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Gregor Jekel, Bereichsleiter Wohnen der Stadtverwaltung Potsdam, und Jaqueline Fremde, Leiterin der Suppenküche, empfangen Sachspenden vom Arbeitersamariterbund Brandenburg.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Mehr Obdachlose in Potsdam: Stadt stockt Notbetten auf, warme Kleidung fehlt noch

Die Stadt Potsdam reagiert auf die steigende Zahl Obdachloser mit mehr Notbetten. Warme Winterkleidung der ASB-Kältehilfeaktion wird dringend gebraucht.

Wenn Thomas Hübner und Marie-Luise Greulich in diesen Tagen ihre Klienten aufsuchen, haben sie heißen Tee, Schlafsäcke, frische Unterwäsche und warme Winterkleidung dabei. Die beiden Straßensozialarbeiter von Creso versorgen die Obdachlosen Potsdams, die nicht in den Notbetten der Stadt unterkommen. Nun haben sie 45 neue Schlafsäcke, 45 Hygienesets, 45-mal Thermounterwäsche und 60 Paar warme Wintersocken im Gepäck, das der Arbeitersamariterbund Brandenburg (ASB) im Rahmen seiner bundesweiten Kältehilfeaktion den Sozialarbeitern und Mitarbeiterinnen der Suppenküche, einer Anlaufstelle für Bedürftige, am Mittwoch (29.11.) übergeben hat.

Übergabe der Sachspenden im Rahmen der bundesweiten ASB-Kältehilfeaktion.
Übergabe der Sachspenden im Rahmen der bundesweiten ASB-Kältehilfeaktion.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Stadt stockt Notbetten auf

„Es ist leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Jaqueline Fremde, Leiterin der Suppenküche. In der Einrichtung in der Friedrich-Ebert-Straße 79/81 können Obdachlose sich von 9 bis 14 Uhr aufwärmen, waschen, duschen und werden mit einem kostenlosen Frühstück und kostenloser Suppe versorgt. An kalten Tagen öffnet sie bis 18 Uhr. Von ihren Klienten weiß Jaqueline Fremde: „Ein paar leben noch im Zelt, weil zum Beispiel ein Paar keine Unterkunft bekommen. Viele sind, Gott sei Dank, untergebracht und kommen trotzdem zum Essen.“

Jaqueline Fremde, Leiterin der Suppenküche.
Jaqueline Fremde, Leiterin der Suppenküche.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Seit 1. November bietet die Stadt Potsdam wieder 99 Notbetten in verschiedenen Pensionen im Stadtgebiet. „Die Pensionen sind alle schon voll, deswegen haben wir weitere angemietet. Bei uns muss niemand auf der Straße bleiben“, sagt Gregor Jekel, Bereichsleiter Wohnen der Stadtverwaltung Potsdam. Die Stadt stockt um 18 Notbetten auf insgesamt 117 auf. Ein Vorteil gegenüber dem Nachtasyl anderer Städte: „Niemand muss tagsüber aus der Unterkunft raus.“

Mehr Wohnungslose und Obdachlose in Potsdam

Die gestiegene Nachfrage spiegelt sich auch in der Wohnungslosenstatistik wider. Die Zahl der untergebrachten Wohnungslosen in Potsdam hat sich mehr als verdoppelt. Zum Stichtag 31. Januar 2023 waren insgesamt 1675 wohnungslose Personen in Potsdam untergebracht, darunter waren 845 männlich und 830 weiblich. Der Ausländeranteil lag bei 82 Prozent. Die Personen, die auf der Straße leben, also obdachlos sind, oder bei Bekannten oder Verwandten untergekommen sind, sind dabei nicht erfasst.

Im Jahr davor waren laut der ersten bundesweiten Wohnungslosenstatistik 614 Wohnungslose in Potsdam registriert. Das war vor dem Ukrainekrieg. „Viele der ukrainischen Geflüchteten wohnen bei uns in Unterkünften und zählen daher als wohnungslos“, erklärt Jekel den Anstieg. Zudem übernehmen die kreisfreien Städte den Großteil der Unterbringung Wohnungsloser in Brandenburg. Jeder zweite erfasste Wohnungslose lebe in Potsdam, so Jekel.

Gregor Jekel, Bereichsleiter Wohnen der Stadtverwaltung Potsdam.
Gregor Jekel, Bereichsleiter Wohnen der Stadtverwaltung Potsdam.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Der Bereichsleiter Wohnen schätzt, es gebe zudem etwa 100 Obdachlose in der Stadt, Tendenz leicht steigend. „Wir spüren die Nähe zu Berlin“, so Jekel. Mal pendeln Betroffene in die Hauptstadt, mal nach Potsdam. „Menschen ohne Obdach sind häufig EU-Bürgerinnen und -Bürger“, sagt er. „Wir haben mehr Frauen als Klientel“, ergänzt Sozial-Arbeiterin Marie-Luise Greulich. Auch sie berichtet von einer Zunahme Obdachloser. Mehr kämen aus Berlin, vereinzelt auch aus Potsdam-Mittelmark.

Weitere Notbetten im Obdachlosenheim Lerchensteig

Angela Schweers, Vorstandsvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Potsdam, bestätigt die gestiegenen Zahlen. Als Ursachen nennt sie zu wenige Sozialwohnungen und gestiegene Mieten. Die 120 Plätze im Obdachlosenheim im Lerchensteig 55, das die Awo verwaltet, sowie das Familienhaus und Frauenwohnen sind wie in den Vorjahren gut belegt. Die benötigten Zusatzplätze würden von der Stadt angeboten, sagt sie. Trotz des aktuellen Wintereinbruchs mit Schnee und Minusgraden hätten sie momentan keine größeren Anfragen. Zugleich betont sie: „Jeder, der am Lerchensteig ankommt, wird erstmal untergebracht.“

Das Obdachlosenheim der Awo, Lerchensteig 55.
Das Obdachlosenheim der Awo, Lerchensteig 55.

© PNN / Ottmar Winter/Ottmar Winter

Da die Arbeitsgruppe Unterbringung der Stadt lediglich werktags von 9 bis 15 Uhr in der Behlertstraße 3A Haus M/N die Notbetten in Pensionen vermittelt und die Winterhilfe bis 2. April 2024 gilt, bleibt das Obdachlosenheim weiterhin eine wichtige Adresse. Auf beide Anlaufstellen verweist Sozialarbeiterin Marie-Luise Greulich. Sie weiß aber auch, dass nicht jeder, der jahrelang auf der Straße lebt, in eine Unterkunft will. Manchen sei es zu eng, anderen fehle im geteilten Zimmer die Privatsphäre oder sie können ihre Haustiere nicht mitnehmen.

Was jeder tun kann

Zugleich appellieren sie und ihr Kollege Thomas Hübner an die Potsdamerinnen und Potsdamer, wachsamer zu sein. Jeder sollte Betroffene einfach ansprechen und fragen, ob sie Unterstützung brauchen und wollen. „Wenn jemand in einer Notlage ist, im Zweifel den Rettungswagen rufen“, sagt Thomas Hübner. Alternativ ist der Straßensozialdienst unter folgenden Nummern erreichbar: 0331/ 7043 1371 oder 0176/ 1210 9894 und 0176/ 1210 9889.

Im Büro in der Gartenstraße 42 können zudem Sachspenden abgegeben werden. Gebraucht werden Handschuhe, Schals, Socken, T-Shirts, Hosen und neue Unterwäsche. Jaqueline Fremde von der Suppenküche ergänzt Winterschuhe, Kapuzenpullis und Konserven, die sie den Obdachlosen mitgeben können.

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