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Neue Kinogänger. Vier autistische Kinder des Ludwig-Gerhard- Hauses besuchten im Thalia eine Vorführung, die speziell auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Mehr Licht, weniger Krach

Das Babelsberger Thalia zeigt einmal im Monat einen Film für Menschen mit Autismus

Was auffällt, ist das Licht. Im Kinosaal wird es bei dieser Filmvorführung nicht so dunkel wie gewöhnlich. Aber ziemlich schummrig ist es schon. Das Geschehen vorne auf der Leinwand kann man so noch gut verfolgen. Gezeigt wird die computeranimierte, amerikanische Filmkomödie „Ich – Einfach unverbesserlich 3“. Die Reihen im Kinosaal sind locker besetzt. Unter den Besuchern dieser Vorführung im Babelsberger Kino Thalia ist heute eine Gruppe von vier Kindern und Jugendlichen aus dem Ludwig-Gerhard-Haus, einer Wohnstätte innerhalb des Oberlinhauses. Extra für sie wurde dieses Kinoerlebnis arrangiert: leicht verminderte Lautstärke, mehr Beleuchtung im Saal. Es geht also etwas reizärmer als üblich zu.

Denn einmal im Monat, in der Regel am letzten Dienstag um 16.30 Uhr, zeigt das Babelsberger Thalia einen Film in der gemeinsam mit dem Oberlinhaus aufgelegten Reihe „autism-friendly cinema“. Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung, wie die vier Besucher aus dem Oberlinhaus, sollen auf diese Weise in den Genuss eines cineastischen Erlebnisses kommen, den sie in herkömmlichen Filmvorführungen so nicht hätten. Autismus ist eine Entwicklungsstörung, bei der die Betroffenen Probleme im sozialen Umgang mit anderen Menschen haben. Werden sie angesprochen, meiden sie den Blickkontakt mit dem Gesprächspartner. Die sprachliche Verständigung ist oft schwierig.

Einen herkömmlichen Kinobesuch können Menschen mit Autismus aufgrund ihrer Reiz- und Verarbeitungsstörung als Überforderung empfinden – eben als zu laut und zu schrill. Mit der im März gestarteten Filmreihe will das Autismuszentrum des Oberlinhauses in Zusammenarbeit mit dem Thalia auf die speziellen Bedürfnisse Betroffener eingehen. Die Filmvorführungen im Rahmen dieses Angebots stehen aber allen Kinobesuchern offen. Man kündige in der Programmvorschau die entsprechenden Filme besonders an, sagt Daniela Zuklic vom Thalia. Kurz vor Beginn der jüngsten Vorstellung im Rahmen dieser Reihe erklärte sie den Zuschauern auch noch einmal persönlich, dass es sich um eine Veranstaltung handele, die für autistische Menschen entwickelt worden sei. Während des Films könnten mitunter Laute von einzelnen Besuchern zu hören sein. Den autistisch veranlagten Zuschauern sei es zudem gestattet, während der Filmvorführung im Kinosaal umherzulaufen. „Ich möchte Sie bitten, sich davon nicht gestört zu fühlen“, warb Zuklic um Verständnis. Auch eigene Snacks durften die Kinder vom Oberlinhaus mitbringen.

Und tatsächlich schien dieses Miteinander von Menschen mit und ohne Autismus gut zu funktionieren. Hin und wieder hörte man während des Films einige Laute aus der Gruppe der Kinder- und Jugendlichen vom Oberlinhaus. Aber dem Kinoerlebnis tat dies keinen Abbruch. Und kaum jemand lief während des Films umher. Ob die rasante Trickfilmkomödie allerdings in das Konzept eines reizarmen Kinoerlebnisses passte, darf wohl bezweifelt werden. Mit schnellen Schnitten und hohem Tempo ging es auf der Leinwand mitten durch eine Fantasiewelt. Der 15-jährige Tim aus dem Oberlinhaus antwortete aber immerhin mit einem „Ja“ auf die Frage, ob ihm der Film gefallen habe.

Man wolle das Format der Veranstaltung künftig noch mehr an die Bedürfnisse autistisch veranlagter Menschen anpassen, sagt Zuklic. So denke man bereits darüber nach, für diese spezielle Klientel künftig ruhigere Filme zu zeigen. Die Filmreihe für autistische Menschen sei „einzigartig in Deutschland“, erklärt Andrea Benke, Pressesprecherin des Oberlinhauses. Zumindest in Großbritannien gibt es ebenfalls ein solches Angebot – auch unter dem Namen „autism-friendly cinema“. Diesen englischen Titel fanden die Verantwortlichen in Babelsberg so gut, dass sie ihn gleich übernommen haben.

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