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Landeshauptstadt: Neue Brandenburger

Wanderausstellung „Total real. Angekommen in Brandenburg“ des Vereins „Gesicht zeigen!“ ab sofort im Foyer des Potsdamer Stadthauses zu sehen

Hiram Villalobos ist in Santiago de Chile geboren. 1984 kam er zum Studium in die DDR, seit 2003 wohnt er in Birkenwerder. Villalobos ist einer von 15 Immigranten – Politiker, Maler, Ärzte, Werktätige –, deren Porträts seit Mittwoch und noch bis zum 20. Dezember im Foyer des Potsdamer Stadthauses zu sehen sind. Die Porträts sind Hauptbestandteil der Ausstellung „Total real. Angekommen in Brandenburg“, die bis Ende 2014 noch in acht Landkreisen im Land Brandenburg gezeigt wird.

Hauptmotiv der vom Berliner Verein „Gesicht zeigen!“ entwickelten Exposition ist es, Immigranten in den Blick der Öffentlichkeit zu rücken, deren Integration in die Gesellschaft erfolgreich verlief. „Negativbilder erreichen ja sonst sofort die Presse“, erklärte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) in seiner Eröffnungsrede. Es komme jedoch darauf an, zu zeigen, „welche Vorteile in der Vielfalt“ zu finden seien. Die Ausstellung solle „gelungene Integrationsleistungen zeigen“, so Jakobs. Integration führe „zu einer Bereicherung der Gesellschaft insgesamt“, das komme nicht nur „kulturell, gastronomisch und im Musikleben“ zum Ausdruck.

Villalobos, selbstständiger Web-Entwickler und studierter Agrarwissenschaftler, nahm an der Ausstellungseröffnung teil und erzählte den PNN eine Anekdote. Jahrelang habe er am Kollwitzplatz im Berliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg gewohnt, bevor er nach Birkenwerder (Landkreis Oberhavel) zog. Sein neuer Nachbar habe ihn dort skeptisch gefragt: „Sind Sie Ausländer?“ Und dann noch: „Wollen Sie lange bleiben?“ Als der 54-Jährige aber berichtete, von der Sozialistischen Partei Chiles in die DDR geschickt worden zu sein und dass er nicht mehr zurück konnte, weil es die Schergen der Pinochet-Diktatur auf ihn abgesehen hatten, da erhellte sich das Gesicht des Nachbarn. Froh habe dieser aufgerufen: „Ich bin auch Kommunist!“

Allerdings ist diese Identifikation nicht völlig auf Gegenseitigkeit gestoßen, denn Villalobos trägt längst nicht mehr wie früher „Das kleine Rote Buch“, in dem Mao Tse-tung seine Notizen zum Leben im Sozialismus festhielt, in der Gesäßtasche seiner Jeans mit sich herum. Heute ist er in der SPD Birkenwerder aktiv und sitzt dort im Vorstand. Die Tatsache, ein Chilene zu sein, mache es ihm in Brandenburg leichter, er werde aufgrund der Solidarität, die die DDR mit den verfolgten Chilenen übte, eher akzeptiert. „Chilene zu sein ist ein Bonus“, sagt der freundliche Mann mit der silbergrauen Scheitelfrisur.

Villalobos schildert, wie er sich selbst dank seines Umzuges vom Prenzlauer Berg nach Birkenwerder verändert habe. „Ich hatte sehr viele Vorurteile“, berichtet er. Anfangs habe er sich gefürchtet, „Horden von Nazis“ zu treffen, weshalb er Angst gehabt habe, die S-Bahn zu benutzen. „Plötzlich wurde alles anders“, erzählt Villalobos und sagt einen Satz, der aus dem Mund eines Immigranten überraschend klingt: „Ich wurde toleranter.“ Im Prenzlauer Berg seien im Prinzip alle wie er gewesen, hätten Ansichten gehabt, die er auch hat – „die Menschen dachten so wie ich.“ In Birkenwerder habe er plötzlich mit Menschen zu tun, „die eine andere Meinung haben als ich“. Mittlerweile habe er Freunde „quer durch alle Lebensauffassungen“ gefunden. Dadurch „ist für mich selber mehr Offenheit entstanden“, sagt der gebürtige Chilene und heutige Brandenburger.

Aufgebaut ist die Ausstellung einfach und transportabel. Sie besteht aus zwei gestalteten Holzhütten. Die eine wird von Sophia Oppermann , Geschäftsführerin des Vereins „Gesicht zeigen!“, als „Porträthaus“ bezeichnet. Darin befinden sich Fotos und Porträttexte der 15 erfolgreichen Immigranten. Die gewählte Hausform solle verdeutlichen, dass diese Menschen in Brandenburg ein Zuhause gefunden haben. Wie die Vereinschefin bei der Ausstellungseröffnung berichtete, habe sie bei den Recherchen keinen einzigen Immigranten gefunden, der aus dem Land Brandenburg „wieder weg und nach Berlin will“.

In einer zweiten Hütte werden Fotos gezeigt zum Thema Einwanderung und Arbeit, aber auch via Monitor Ausschnitte aus dem DEFA-Film „Der lange Ritt zur Schule“ mit Indianer-Darsteller Gojko Mitic. Das hat folgende Bewandtnis: Zwischen den beiden Häuschen gebe es Querverweise, in diesem Fall zum Porträt des 1985 in Kamerun geborenen Salvador Mba, der dem deprimierenden Alltag im Asylbewerberheim durch Fußballspielen entfloh. Mittlerweile spielt Mba, der gerade eine Ausbildung zum Mechatroniker absolviert, als Rechtsaußen beim Team „Roter Milan“ Rathenow. Roter Milan ist auch der Name des Indianers in dem DEFA-Film. Guido Berg

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