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Einzelhandel in Potsdam: Großer Bahnhof

Leere Läden gehören der Vergangenheit an. Seit die Beschränkungen aufgehoben sind, brummt es in den Potsdamer Bahnhofspassagen – auch nach dem großen Weihnachtsgeschäft

Sie sind noch Kunden alten Schlages. Mutter, Vater und zwei Jungs. Nein, in die Bahnhofspassagen gingen sie nicht, um einzukaufen. Höchstens mal zu Kaufland, sagt die Frau. Sie kommen ausschließlich, um ins Kino zu gehen. Die „Eiskönigin“ wollen sie sehen, in 2D. Auch eine weitere Familie will ins Kino, des „Hobbits“ wegen. Aber der Filius weiß immerhin, dass es jetzt auch „Saturn“ in den Bahnhofspassagen gibt, der etwa achtjährige Junge war dort wegen der Tablet-PCs und der Spiele und der Vater nickt bestätigend. Aber dass es jetzt mehr Geschäfte gibt, „ist mir gar nicht aufgefallen“, sagt er.

Dabei müsste er sich nur umdrehen. Direkt gegenüber dem UCI gibt es seit November eine Douglas-Parfümerie. Vorher waren dort diverse Fahrradmodelle ausgestellt; doch gekauft werden sollten die Räder in der Innenstadt. Am Eingang der Parfümerie steht Ladenchefin Manuela Purschke, sieht die langen Schlangen an den Kinoschaltern und sagt: „Die kommen nicht mit Kaufabsicht hierher; die wollen Filme sehen und nicht Chanel Nr. 5.“

Was denn? Läuft’s nicht gut? Doch, das Weihnachtsgeschäft war okay, sagt die Beauty-Expertin. Das nahe Saturn-Geschäft zieht viele Kunden ins Center; zudem kommen viele Babelsberger gezielt zu ihr, es ist ja nur eine Station mit der S-Bahn. Nein, sie ist zufrieden. „Wir gehen hier nicht mehr weg.“ Bei der Gelegenheit, bitte einen Geheimtipp: Mit welchem Rasierwasser liegt Mann derzeit ganz weit vorn bei den Frauen? „Tomo“, sagt sie, „von Anna Yake.“

Nach langen Jahren des Leerstandes „passiert nichts von allein“, erklärt Center-Managerin Jana Strohbach. Sie habe schon einige Gespräche mit Einzelhandelsvertretern und Ketten führen müssen, um ihr Center zu erweitern. Im vergangenen Jahr hatten die Stadtverordneten die Beschränkungen für die Bahnhofspassagen aufgehoben, mit denen die Innenstadthändler vor der Konkurrenz geschützt werden sollten. Aber nach der Fertigstellung des neuen Landtags werden die Passagen nun selbst zu einem Teil der Innenstadt; zudem gibt es die neue Erkenntnis, dass Potsdam auch in der Gesamtheit gesehen werden muss. Stadtweit müsse Potsdam eine so große Magnetwirkung als Einkaufsstadt erzielen, um Kunden von außerhalb nach Potsdam zu ziehen. Irgendwann, berichtet Jana Strohbach, sei „dann der Knoten geplatzt“, die Ladenbetreiber sehen nun die neuen Chancen. Ketten wie „Nanu-Nana“ hätten „die Chance sofort ergriffen“, in den Passagen präsent zu sein. Es spreche sich herum: Der Potsdamer Hauptbahnhof sei eben nicht nur Bahnhof und die Stadt habe „ein riesiges Potenzial“. Keinen Zweifel hegt sie, dass die noch freien drei Ladenflächen auch vermietet werden. Sie sei mit weiteren Textilanbietern in Gespräch.

Schon da ist „Olymp & Hades“, ein Laden mit Lifestyle-Bekleidung für junge Leute. Am Eingang fällt der Blick auf eine muskulöse Männerplastik mit freiem Oberkörper, die einen Stierkopf auf den Schultern trägt und eine E-Gitarre spielt, genau genommen einen E-Bass. Der Verkäufer sagt, „die Kunden sind froh, dass im Bahnhof der Umbruch gekommen ist“. Vielen sei das Stern-Center zu weit weg und die Innenstadt bei schlechtem Wetter keine Alternative.

Freunde des derzeit viel zu warmen Winterwetters sind sie im neuen Schuhladen „Connect“ indes nicht. „Wer braucht jetzt schon gefütterte Schuhe?“, fragt die Verkäuferin. Allerdings sind Winterschuhe ohnehin schon im Schlussverkauf, ab Februar stellt der Laden direkt neben dem Kino auf Sommerkollektion um. „Es läuft gut“, fasst die Verkäuferin zusammen, schon wegen der Kundschaft, die „Saturn“ in die Passagen zieht.

Über dem Saturn-Eingang reiten Cowboys und Indianer über die Prärie. Gleich auf fünf Monitoren wird für die Fernsehserie „Hell on Wheels“ geworben, die bald von einem Pay-TV-Sender ausgestrahlt wird. Vor dem Elektronikmarkt steht ein freundlicher Wachmann und lässt sich auf ein Gespräch ein. Schließlich hat seine Schicht zehneinhalb Stunden, da ist Abwechslung willkommen. Viel zu tun hat er nicht, denn: „Wer heute noch klaut, ist doof.“ Kein Dieb entgeht ihm und seinen Kollegen, meint er. Plötzlich piept ein Gerät in seiner Weste, ein Rollstuhlfahrer durchfährt die elektronische Detektorlinie und die Technik funkt ein Signal an den Wachmann, der aber Entwarnung gibt. Die Detektoren melden Metalle, denn es gibt Diebe, die es „mit präparierten Tüten“ versuchen; Tüten also, die innen mit Aluminium verkleidet sind, um das Alarmpiepen am Ausgang zu verhindern. Der Wachmann kann darüber nur milde lächeln, „es gibt halt immer Idioten“, sagt er, die es trotzdem versuchen.

Im Saturn läuft ein guter Sound, „Bobby Brown“ von Frank Zappa. Das Gerät, das gerade „Oh God, oh God, I'm so fantastic “ in den Raum ausstrahlt, ist recht klein für den satten Klang, den es macht. Dann wird es noch kräftiger, „Gimme all your Lovin“ von ZZ-Top quillt aus dem kleinen Soundmodul und es ist unklar, wer noch große Boxen braucht, wenn so kleine Dinger schon so einen Druck machen. Ein Mann Mitte 60 steht vor dem Gerät. Seine Bemerkung verrät den Kenner: „Bose macht natürlich Power.“ Er ist zum ersten Mal in dem Laden, er will mal schauen und sucht eigentlich keine Musikanlage, sondern einen Micro-SD, einen Memory-Stick. Die leeren Läden in den Bahnhofspassagen haben ihn früher sehr gestört, erklärt er.

Rege geht es auch bei Nguyen van Hai zu, der mit seiner Kollegin Thanh seit Kurzem das „Buffet“ betreibt. Es gibt asiatische Küche, Tom Yam Gung etwa – Garnelensuppe – oder auch Lamb Muglai, indisches Lammfleisch. Sein Tag sei lang, von 9 bis 21 Uhr, sagt van Hai, aber mit der Nachfrage sei er sehr zufrieden. Wer es eilig hat, bestellt bei ihm „Ente Box 2 Go“.

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