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Hielt in Lyon, was zu halten war. Ann-Katrin Berger gehörte am Donnerstagabend zu den Sieggaranten Turbine Potsdams im Champions-League-Achtelfinale.

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Sport: „Charakter gezeigt und sensationell gespielt“

Turbine Potsdam strotzt nach dem 2:1 bei Olympique Lyon und dem Einzug ins Champions-League-Viertelfinale vor Selbstvertrauen

Als Ann-Katrin Berger am Freitagabend um kurz vor 17 Uhr mit ihrer Mannschaft wieder im Heimatquartier im Potsdamer Luftschiffhafen angekommen war, wirkte sie ein bisschen müde – am Ende ihrer Reise war die Torhüterin Turbine Potsdams da aber immer noch nicht. „Nachher um acht geht mein Flieger nach Stuttgart. Ich fliege gleich noch weiter nach Hause zu meiner Familie in Göppingen und lass mich von der ein bisschen feiern“, sagte die Ballfängerin, der am Vorabend mit Turbine etwas Historisches gelungen war. Im Viertelfinale der UEFA Women’s Champions League warfen die Potsdamerinnen den Topfavoriten Olympique Lyon – der bis dahin seit 2005 kein Heimspiel mehr verloren und seit Monaten keinen Gegentreffer mehr kassiert hatte – mit einem 2:1 (1:1) noch aus dem Rennen. Und das, nachdem sie das Hinspiel daheim gegen den Champions-League-Finalisten der vergangenen vier Jahre mit 0:1 verloren hatten und am Donnerstagabend im Stade de Gerland durch ein Tor Camille Abilys erneut 0:1 zurücklagen.

„Wir haben trotzdem weiter an uns geglaubt, denn wir hatten schon im Hinspiel gesehen, dass wir mit Lyon mithalten können, und im Fußball gab es schon viele Wunder“, so Berger, die nach dem Ausgleich durch Stefanie Draws noch vor der Pause und der eigenen Führung durch den von Maren Mjelde verwandelten Handelfmeter in den letzten Minuten unter französischem Dauerbeschuss stand – und hielt, was zu halten war. „Die letzten 15 Minuten kamen mir vor wie nochmal 90 Minuten“, gestand die 23-Jährige, die nach Patzern im DFB-Pokalspiel in Essen (2:3) in die Kritik geraten war. „Die Fehler von damals habe ich wieder gutgemacht“, so die Ballfängerin.

„Berger hat solide gespielt“, anerkannte auch Cheftrainer Bernd Schröder, der am Donnerstag unmittelbar nach dem Schlusspfiff selbst um Fassung rang. „Die Mannschaft hat gerade nach dem frühen Gegentor Charakter gezeigt und sensationell gespielt“, lobte er seine junge Truppe, von der er ein solches Ergebnis vorher selbst kaum erwarten konnte. „Wir haben eine Mannschaft, die von der Struktur und vom Charakter her einfach stimmt. So etwas hatten wir selten. Sie ist jung und hat alle Möglichkeiten.“ Der Triumph vom Donnerstag, den Olympique-Präsident Jean Michel Aulas „einen Donnerschlag“ nannte, „war unser bedeutendster Sieg nach unserem Champions-League-Endspielerfolg 2010 gegen Lyon“, erklärte Schröder. „Vielleicht war es sogar gut, dass Lyon in Führung gegangen ist.“ Dadurch habe sich der Gegner wohl schon zu sehr in Sicherheit gewogen.

Dann aber stieg Mannschaftskapitänin Draws nach einem Eckball von Lisa Evans von links vorm Tor des zweifachen Champion-League-Siegers am höchsten und köpfte zum 1:1 ein. „Der Spielzug war einstudiert und hat prima geklappt“, erzählte Stefanie Draws gestern nach der Heimkehr. „Plötzlich haben wir gemerkt, dass wir es noch packen können, und in der Halbzeitpause haben wir uns geschworen, in den letzten 45 Minuten nochmal alles zu versuchen.“ Was dann auch gelang. Lyon drückte zwar, doch als der Japanerin Saki Kumagai im eigenen Strafraum ein Handspiel unterlief, schritt Maren Mjelde zum Elfmeterpunkt, legte sich das Leder zurecht und hämmerte die Kugel unter die Querlatte. „Ich war mir sehr sicher und hatte ein gutes Gefühl“, meinte die norwegische Nationalspielerin, die auch früher schon eine sichere Elfmeterschützin war. „Aber als ich 18 war, habe ich ausgerechnet im Halbfinale der U19-EM einen Elfer gegen Deutschland vergeben“, erinnerte sich die 24-Jährige gestern.

Nachdem Potsdam auch die letzten Sturmwellen des Olympique-Angriffs erfolgreich abgewehrt hatte, gab es kein Halten mehr, feierten die Spielerinnen mit ihren mitgereisten Fans und später auch im Novotel Lyon Bron, wo sie Quartier bezogen hatten. Die Hotelbar schloss zwar um Mitternacht, „aber wir haben bis früh gegen drei im Physioraum zusammengesessen“, verriet Draws. „Die Mädels hatten nach diesem Erfolg ihre Freiheiten“, sagte Schröder, dessen Team gestern früh um neun die Rückreise via Zürich nach Berlin-Tegel antrat und mit einiger Verspätung wieder in Potsdam eintraf. Dort stand noch eine abendliche Übungseinheit auf dem Programm, ehe die Spielerinnen ins trainingsfreie Wochenende entlassen wurden.

Nun blickt Turbine gespannt dem kommenden Donnerstag entgegen, wenn die Viertel- und Halbfinalspiele im März und April 2014 ausgelost werden. Neben Potsdam wissen am 21. November auch der VfL Wolfsburg, FC Barcelona, FC Arsenal London, Birmingham City, Torres Calcio Sassari (Italien), NÖSV Neulengbach (Österreich) und Tyresö FF (Schweden) ihre Namen im Lostopf. „Jetzt hoffe ich auf einen leichteren Gegner. Es muss nicht gleich Wolfsburg sein“, meinte Bernd Schröder. „Wir wollen ins Finale nach Lissabon, und nach diesem Spiel in Lyon müssen wir vor keinem Gegner Angst haben“, sagte Stefanie Draws. Was Ann-Katrin Berger bekräftigte: „Nun kann jeder Gegner kommen – so viel Selbstvertrauen haben wir jetzt.“

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