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André Zibolsky und seine Frau Monika Lange, Inhaber des Weinladens „In Vino“.

© Andreas Klaer

Immer eine Urlaubswoche voraus: Potsdams Weinhandlung In Vino wird 30

1992 eröffnete André Zibolsky den ersten Weinladen in Potsdam. Heute ist das Fachgeschäft in der Dortustraße eine Institution.

„Wir wollen mit unseren Weinen bezaubern“, sagt Gründer André Zibolsky. Die Weinauswahl in der DDR war übersichtlich. Stierblut und Grauer Mönch fallen André Zibolsky ein, aber richtig gut war eigentlich keiner, und das, was es gab, war auch nicht so leicht zu bekommen. „An der Ecke Ecke Feuerbach- / Zeppelinstraße konnte man Glück haben“, sagt Zibolsky.

Erfahrung in Sachen Wein hatten er und Uta Wellmann, als sie 1992 einen Weinladen in Potsdam gründeten, also kaum. „Aber unsere Kunden hatten auch keine“, sagt Zibolsky und muss lachen. Mittlerweile ist das In Vino Potsdams bekanntestes Fachgeschäft für Wein und Feinkost. Nach Wellmanns Weggang kam Monika Lange mit dazu, 2003 stieg sie fest ein.

Start auf 24 Quadratmetern mit selbstgezimmerten Regalen

Heute kümmert sie sich hauptsächlich um den dazugehörigen Feinkostladen in der Gutenbergstraße. Das 30-jährige Bestehen von In Vino feiern sie jetzt gemeinsam mit ihren Kunden im Festmonat September. Denn alles begann am 19. September 1992, auf 24 Quadratmetern mit selbstgezimmerten Regalen in der Dortustraße 17, wo heute das Restaurant Lewy ist.

Für die ersten Einkäufe mussten sie sich Geld borgen, die Bank nahm kurioserweise den Arbeitsvertrag bei der Stadtverwaltung, wo Zibolsky noch arbeitete, als Sicherheit für ein Darlehen. Der Bedarf war da, der Laden funktionierte, so gut, dass sie kurz vor den Weihnachtsfeiertagen 92 ausverkauft waren. „Wir hatten kein Lager, das war unser Problem.“

Wir hatten den ersten Cappuccino in ganz Potsdam.

Monika Lange, Inhaberin des In Vino

Trotz der Enge gab es bald einen kleinen Ausschank und sogar Kaffee: „Wir hatten den ersten Cappuccino in ganz Potsdam“, sagt Monika Lange. Aber die Weinberatung, so wie die beiden es eigentlich anbieten wollen, war in der Enge kaum mehr möglich. 2001 erfolgte der Umzug in ihr heutiges Geschäft. Viel Platz und viel Atmosphäre durch den sich hinten anschließenden Gewölbekeller. Was sonst sollte hier stattfinden, wenn nicht Weinproben?

Bekannte Adresse für Weinkenner.

© Andreas Klaer

Das Wissen dazu haben sich Lange und Zibolsky über die Jahre selbst angeeignet. Die erste Begeisterung entstand bei André Zibolsky bei einem Sprachaufenthalt in Frankreich kurz nach der Wende. „Wein und Weinbau, Genuss, Essen, und wie das alles zusammengehört, das kannte ich davor gar nicht“, sagt Zibolsky. Die Vielfalt und Qualität begeisterte ihn. Das wollte er nach Potsdam holen, das Fachwissen dafür erarbeiteten er und seine Mitarbeiter sich peu à peu. „Anfangs waren wir unseren Kunden nur eine Urlaubswoche voraus“, sagt er.

Viele Reisen in Europas Weinländer

Es folgten viele Reisen in Europas Weinländer, vor allem Frankreich und Italien, bis heute Schwerpunkt ihrer Auswahl. Bei solchen Reisen geht es mit den Weinbauern, meistens kleine Familienbetriebe, direkt in den Weinberg und in die Keller. „Dann wird zusammen gegessen, getrunken, gekocht“, sagt Lange, die Gartenbauingenieurin ist und schnell einen fachlichen Draht findet zu den Winzern. „Ich habe die immer verstanden“, sagt sie. Und: „Ein guter Wein entsteht im Berg, nicht im Keller.“

Deshalb finden sich im Laden auch detaillierte Landkarten mit Weinanbauregionen, dekorative Glasgefäße mit Bodenproben verschiedenster Weinberge, Literatur, handwerkliches Zubehör und nach wie vor eine kleine Feinkostauswahl. Es geht um mehr als nur den Wein im Regal, es geht um eine ganze Kultur. Das schätzen ihre Kunden. Von Anfang an ist das In Vino deshalb auch geselliger Treffpunkt, „die zweite Parteizentale“, sagt Zibolsky, und meint die vertraulichen Zigarrenabenden unter Staatssekretären und Ministern, die hier eine Zeitlang stattfanden. In vino veritas.

Große Auswahl.

© Andreas Klaer

Nach 30 Jahren Weinwirtschaft ist alles ein bisschen anders. Wein gibt es mittlerweile an jeder Tanke und zu jeder Tages- und Nachtzeit. Reisen kann auch jeder, im Internet kann man fast alles bestellen. „Viele Leute kennen sich mit Wein heute ganz gut aus“, sagt Zibolsky. Trotzdem ist gute Beratung weiterhin wichtig. Das ist es, was das In Vino vom Weinregal im Supermarkt unterscheidet.

Und dass es bei ihnen Qualitätsweine gibt. Anständige Weine gibt es zwar auch im Supermarkt, sagt Zibolsky, „aber da flippt man nicht aus. Was wir haben, soll bezaubern.“ Fast immer darf bei ihnen probiert werden, regelmäßig wird zu Weinproben geladen. Die Verbindung zur Feinkost funktioniert sehr gut, Monika Lange berät, wenn es ums Kochen und die Weinbegleitung geht.

700 Sorten und Jahrgänge

Ihre Kunden kommen aus Potsdam und dem Umland, darunter einige Großabnehmer aus der Gastronomie. Der älteste Kunde ist Mitte 90, die jungen um die 30, darunter viele Familien mit Kindern – die nicht so oft ausgehen können oder wollen, aber Wert auf gutes Essen legen. Während der Corona-Zeit kamen neue Kunden dazu – und viele blieben. Etwa 700 Sorten und Jahrgänge haben sie vorrätig, und in einem externen Lager – die Adresse wird nicht verraten – liegen auch ein paar kleine Schätze, die es anderswo nicht mehr gibt, sagt Zibolsky: ein Bordeaux von 2006 für 66 Euro oder ein Bollinger Champagner von 2012 für 330 Euro.

Aktuell neun Mitarbeiter

Neun Mitarbeiter sind sie aktuell, in der Weinhandlung und im Feinkostgeschäft. Es gibt einen Lieferservice, ein Weinabo und Catering. Lange und Zibolsky wollen sich in etwa fünf Jahren aus dem Geschäft verabschieden und lernen gerade ein Nachfolgeteam an, drei Kollegen aus der Belegschaft, drunter Langes Sohn Christoph, die eines Tages übernehmen werden.

„Wir wollen eine geordnete Übergabe“, sagt Zibolsky. Die jungen Leute, alle um die 30, machen manches ein bisschen anders als er, aber doch sehr gut, findet der Chef. Er mache sich jedenfalls keine Sorgen. Höchstens allgemein um die Potsdamer Innenstadt: Einzelhändler können sich die steigenden Mieten bald nicht mehr leisten, kleine indidivudelle Läden ziehen weg, Leerstand bleibt. Auch das Hickhack um den Verkehr schadet dem Standort, sagt er. Wer eine autofreie Innenstadt will, müsse Alternativen anbieten, aber da gebe es bisher viel zu wenig.

Engagiert im Bauverein Winzerberg

Als Weinhändler im Ruhestand wird er das weiter verfolgen. Und sonst? Einen eigenen Weinberg für den Ruhestand wird es nicht geben, betont das Paar, sie engagieren sich schon im Bauverein Winzerberg, der den Weinberg hinter dem Schloss Sanssouci betreut. Auch das ist eine erfüllende Aufgabe.

Aus dem Jubiläumsprogramm: Am Donnerstag, 15. 9. um 19.30 Uhr: „30 Jahre Weinwelt. Hat sich etwas verändert?“ Gespräche, Weine und Feinkost, pro Person 79 Euro. Montag, 19.9.: „Alte Überfahrt / Clemens Busch / Der Jubiläumstag!“ Fünf Gänge im Sternerestaurant in Werder / Havel. Pro Person 166 Euro. Mehr Infos auf https://www.invino-potsdam.de/.

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