktioniere. Ein Teilnehmer hatte kurz zuvor kritisiert, dass die Parkhäuser zu schlecht ausgeschildert seien.

Eine andere Anwohnerin machte darauf aufmerksam, schon jetzt benötige sie manchmal 20 Minuten, um einen Parkplatz zu finden. Mit dem Wegfall der Stellplätze will die Bauverwaltung erreichen, dass solcher sogenannter Suchverkehr seltener wird. Allerdings werde in jeder Straße, gerade in den Vormittagsstunden, auch Anlieferverkehr möglich sein, wie jetzt schon in der Brandenburger Straße, versprachen die Planer.

Rubelts Bauverwaltung will wie berichtet die Innenstadt autoärmer machen, weil dort auch zu wenig Platz für Fußgänger, Radfahrer und auch Straßenbäume sei, wie es in der Veranstaltung gleich mehrfach hieß. Als Gegenkonzept schlagen die Planer unter anderem mehr Fußgängerzonen vor, unter anderem in der Mittel- sowie weitgehend auch in der Dortu- und Lindenstraße. Dafür müssen über 400 reine Gästeparkplätze wegfallen. Auswärtige Besucher sollen künftig also die längst nicht vollständig ausgelasteten Parkhäuser rund um die Innenstadt nutzen oder gleich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad anreisen.

So könnte es einmal am Jägertor aussehen.
So könnte es einmal am Jägertor aussehen.

© Foto/ Stadt Potsdam

Im Ergebnis sind aber weiter 560 Anwohner- plus 240 Mischparkplätze vorgesehen - sowie deutlich mehr Pflanzkübel, Fahrradständer oder auch Wasserspender. Langfristig soll gerade die Friedrich-Ebert-Straße zwischen Nauener Tor und Charlottenstraße zu einem fuß- und radfahrerfreundlichem Boulevard umgebaut werden. Damit hofft das Rathaus auf eine Belebung der Innenstadt, auch im Sinne der Händler und Gastronomen.

Für die Umsetzung der meisten Punkte aus dem Konzept rechne man mit 1,3 Millionen Euro, hieß es in der Präsentation der Pläne. Damit könnten auch rund 160 neue Fahrradbügel, 20 Bänke und fünf Trinkwasserbrunnen finanziert werden. Die Realisierung weiterer Punkte würden zusätzlich mit vier Millionen Euro zu Buche schlagen. Teurer würde es zum Beispiel, die Pflasterung wie in der Dortustraße so umzubauen, dass dort Radfahrer komfortabler fahren können.

Dezernent Rubelt machte deutlich, dass man zunächst sehen wolle, wie die freien Flächen ohne Autos angenommen würden - und ob überhaupt jede angedachte Umbaumaßnahme nötig sei. Angesichts der miserablen Haushaltslage sei kaum Geld in Aussicht, hieß es.

Rückendeckung gibt es aus der rot-grün-roten Rathauskooperation

Zugleich kündigte der Dezernent an, dass auch noch Änderungen möglich seien. Denn erst im Dezember soll das Konzept den Stadtverordneten vorgelegt werden. Im neuen Jahr könnte der Beschluss fallen, erst dann beginnt die Umsetzung. Eine prinzipielle Mehrheit besteht, denn eine autoarme Innenstadt ist ein wesentlicher Punkt im Programm der Rathauskooperation aus SPD, Grünen und Linken.

Unter den rund 50 Besuchern gab es nicht nur Skepsis - sondern auch den Wunsch, Potsdam solle für noch mehr Verkehrsberuhigung in der Innenstadt sorgen. So drängten Radfahrer auf Tempo 30 in der Charlottenstraße, wo dutzende Parkplätze zugunsten breiter Radstreifen wegfallen sollen. Dezernent Rubelt lehnte das ab: Dann müsste auch die Straßenbahn dort langsamer fahren.

Schon im Vorfeld der Sitzung hatte die Initiative Potsdam Autofrei mitgeteilt, Städte wie Potsdam müssten ihren Handlungsspielraum für fahrrad- und kinderfreundliche Mobilität ausschöpfen. Radwege wie die neu geplanten in der Gutenberg- oder Charlottenstraße müssten viel zahlreicher und schneller eingeführt werden, so die Initiative: „Die Verkehrswende drängt.“ Erst am Samstag hatte die die Initiative mit einem provisorisch ausgerollten roten Straßenbelag einen Radweg in der Gutenbergstraße simuliert, damit Kinder dort sicher Fahrrad fahren konnten. Via Twitter hieß es: „Von Autos verstopfte Städte sind nicht zeitgemäß“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false