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Landeshauptstadt: Garagentod am Baggersee

Bis zu 3000 Besitzer müssen in Potsdam mit einer Kündigung der Standorte rechnen

Ein Großteil der etwa 3000 auf fremdem Grund gebauten Garagen ist gefährdet, wenn am 1. Januar 2007 die neue Stufe des Schuldrechtsanpassungsgesetzes greift. Die Besitzer müssten die Grundstücke räumen, im Extremfall auf die ohnehin geringe Entschädigung verzichten und die Hälfte der Abrisskosten tragen. Dies verdeutlichte Hans Henker, 1. Sprecher des Potsdamer Garagenbeirates, gegenüber den PNN.

Als Interessenvertreter von mehr als 20 Garagenvereinen oder -gemeinschaften will der Beirat eine solche Entwicklung verhindern. Dazu sei es wichtig, dass sich ihm auch bisher noch abseits stehende Vereine anschließen. Im Stadtteil Am Stern haben zwei Vereine mit etwa 360 Mitgliedern die Grundstücke gekauft, weitere zwei verhandeln über eine ähnliche Lösung. Dort sind aber durch den Masterplan weiterhin 820 Garagen gefährdet. Für Flächen, die sich für eine Bebauung eignen, favorisieren die Eigentümer Pro Potsdam (vormals Gewoba) bzw. die Stadt mit ihrem Kommunalen Immobilienservice (KIS) den Verkauf an Investoren. Das trifft besonders die etwa 750 Garagenbesitzer am Baggersee, wo eine kleinteilige Wohnbebauung angedacht ist. Einer der dortigen Vereine, der kürzlich dem Beirat beitrat, kämpft inzwischen mit unterschiedlichen Argumenten gegen die Bebauungsabsichten. Eine mögliche Inanspruchnahme von Garagengelände wurde vom KIS ebenso für Standorte an der Templiner Straße, der Burgstraße, Patrizierweg/Gluckstraße und weitere, bisher nicht durch den Beirat vertretene Standorte angekündigt,

Doch auch wo ein Kauf möglich wäre, lässt er sich nicht problemlos verwirklichen. Viele Besitzer sind nicht in der Lage, die dafür bei den bisherigen Verkäufen geforderten rund 3000 Euro aufzubringen, verdeutlicht Hans Henker. Der Beirat sieht eine Lösung in einem Austausch, der die Kaufwilligen zusammenfasst und so den Bestand wenigstens eines von mehreren Standorten sichert. Dieses Modell wird für „Stern VII“ und „Stern IX“ angestrebt, auch für Vereine in der Waldstadt ist es im Gespräch.

Eine neue Chance ergibt sich für den Erhalt der etwa 320 Garagen in Potsdam-West. Nach jahrelangem Hin und Her haben die vier Vereine vom Eigentümer das Angebot für einen Erbbaupachtvertrag (zwölf Euro monatlich statt bisher 9,75) bekommen. Darüber müssen sie kurzfristig entscheiden, sonst droht in zwei Jahren der Garagenabriss. Wenn es gegen Kauf und Erbpacht Vorbehalte gibt, dann auch deshalb, weil die Verträge der Stadt in jedem Fall ein Rückkaufrecht wegen „höherer Interessen“ einräumen. Dann aber könnte immerhin über einen angemessenen Preis verhandelt werden.

Hans Henker beklagt, dass der Beirat nach wie vor oft Monate braucht, ehe er konstruktive Kontakte zu den Eigentümern Pro Potsdam bzw. KIS herstellen kann und manche Schreiben unbeantwortet bleiben. In der Stadtverordnetenversammlung würden die Garagenbesitzer lediglich durch die PDS-Fraktion und deren Vorsitzenden Dr. Hans-Jürgen Scharfenberg unterstützt. Doch eine Mehrheit schmettere die Vorstöße ab. Besonders wurmt die Besitzer, „die Garagen auf eigene Kosten und mit eigener Hände Arbeit errichtet“ haben, dass ihre drohende Vertreibung von den Abgeordneten nicht als soziales Problem anerkannt wird. Die meisten könnten sich einen teuren Platz in der Tiefgarage nicht leisten. Dass es auch anders gehe, zeigten beispielsweise Strausberg und Eberswalde. Dort haben sich die Stadtverwaltungen mit den Garagenbesitzern auf den Erhalt der Standorte geeinigt.

Der Beiratssprecher meint, auf jeden Fall sollten Stadtverordnete und Stadtverwaltung aber ein anderes ungelöstes Problem sehen: das des ruhenden Verkehrs. Schon sind Garagenkomplexe am Pfingstberg, an der Kirschallee, an der Erich-Weinert-Straße, am Platz der Einheit liquidiert, an der Paul-Neumann-Straße wurden dafür die Weichen gestellt. Städtische Parkflächen unter anderem am Stadtkanal, auf dem Bassinplatz und in der Hegelallee sind beseitigt worden. Wenn noch einmal zusätzlich die Autos von bis zu 2000 Potsdamern an den Straßenrand gedrängt würden, wären Parknot und Parkchaos kaum noch beherrschbar. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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