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Landeshauptstadt: „Ohne Männer geht es nicht“

Heiderose Gerber und Monika Kirchner über Frauenarbeit, Männerbilder und die Gleichberechtigung in der DDR

Hat sich ihr Männerbild geändert, seit Sie im Autonomen Frauenzentrum beziehungsweise Frauenhaus arbeiten?

Gerber: Als gestandene DDR-Frau war ich immer für die Beteiligung von Männern und bin es bis heute, weil es ohne sie nicht geht. Nur gibt es Veranstaltungen, bei denen Frauen lieber unter sich sind. Das ist unsere Klientel und das akzeptiere ich.

Kirchner: Ich denke, ich habe heute ein differenziertes Männerbild.

Gerber: Aber es gibt ja ohnehin nicht DEN Mann oder DIE Frau. Wir stellen uns klar auf die Seite der Frauen, ignorieren aber die Männer nicht.

Frauenzentrum und Frauenhaus bestehen seit nunmehr 15 Jahren. Wieso gab es solche Einrichtungen in der DDR nicht?

Kirchner: Zu DDR-Zeiten konnte man sich innerhalb von sechs Wochen scheiden lassen, das heißt auch, dass Frauen schneller aus der Krisensituation herauskamen. Außerdem hatten die Frauen ein eigenes Einkommen und waren somit zumindest finanziell unabhängig.

Gerber: Die DDR hatte – milde gesagt – ein rigides Fürsorgesystem. Die vielen Kontrollmechanismen vereitelten Eskalationen.

Es gab also keine Gewalt in der Familie, Frauen und Kinder wurden nicht geschlagen?

Gerber: Doch. Es gab auch in der DDR Gewalt im häuslichen Umfeld. Das wurde aber nicht öffentlich gemacht.

Kirchner: Stattdessen sorgte der Staat dafür, dass der Frau schnell und unauffällig geholfen wurde. Ich selbst bekam eine mir bereits zugesagte Wohnung nicht, weil dort eine Frau mit ihren Kindern notuntergebracht wurde.

Halfen sich gestandene DDR-Frauen eher selbst?

Gerber: Trotz vom System aufgesetzter Gleichberechtigung haben die Frauen ein gutes Selbstbewusstsein ausgebildet. Und als die Mauer fiel und die politische Wende begann, sicherte sich die weibliche Bewegung sofort politisches Mitspracherecht.

Die Geburtsstunde des Autonomen Frauenzentrums.

Gerber: Angefangen hat alles bereits im November 1989 in Potsdam mit einem Zettel an einem Baum, wo zu einem Treffen eingeladen wurde. Wir gründeten den Unabhängigen Frauenverband und verteilten schnell die Aufgaben: Politik, Kultur, Rechte. Ich wollte politische Arbeit machen. Und im April 1990 zogen wir dann in die ehemalige Diabetikerzentrale in der Leninallee 189, das heutige Frauenzentrum in der Zeppelinstraße. Wir begannen mit einem Frauencafé, Rechtsberatungen für Frauen und Kinderbetreuung.

Kirchner: Gleichzeitig standen auch Frauen vor der Tür, die Zuflucht vor Gewalt suchten. Sie kamen aus allen Schichten und Altersgruppen. Vielfach waren es die Ehefrauen von Männern in hohen Positionen beim Militär oder bei der Polizei. Die plötzlich Arbeitslosen fielen ins Nichts und arbeiteten den Druck von außen in der Familie ab. Parallel zur Frauenbegegnungsstätte wurde schnell auch das Frauenhaus gegründet.

Wie viele Plätze haben Sie heute in der Notunterkunft?

Kirchner: Wir verfügen über 17 Betten. Die Verweildauer beträgt im Schnitt drei Monate. In dieser Zeit werden die Frauen und Kinder aufgefangen, stabilisiert und beraten. Es ist aber wirklich nur eine Unterkunft in der Notsituation, sehr beengt und nicht als Zuhause angelegt. Die betroffenen Frauen nutzen die Zeit, um zu entscheiden, wie es weiter gehen soll.

Gerber: Auch wenn sie dann wieder eine eigene Wohnungen beziehen oder auch zu ihren Männern zurückkehren, bleiben unsere Hilfsangebote bestehen.

Der Verein Autonomes Frauenzentrum Potsdam e.V. ist im Laufe der letzten 15 Jahre gewachsen und bietet ein breites Spektrum mit seinen fünf Projekten.

Gerber: Wir haben 1990 mit vier Mitarbeiterinnen angefangen, jetzt sind wir elf Frauen, die gemeinsam eine Menge auf die Beine stellen.

Das Monatsprogramm ist vielfältig

Gerber: von Frauenfrühstück über Lesekreis, Schuldnerberatung und Yoga-Kurs bis hin zu Dia-Vortrag und Kunstausstellung. Außerdem arbeiten wir mit am Programm der Brandenburgischen Frauenwoche rundum den Internationalen Frauentag am 8. März. Wir organisieren schon seit vielen Jahren das Frauenkulturfestival, die Walpurgisnacht auf dem Pfingstberg und setzen uns für die Begegnung mit Frauen aus anderen Kulturkreisen ein.

Daraus ist vor wenigen Jahren ein Migrantinnenprojekt entstanden.

Gerber: Viele Migrantinnen, die zu uns kamen, litten darunter, der deutschen Sprache nicht mächtig zu sein. Eine Iranerin und eine Vietnamesin, die selbst die Erfahrung der Flucht und des Einlebens in einem fremden Land gemacht haben, bieten Sprachkurse und soziale Beratung an.

Kirchner: Die schicksalshafte Verbundenheit unter den Frauen öffnet Türen, die einer Deutschen womöglich verschlossen blieben. Neben der Sprache wird auch Beistand vermittelt.

Die Kurse haben großen Zulauf.

Gerber: Mittlerweile bieten wir fast täglich Sprach- und Alphabetisierungskurse an. Ob wir das im kommenden Jahr noch können, wird sich zeigen. Wir haben eine dreijährige Förderung über die „Glücksspirale“ erhalten. Die läuft allerdings im Dezember 2005 aus.

Wie tragen Sie sich überhaupt?

Gerber: Die Gelder kommen von der Stadt Potsdam, vom Landesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie sowie vom Landkreis Potsdam-Mittelmark und den Stadtwerken. Gesponsert werden wir auch von der Mittelbrandenburgischen Sparkasse, kleinen Spendern, engagierten Einzelfrauen und unserem Förderverein. Offizielle Förderer zu finden ist schwer: Es gibt nur wenige spezielle Förderprogramme für Frauen.

Immer mehr Männer, so hat man den Eindruck, werden Opfer häuslicher Gewalt. Brauchen wir künftig auch ein Männerhaus?

Gerber: In der Öffentlichkeit wird holzschnittartig über das Thema berichtet. Fakt ist, dass insgesamt die Gewalt zunimmt. Laut Statistik sind immer noch 86 Prozent der Opfer von Gewalt in der Familie Frauen und entsprechend 14 Prozent Männer. Grundsätzlich muss das Thema enttabuisiert werden. Einen Menschen zu schlagen, ist niemals die Lösung eines Problems. Das muss in die Köpfe.

Kirchner: Einen Bedarf für eine Zufluchtswohnung für Männer sehe ich nicht. Wir schicken Betroffene zum Manne e.V.

Das Gespräch führte Nicola Klusemann

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