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Landeshauptstadt: Hier entscheidet das Wetter wann gemäht wird – und nicht die Stadt Potsdam

Mit Ortsvorsteher Hans Becker auf Geländewagen-Tour durch Uetz-Paaren, das seit zehn Jahren zu Potsdam gehört. Viel gelang, einiges nicht.

Die Leute in Brüssel sagen, wenn es regnet, es brüsselt. Weil es fast immer regnet in Brüssel. In Uetz, begrüßt der Uetz-Paarener Ortsvorsteher Hans Becker seinen Besuch, ist Regen auch völlig normal. Insofern könnte man sagen, es uetzelt. Und wie es uetzelt! Doch das ficht den großgewachsenen, wuchtigen Mann mit dem markanten Oberlippenbart nicht an. Wie ein Fels steht der 60-Jährige, der trotz Hochschuldiplom von sich sagt, er sei vor allem Bauer, ohne Mütze im kalten Dauerregen. Auch im Gemeindebüro ist es kalt. „Seid nicht solche Mimosen“, sagt Becker den Frauen von der Stadt bei Ortsbeiratssitzungen, „wir müssen sparen“. Ja, Uetz-Paaren kann seine kalte Schulter zeigen. Den etablierten Parteien etwa: 62 Prozent hat das Aktionsbündnis Nord/West bei den Kommunalwahlen in Uetz-Paaren geholt. „Uetz, das Parteiengrab“ heißt es seither, sagt Becker und grient breit.

Hans Becker lädt seinen Besuch in seinen Toyota-Geländewagen und macht eine Tour durch sein Doppeldorf. Er will zunächst den Traktor zeigen, mit dem er schon als Elfjähriger die Felder um Uetz pflügte. Es ist ein Deutz, den Beckers Vater 1940 kaufte und den Becker „unser Familienmitglied“ nennt. Stolz öffnet der Uetzer auf seinem Hof ein Garagentor und zeigt das froschgrüne Herzstück, ausgestattet mit einem 1100-Kubikzentimeter-Motor mit einem einzigen Zylinder. Dementsprechend wird das Motorengeräusch sein, wenn das Becker-Mobil wieder läuft: „Put put put“, macht Becker lachend, jedem Kolbenschlag wird eine Pause folgen, wie bei einer Dampflok, Becker sieht sich schon wieder mit acht Sachen durchs Dorf tuckern wie vor Zeiten als Elfjähriger. Es wird ein guter Moment sein, auf den er da in seiner Garage hinarbeitet, jedes Teil wird er vorher in der Hand gehalten, gesäubert, gestrichen, geölt und wieder eingebaut haben.

Die Wege müssten gemacht werden, Schlagloch folgt auf Schlagloch, da ist es gut, im Allrader zu sitzen. Immerzu hat er angemahnt, die Wege müssten gewidmet werden, doch wenig passierte. Becker erzählt, während er sein Turbodiesel-Gefährt durch die Pfützen steuert. Er ist müde geworden in den zehn Jahren seit der Eingemeindung nach Potsdam. Damals, 2003, war er Ortschef. Er will nicht nur jammern, viel gelang, die Kirche wird saniert, es ist ein Schmuckstück von Kirchenbau auf einem tadellosen Friedhof mit dem Familiengrab der Beckers darauf – „da komme ich mal hin“, sagt Becker lachend. Das alte Vereinsgebäude, zu dem er auf matschigen Wegen vordringt, ist von der Stadt Potsdam gekauft und für die Wublitz-Fischer gesichert worden. Station macht Becker auch am neuen Fußweg, der Uetz nun mit der Uetzer Siedlung verbindet. Zuvor mussten die Kinder auf der Chaussee zum Schulbus laufen, „dass kein Kind totgefahren wurde, ist ein Wunder“.

Aber dann die Sache mit dem Kuchen! Zur 750-Jahr-Feier haben die Frauen im Dorf gebacken, der Kuchen sollte zum Selbstkostenpreis verkauft werden. Und da verlangt die Stadt plötzlich 15 bis 18 Euro Miete pro Verkaufstand. „150 Euro, die Summe ist doch händelbar“, meinte die Verwaltungsfrau. „Sie haben es nicht begriffen“, schimpft der Ortsvorsteher – plötzlich sollte ein Euro pro Kuchenstück nach Potsdam gehen. Das senkt die Stimmung, „unter solchen Bedingungen zieht sich das Dorf zurück“. Und Becker selbst auch, ab Mai 2014 braucht Uetz-Paaren einen neuen Vorsteher, Becker will nicht mehr. Mit diesen alten Amtschefs, da ging das noch, mit Herbert Claes vom Grünflächenamt zum Beispiel, man schaut sich in die Augen, gibt sich die Hand, „ein Mann, ein Wort“ und dann passiert, was verabredet ist. Becker zeigt auf die frischen Baumreihen an der Paarener Dorfstraße und am Uetzer Gestüt. „Sieht doch gut aus.“

Becker hält vor dem Paarener Gutshaus, es ist vom Schwamm zerfressen, der Bauzaun, der nach zähem Ringen aufgestellt wurde, damit die Kinder nicht darin spielen, ist umgestürzt. Jahrelang hat er geredet, der Gutspark müsse durch die Stadt gekauft, ein Exposé erstellt werden für Haus und Park, um einen neuen Nutzer zu finden. Nichts passierte. Ist doch klar, dass die Leute irgendwann sagen: „Sag mal, Becker, machst du nichts mehr?“

Wir treffen Jens König, einen Landwirt mit zwei Angestellten, von dem sich Becker einen Mähdrescher borgt, wenn er einen braucht. Mähdrescher, was für ein Stichwort! Die Freunde lachen und erzählen die Anekdote, wie kurz nach der Eingemeindung Polizisten Uetzer Mähdrescher auf dem Feld stoppten, weil in einer Potsdamer Satzung steht, dass in der Stadt das Betreiben „von mit Benzin betriebenen Mähwerken“ am Wochenende verboten ist. „Das Wetter sagt, wann gemäht wird“, bestimmt Becker und schaut König, den 43-Jährigen, vielsagend an. „Er hat das richtige Alter“, findet der alte Ortsvorsteher, der einen Nachfolger sucht. Doch König winkt ab, er sage Leuten gern ins Gesicht, was er von ihnen hält. Das, findet er, sei für die Politik wohl keine geeignete Eigenschaft.

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