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Bunker in Potsdam: Freigraben mit dem Spaten

Faszination Bunker: Eine Visite im leeren Beton-Verlies am Brauhausberg, einem Bau für die „Führer, Lenker und Vordenker“ der ehemaligen SED-Bezirksleitung

Geheimniskrämerei weckt Neugier. Es mag an der Faszination des Verborgenen liegen, wenn sich Menschen für Bunker interessieren. Sebastian Meinke und Björn Lasinski gehören dazu; sie betreiben die Internetseite www.untergrund-brandenburg.de. Zahlreiche Bunker sind dort beschrieben und mit Fotos und Grafiken illustriert. „Am Anfang stand der Zufallsfund eines Bunkers im Wald – dann ging es los“, erinnert sich Lasinski. Er und sein Kompagnon Meinke sind Elektrotechniker an der Humboldt-Universität Berlin. Ihre Internetseite regte die Visite eines Bunkers in Potsdam an, dessen Existenz ein offenes Geheimnis ist: Der Bunker am Brauhausberg.

Bunkeranlagen sind nicht leicht zu finden, denn ihre Erbauer zur Zeit des Nationalsozialismus oder der DDR waren an einer Bekanntheit dieser Bauwerke nicht interessiert. Lasinski erläutert, das oft oberirdische Tarnbauten wie Garagen oder Baracken errichtet wurden, um den Bunkereingang zu verbergen. Zeitzeugen, etwa ehemalige Offiziere, berichteten, dass sogar der Probebetrieb von Elektroaggregaten, die die unterirdischen Bunker mit Strom versorgten, verschleiert wurde. Rauch und Abwärme der Dieselmotoren hätte von Spionagesatelliten mit Wärmebildkameras entdeckt werden können – deshalb seien Männer abgestellt worden, die oberirdisch so taten, als würden sie Würstchen grillen.

Auch der Bunker auf dem Brauhausberg hat einen Tarnbau, das Gebäude des ehemaligen Restaurants „Minsk“. Der Betonbau wurde in den 1960er-Jahren überirdisch erbaut, erst Ende der 1970er folgte das „Minsk“. Der Bunker befindet sich direkt unter der Terrasse des Restaurants. „Bunker und Minsk sind baulich voneinander getrennt“, erklärt der Mitarbeiter der Potsdamer Stadtwerke, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, jedoch über den Schlüssel für die Eingangstür des Betonkolosses verfügt, die er erstmals für Journalisten öffnet. Der Mann erklärt, der „Katastrophenschutzraum in primitiver russischer Form“ unterhalb des „Kreml“, der ehemaligen SED-Bezirkszentrale, sei keineswegs zum Schutz der Bevölkerung entstanden. Dort wären im Ernstfall „die Führer, Lenker und Vordenker eingerückt“. Der vergitterte Hauptzugang könnte von außen leicht für eine Versorgungszufahrt des Restaurants gehalten werden. Ist es aber nicht. Stattdessen fällt schon nach wenigen Schritten im Inneren die ungewöhnlich massive Betondecke auf. Der Stadtwerke-Mann öffnet eine weitere Eingangstür, hinter der sich erst die eigentliche Zugangstür des Bunkers verbirgt. Diese steht offen und hat alles, was einem die Auswirkungen einer Atombomben-Explosion in einigen Kilometern Entfernung vom Leibe zu halten vermag: eine etwa 30 Zentimeter dicke Stahlplatte. An der meterhohen, sicher mehrere Tonnen schweren Bunkertür prangt das Schild der Firma „Schutzraumbau Scherwarth GmbH“ aus Sulzbach an der Saar. Offenbar ist die Tür nach 1990 von einer saarländischen Firma gewartet oder erneuert worden. Damals übernahm die Potsdamer Feuerwehr den Bunker und nutzte ihn als Katastrophenschutzlager.

Das Innere des Bunkers ist weiß gestrichen. Die Abdrücke von Brettern im Beton verdeutlichen die klassische Schalenbauweise des Bunkerbaus der 1940er-Jahre, wie der Mann mit dem Schlüssel erläutert. Offenbar will er damit die Dicke und Festigkeit der Konstruktion betonen: „Wer das mal abreißen muss, hat seine Freude daran “ Der Bunker unterm „Minsk“ bietet 180 bis 200 Personen Platz. Er verfügt über einen Hauptraum sowie über acht separate Aufenthaltsnischen, je vier auf jeder Seite. Die Decke ist als Tonnengewölbe dafür ausgelegt, besonders großem Druck von oben standzuhalten. In einer dieser Nischen steht eine Luftansaugpumpe sowjetischer Herkunft, die per Elektromotor oder durch eine Kurbel per Hand betrieben werden kann. Da sich die Notdurft im Notfall nicht ewig verschieben lässt, haben die Bunkerbauer auch daran gedacht: Bei je drei Kabinen weisen Schilder mit der Aufschrift „Toiletten Herren“ und „Toiletten Damen“ auf ihren Zweck hin.

Der Bunker ist mit zwei in ihrer Bauart völlig verschiedenen Notausgängen versehen. Ein Ausstieg ist äußerlich sogar relativ ungetarnt als solcher erkennbar. Im Inneren ist einer mehrfach verriegelten Stahltür eine Schleuse mit einer Dusche vorgeschaltet – „falls mal einer gucken wollte“, sagt der Stadtwerke-Mann, „ob die Luft rein ist“. Falls dies nicht der Fall gewesen wäre, hätte er sich hinterher zumindestens den atomaren Fallout vom Schutzanzug duschen können. Ein anderer Notausgang war offenbar für den Moment gedacht, in dem sich Potsdam und somit auch der Brauhausberg in Feindeshand befindet. In dem Fall hätten sich die Insassen oder von ihnen entsendete Kundschafter freigraben müssen – mit einem Spaten immer aufwärts durch eine meterdicke Sandschicht. Das Tageslicht hätte der Spähtrupp an einer unscheinbaren, seitlichen Stelle erblickt, die vollkommen von einer Hecke überwachsen ist.

Das weitere Schicksal des Bunkers ist baulich untrennbar mit dem des Restaurants „Minsk“ verknüpft. Dessen Zukunft wird im Zuge der Neubebauung des Brauhausberges gegenwärtig in der Stadt Potsdam diskutiert.

Auf zwei Gefahren weist Björn Lasinski, Macher der Internet-Seite untergrund-brandenburg.de, abschließend hin. Erstens: Das Betreten von stillgelegten Bunkern ist gefährlich; längst sind nicht alle Objekte gesichert und deren Eingänge verschlossen. Und zweitens, ein Hinweis für männliche Bunker-Enthusiasten: „Es ist äußerst selten dass sich Frauen für dieses Hobby interessieren.“

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