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Am Boden. Allein auf der Freundschaftsinsel sind in dieser Woche 9 000 Salbei-, Cosmea- und Gaura-Pflanzen gepflanzt worden.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Grüne Welle

33 000 Pflanzen in 61 Sorten bringen die städtischen Gärtner in diesen Tagen in die Erde – sogar Tabak wächst im Sommer auf Potsdams Grünflächen. Unterwegs mit Inselgärtner Thoralf Götsch

Schubkarrenweise steht der Salbei neben dem Beet. Ein Gärtner zieht die Pflanzen mit den pelzigen Blättern Stück für Stück aus der Palette und wirft sie mit geübtem Schwung auf das Beet. Dort übernimmt eine Kollegin, sticht mit der Handschaufel in den Boden, setzt die Pflanze hinein und drückt die Erde an. Blau-orange soll das Band von zehn Beeten, das sich in Wellenform von der Langen Brücke auf die Freundschaftsinsel hinabzieht, in wenigen Wochen leuchten – der blaublühende Salbei ist durchsetzt von orangefarbenen Schmuckkörbchen und weißer Prachtkerze. „Die Bepflanzung ist hier sehr großflächig“, sagt Inselgärtner Thoralf Götsch: „Für die Fernwirkung.“ Ob man diesen Salbei auch als Küchenkraut nutzen kann? Götsch schüttelt den Kopf: „Es gibt mehr als 800 Salbeisorten.“

So viele werden in Potsdam freilich nicht gepflanzt. Wenn die städtischen Gärtner in diesen Tagen die Sommerbepflanzung auf den öffentlichen Grünflächen in die Erde bringen, haben sie trotzdem Einiges zu tun: 33 000 Pflanzen von insgesamt 61 Sorten sind bestellt. Die Beete auf der Freundschaftsinsel sind dabei mit rund 9000 Pflanzen die größte gärtnerische Baustelle – neben den langen Blumenbeeten am Bassinplatz, wo in der nächsten Woche 5500 Pflanzen in die Erde kommen sollen, und dem blühenden Hügel am Marktcenter mit 4500 Pflanzen. „Das ist schon ein logistisches Unterfangen“, sagt Thoralf Götsch.

Der 42-jährige gebürtige Potsdamer und Landschaftsarchitekt ist zum ersten Mal dafür verantwortlich: Er ist Nachfolger des langjährigen Inselgärtners Jörg Näthe. Von Näthe hat er auch noch das Pflanzensortiment geerbt: Denn ausgewählt und bestellt werden die städtischen Pflanzen jeweils für drei Jahre.

Die verschiedenen Blumen-Standorte bekommen dabei jeweils ihren eigenen Charakter: Am Marktcenter gibt es mit rotlaubigen Taubnesseln und Lobelien ein feurig-rotes Blütenmeer, am Bassinplatz sieht es demnächst wieder „sanssouci-bunt“ aus, wie Götsch sagt. Allein dort werden 30 verschiedene Sorten gepflanzt. Darunter auch Nicotiana – eine Tabaksorte, die man aber nicht in der Pfeife zu rauchen braucht. Denn Nikotin sei nicht drin, erklärt der Gärtner lächelnd. Festlich mit blau-weißen Blüten soll es dagegen vor dem Stadthaus aussehen: „Dort ist das Standesamt, die Blumen kommen oft mit auf Fotos.“

Und dann gibt es noch die vielen kleinen Blumenbeete und einzelnen Kübel: Die Baumscheiben am Bassinplatz, die Streifen am Brandenburger Tor oder eine jetzt erstmals bepflanzte Fläche an der Stelle, wo die Berliner Straße auf die Straße Am Kanal trifft. „Potsdam hat die Schlösser und Gärten und gilt als besonders grüne Stadt – das kann aber nicht am Parkgitter aufhören“, findet Thoralf Götsch.

Rund 1800 Quadratmeter lässt die Stadt jedes Jahr mit gärtnerischer Hilfe erblühen. Laut dem aktuellen Haushaltsentwurf liegt der städtische Zuschuss für die Grünflächen in diesem Jahr bei 39,57 Euro pro Einwohner. Bezahlt werden davon aber nicht nur die Blumen, sondern unter anderem auch die Pflege von Gartendenkmalen wie der Freundschaftsinsel und Alexandrowka, der stadtweit 50 000 Bäume, 137 Spielplätze sowie von Volkspark und Lustgarten.

Die teuersten städtischen Blumen kennen viele sicher vom eigenen Balkon: Pelargonien und Fuchsien. Besonders pflegeaufwendig ist die kobaltblaublühende Kaiserwinde, sagt Götsch. Nur 30 Stück sind davon bestellt, sie werden im Garten der Freundschaftsinsel gepflanzt. „Sie sind ganz klein und zart, am Anfang sammeln wir jede Laus ab“, erzählt der Inselgärtner. Belohnt wird die Arbeit ab August mit 30 bis 40 neuen Blüten pro Tag: „Wenn das geklappt hat, dann sind wir ganz zufrieden.“

Dreimal pro Jahr wird auf den öffentlichen Blumenflächen neu gepflanzt. Hinzu kommt die Vorbereitung des Bodens, der je nach Standort aufgelockert, ersetzt und von Wurzelwerk befreit werden muss. Drei Wochen lang sind die zehn Gärtner allein für die Sommerbepflanzung unterwegs.

Regnerisches Wetter wie in diesem Jahr ist dabei ideal: „Die Pflanzen gießen sich praktisch von selbst an“, sagt Götsch. Heiße Sommertage bedeuten für die Gärtner dagegen besonders viel Arbeit: Mit zwei Wasserwagen sind sie dann zum Gießen im Einsatz, bei großer Hitze wird auch am Wochenende gegossen – auf die Beete komme selbstverständlich kein Trinkwasser, sondern Brauchwasser, wie der Inselgärtner betont. „Die Sommerblumen sind sicher das gärtnerische Highlight in der Stadt“, findet er: „Wenn wir die nicht hätten, dann würden wir das merken.“

Aber es gehen auch dauernd Grünflächen verloren, beklagt Götsch – und meint nicht den Vandalismus durch Blumendiebe, die immer wieder Löcher in die Beete reißen. Blumenkübel und Beete verschwänden im Zuge von Baustellen, erklärt der Gärtner und nennt als Beispiel das Gelände um die Stadt- und Landesbibliothek oder den früheren Standort des „Haus des Reisens“ an der Yorckstraße.

Auch an der Alten Fahrt wird es bald weniger Grün geben – der Baustellen-Einrichtung für die geplante Wiederbebauung der Mitte wird auch die Pergola weichen müssen. „Für uns sind das eigentlich wichtige Bereiche“, sagt Götsch und erinnert an den langjährigen stadtplanerischen Grundsatz, die Flussufer mit Grünzügen „in der Stadt zu behalten“.

Auch wenn die Pflanzen in diesem Jahr die gleichen sind wie 2012, sehen die Beete anders aus: Denn gepflanzt werden kann in verschiedenen Mustern – Streifen, Linsen, bunt durcheinander. Einen Bepflanzungsplan gibt es nicht, Götsch entscheidet operativ. Inspiration holt er sich nicht nur bei Gartenschauen, sondern auch in anderen Städten. Bedauern kann er zum Beispiel, dass die im Süden üblichen hängenden Blumenampeln so gar nicht zu Potsdam passen.

Derzeit bereitet Götsch die Blumenbestellung für 2014 vor. Neu auf der Einkaufsliste ist dann weißes Vergissmeinnicht oder das sogenannte Lampenputzergras. „Gräser kann man als Saum oder Linien pflanzen“, erklärt der Gärtner und lächelt: „Das wollen wir mal probieren.“

In Andernach am Mittelrhein pflanzt die Stadt nur Essbares: Seite 36

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