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Die alte Schwimmhalle am Brauhausberg Potsdam: Eklat um einen Nackten: Der Bad-Architekt erinnert sich

Karl-Heinz Birkholz hat als Architekt den Bau der Potsdamer Schwimmhalle am Brauhausberg verantwortet. Dabei gab es einige Überraschungen.

Potsdam - Es ist sein erster Besuch in der Schwimmhalle seit der Wende. „Wenn ich schwimmen will, habe ich ja den Petzinsee“, sagt Karl-Heinz Birkholz und lächelt. Seit einiger Zeit schon lebt der pensionierte Architekt, der in Potsdam unter anderem die Waldstadt II, das Terrassenhotel Minsk und eben die Schwimmhalle am Brauhausberg projektiert hat, in Geltow. Besonders gern kommt er am Brauhausberg nicht mehr vorbei, das sagt der 87-Jährige offen: „Ich meide diesen Ort, wo es geht.“ Schließlich verfällt dort seit Jahren, was er einst entworfen und mit geschaffen hat. Der mit Treppen und Fontänen gegliederte Weg in Richtung Stadt ist längst Geschichte, das Minsk und die Schwimmhalle stehen auf der Abrissliste. „Mir tut das weh“, sagt Birkholz. Wenn er heute trotzdem mit dem Fahrrad zum Brauhausberg kommt, dann deshalb, weil er noch einmal erzählen will. Davon, wie er die Schwimmhalle nach dem Vorbild aus Dresden ab 1969 für Potsdam „adaptierte“. Und welche Überraschungen und Verwicklungen es dabei gab – vom Plagiatsstreit bis zum Sabotageverdacht.

Eine "Volksschwimmhalle" für Potsdam

Als „Wiederverwendungsprojekt“ sollte die kurz zuvor in Dresden eröffnete Halle damals nach Potsdam transferiert werden. War es in Dresden eine Halle vorwiegend für Sportler, sollte in Potsdam eine „Volksschwimmhalle“ entstehen. Aber es sei nicht nur darum gegangen, die in Dresden festgestellten Schwachstellen auszubessern, betont Birkholz. Der Anspruch sei gewesen, den Bau auf den Standort am Brauhausberg maßzuschneidern, wo er ein Ensemble mit dem Minsk und dem breiten Treppenaufgang bildete, und dem Gebäude eine Potsdamer Note zu geben. „Das ist uns gelungen – auch dank der Künstler“, sagt Birkholz

Am präsentesten ist dabei sicherlich Werner Nerlichs Werk „Die Badende“ an der Stirnseite der Schwimmhalle: Eine Kunstschwimmerin, festgehalten in einer eleganten Bewegung um eine Art Sonne. Gefertigt wurde das Kunstwerk aus einem speziell gehärteten Aluminium von der Potsdamer Metallbaufirma Hantel. Dieselbe Firma, die mittlerweile international erfolgreich ist und neben der Werkstatt in Krampnitz auch eine in Dubai betreibt, hat es jetzt auch fachmännisch wieder von der Wand genommen, um es aufzuarbeiten und voraussichtlich im August am neuen Bad blu anzubringen.

Erbitterter Streit um die Fassadengestaltung

Ausgerechnet um die Fassadengestaltung aber gab es seinerzeit erbitterten Streit, erinnert sich Karl-Heinz Birkholz. Und zwar in der sogenannten Auftragskommission, die in regelmäßigen Abständen tagte, um die Entwürfe der Künstler für die in Auftrag gegebene „Kunst am Bau“ zu besprechen. Als Nerlich seinen ersten Entwurf vorlegte – anstelle der Frau noch mit einem nackten Mann –, habe der Potsdamer Künstler-Kollege Kurt-Hermann Kühn entschieden Einspruch erhoben, berichtet Birkholz.

Im Raum stand ein Plagiatsvorwurf. Denn Kühn hatte kurz zuvor eine ganz ähnliche Komposition vorgestellt. Sein nackter Mann sollte ursprünglich an eine der Fassaden der Potsdamer Bibliothek. „Es kam zum Eklat“, erinnert sich Birkholz: „Wer hat den nackten Mann zuerst erfunden?“ Dass beide Künstler eine ähnliche künstlerische Handschrift hatten, machte die Sache nicht einfacher. Nerlich zog schließlich den Kürzeren und wurde beauftragt, einen neuen Entwurf zu liefern – die Geburtsstunde der „Badenden“. „Als ich den zweiten Entwurf gesehen habe, habe ich ihm nur gesagt: Hut ab, der ist besser als der erste!“, erzählt Karl-Heinz Birkholz. Das Werk habe den Schwung des wogenförmigen Dachs am Giebel wieder aufgegriffen und damit eine noch bessere Einheit gebildet, findet der Architekt.

Wieso der nackte Mann auch an der Bibliothekswand nie aufgetaucht ist, weiß Birkholz nicht. Bei seinem Besuch am Brauhausberg stellt sich aber heraus, dass Nerlichs erster Entwurf mit dem Mann im Modell überlebt hat. „Der hängt noch bei uns in der Werkstatt“, sagt ihm Dietmar Hantel, der Sohn des Firmengründers, während er mit seinen Mitarbeitern die Metallteile der „Badenden“ verlädt. Das Modell haben die Hantels aus dem Nachlass des 1999 verstorbenen Künstlers Nerlich bekommen.

DDR-Kunst findet Platz im neuen blu

Dass die Hantels dafür sorgen, dass Nerlichs „Badende“ erhalten bleibt und an der Wand des neuen Schwimmbades seinen Platz finden soll – nicht prominent zur Stadt hin, sondern an der Wand zur Liegewiese, tröstet Birkholz zumindest etwas. So wie auch der Erhalt des Fliesenmosaiks vom Nichtschwimmerbecken, das Fliesenlegermeister Dirk Heidrich für das neue Schwimmbad eins zu eins nachgearbeitet hat (PNN berichteten).

Andere Kunstobjekte sind dagegen schon in den vergangenen Jahren verschwunden. Als Karl- Heinz Birkholz in das Foyer der Schwimmhalle tritt, schaut er sich um und konstatiert: „Der Tropfen ist weg.“ Ein Betongitter in Form eines sich ausbreitenden Tropfens hatte der Potsdamer Künstler Christian Heinze für den Eingangsbereich gestaltet, erzählt Birkholz. Bei der Sanierung nach der Wende wurde der aber entfernt. „Ohne mich zu fragen“, bestätigt Heinze auf PNN-Anfrage.

Offensichtlich ebenfalls der Restaurierung zum Opfer gefallen sind die weinrot gefliesten Säulen, die einst die Zuschauertribüne gehalten haben – und für die Birkholz seinerzeit die berühmte Keramikerin Hedwig Bollhagen gewinnen konnte. Nur eine der HB-Säulen ist erhalten, die übrigen sind mittlerweile eisblau gefliest.

Birkholz fuhr extra in Bollhagens Werkstatt 

Das satte Dunkelrot gehörte zu dem Farbkonzept, das Birkholz für die Halle entwickelt hatte und das auch in der Bestuhlung der Tribüne aufgegriffen wurde – ebenfalls mittlerweile verändert. „Wir wollten warme Farben“, erklärt er. Er sei damals zu Bollhagens Werkstatt nach Marwitz gefahren und konnte die Keramikerin, die zu DDR-Zeiten allerhand staatliche Aufträge abarbeiten musste, überreden, die schmalen Riemchensteine für die Potsdamer Schwimmbadsäulen zu brennen. Die Steinchen waren klein genug, dass sie sie immer zwischen ihren Gefäßen im Ofen habe brennen können. „Das brauchte zwar etwas Zeit, aber sie machte es“, sagt Birkholz.

Dass die Säulen überhaupt gefliest und nicht wie im Dresdener Vorbild gestrichen wurden, darauf bestand Birkholz. Schließlich befinden sie sich im Spritzbereich, wo sie der Feuchtigkeit direkt ausgesetzt sind. Dank mehrerer Hinweise des Teams aus Dresden konnte Birkholz die Halle für Potsdam auch an anderen Stellen „verbessern“. So war in Dresden ziemlich schnell aufgefallen, dass die Sportler Augenreizungen beim Schwimmen bekamen – eine Folge der gemeinsamen Filteranlage für Schwimmer- und Nichtschwimmerbecken, infolge derer Kinderurin auch in das große Becken gelangte. In Potsdam wurden die Filteranlagen getrennt. Auch Algenbildung war in Dresden ein Problem – und zwar an allen Stellen, an denen es Sonneneinstrahlung gab. Also achtete Birkholz darauf, dass in die Potsdamer Halle keine direkte Sonne fällt.

Auch bei den Bauarbeiten selbst gab es die eine oder andere Überraschung. Etwa, als sich die Betonwanne aus einem Guss – damals ein hochmodernes Verfahren, heute Standard – beim ersten Belastungstest mit Wasser als undicht erwies. Bei der genauen Untersuchung wurden ein Lumpenfetzen und ein Stück Holz im Beton ausgemacht. „Das gab einige Aufregung“, erzählt Birkholz. Es habe auch der Verdacht im Raum gestanden, es könne sich um bewusste Sabotage handeln. Öffentlich wurden solche Vorfälle damals indes nicht. Die undichten Stellen konnten abgedichtet werden.

Schockmoment: Das Becken war zu kurz!

Einen weiteren Schockmoment gab es bei der Vermessung des fertig gefliesten Beckens. Damit die Halle für internationale Wettkämpfe zugelassen werden konnte, musste die korrekte Länge protokolliert werden, erklärt Birkholz. Aber beim Vermessen stellte sich heraus: Die Bahn war zu kurz, die Abweichung zu groß. Birkholz meint auch den Grund zu kennen. Damals maß man mit einem Stahlbandmaß – und das verändert seine Länge abhängig von der Temperatur. So kann dasselbe Becken, das im Baustellenzustand in der unbeheizten Halle die richtige Länge hat, in der fertigen und beheizten Halle plötzlich zu kurz sein. „Das Becken musste nochmal geändert werden“, erzählt der Architekt. Am 7. Oktober 1971 wurde das Schwimmbad eingeweiht.

Ab dem 7. Juni 2017 hat der Nachfolgebau, das Freizeitbad blu, regulär geöffnet. Besonders angetan ist Birkholz vom Äußeren des neuen Bades nicht. „Das ist ein reiner Zweckbau, ohne Respekt vor Potsdam“, sagt er: „So etwas gehört an die Autobahn.“ Dass aus den Plänen des brasilianischen Stararchitekten Oscar Niemeyer nichts geworden ist, bedauert er: „Er hat mit seinen Entwürfen mehr Respekt vor diesem Standort gezeigt.“

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