zum Hauptinhalt
In der Krise. Die neu eröffnete ADAC-Geschäftsstelle in der Fritz-Zubeil-Straße wurde erst vor rund einem Monat eröffnet. Auch dort müssen Mitarbeiter nun die andauernden Negativ-Schlagzeilen zum ADAC erklären.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Keine Engel

Ein Ex-Vorstandmitglied des ADAC Berlin-Brandenburg hat dienstlich einen Rettungshubschrauber genutzt. In Potsdam gibt es erste Austritte

Sie ist die erste prominente Potsdamerin, die Konsequenzen aus dem ADAC-Skandal zieht: Die brandenburgische Generalsekretärin der SPD, Klara Geywitz, ist aus dem Automobilklub ausgetreten. Ihre Entscheidung veröffentlichte sie im sozialen Netzwerk Facebook – am Dienstag sagte sie den PNN auf Anfrage, sie wolle dem Autoklub keine Mitgliedsbeiträge mehr überweisen, da dieser das Vertrauen seiner Mitglieder missbraucht habe. Zum Beispiel durch die gefälschten Rankings beim Autopreis „Gelber Engel“ seien Kaufentscheidungen von ADAC-Mitgliedern beeinflusst worden, erklärte Geywitz. Daher habe sie sich entschlossen, nun Mitglied beim Auto Club Europa (ACE) zu werden: „Da wird mein Auto im Zweifelsfall auch repariert.“

Der ADAC mit seinem Regionalklub Berlin-Brandenburg ist in Potsdam und Umgebung eine Größe: Laut Pressesprecher Daniel Tolksdorf waren Ende 2013 – vor Bekanntwerden der Vorwürfe – in Potsdam genau 36 730 Mitglieder registriert, zusammen mit dem Landkreis Potsdam-Mittelmark waren es knapp 88 000 von insgesamt 1,28 Millionen Mitgliedern in Berlin und Brandenburg. Ob es bereits vermehrt Austritte in Potsdam gebe, konnte Tolksdorf nicht sagen und verwies auf die ADAC-Zentrale in München. Eine PNN-Anfrage an die dortige Pressestelle blieb am Dienstag unbeantwortet. Allerdings hatte der ADAC bereits Anfang Februar bundesweit mehr als 15 000 Austritte wegen der Affäre vermeldet. Seitdem hat sich der Skandal weiter ausgeweitet: Am Montag war ADAC-Präsident Peter Meyer zurückgetreten, zudem räumte der Verein weitreichende Manipulationen beim Autopreis „Gelber Engel“ ein. Für Schlagzeilen sorgten auch Provisionen für Pannenhelfer bei der Vermittlung bestimmter Autobatterien und angeblich fragwürdige ADAC-Testmethoden.

In Potsdam zumindest merken die Mitglieder davon angeblich nichts: „Unsere Leistungen wie die Pannenhilfe oder die ADAC-Luftrettung werden weiterhin in der gleichen Qualität und mit dem gleichen Herzblut erbracht“, sagte Sprecher Tolksdorf am Dienstag. Vor Ort in der erst vor einem Monat neu eröffneten ADAC-Geschäftsstelle in der Fritz-Zubeil-Straße war am Dienstagnachmittag kaum etwas von dem Trubel um den Klub zu bemerken, es herrschte nur wenig Betrieb. Eine 78-Jährige ließ beispielsweise ihre ADAC-Plus-Mitgliedschaft eigener Aussage nach in eine einfache Mitgliedschaft umwandeln – nicht wegen des momentanen Skandals, das hatte sie als Wenig-Fahrerin schon länger vor. Kritisch sieht sie das ADAC-Gebaren dennoch: „Da geht momentan ein Stück Glaubwürdigkeit verloren. Man hat ihnen die Tests etwa für Winterreifen immer abgenommen.“ Die Frau, die seit dreieinhalb Jahren in Potsdam wohnt, erinnerte sich auch an den ADAC-Test über die Tiefgaragen, bei dem jene unter dem Luisenplatz zur besten Deutschlands gewählt worden war. Sie sei damals als Neu-Potsdamerin sehr stolz gewesen. Als sie einmal jedoch selbst in der Garage parkte, sei sie wegen fehlender Schilder völlig orientierungslos gewesen. „Wie komme ich hier wieder raus?“, habe sie sich gefragt und sich verloren gefühlt. „Jetzt fiel mir das wieder ein“, sagt sie und fragt skeptisch: „Bei dem Test ist wohl auch was schiefgelaufen?“ Eine Anfrage der PNN an die Münchner ADAC-Zentrale, ob solche und auch andere Tests – etwa zu Tankstellen und Raststätten – möglicherweise nicht korrekt abgelaufen sind, blieb ebenso ohne Antwort.

Allerdings räumte Tolksdorf als Sprecher des ADAC-Regionalklub Berlin-Brandenburg ein, dass das frühere ADAC-Landesvorstandsmitglied Werner von Scheven 2003 einen dienstlich begründeten Flug mit einem Rettungshubschrauber absolviert habe. Auch wegen solcher als äußerst kostspielig geltenden Flüge steht der ADAC in der Kritik. Bereits Ende Januar hatte der Automobilklub bestätigt, dass Mitglieder des Bundespräsidiums in den vergangenen zehn Jahren knapp 30 Hubschrauberflüge für Dienstzwecke benutzt hatten. Der frühere Generalleutnant von Scheven war bis 2009 auch Vizepräsident für Technik des Bundes-ADAC und damit im Präsidium. Zu den Hintergründen und Kosten des Flugs machte Tolksdorf keine näheren Angaben. Aus der Münchner ADAC-Zentrale hieß es hinter vorgehaltener Hand, von Scheven sei damals zur Beerdigung eines Anfang 2003 verunglückten ADAC-Piloten in Niedersachsen geflogen. Von Scheven selbst, der jetzt in der Gemeinde Schwielowsee wohnt, war am Dienstagabend nicht zu erreichen. ADAC-Sprecher Tolksdorf betonte: „Weitere Flüge von Vorstandsmitgliedern oder der Geschäftsführung unseres Regionalklubs gab es nicht.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false