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Landeshauptstadt: Belriguardo grüßt vom Tornow

Gewaltiger Schlossbau Friedrich Wilhelms IV. blieb Potsdam versagt – oder erspart

Wäre es nach König Friedrich Wilhelm IV. gegangen, sähe der Tornow genannte Mittelteil der Insel Hermannswerder heute völlig anders aus. Zwischen Judengraben und Templiner Straße würde sich an Stelle der bescheidenen Bauten und Kleingärten eine gewaltige Schlossanlage erheben: Belriguardo.

Den Tornow kannte der Kronprinz seit seiner Jugendzeit. Um der Veranlagung zur Fettleibigkeit entgegen zu wirken, schickte ihn sein Leibarzt Hufeland hierher an die Havel zum Schwimmen. Ab 1819 skizzierte der spätere „Romantiker auf dem Thron“ etwa 60 Entwürfe für ein Traumschloss, die in der Plankammer von Sanssouci aufbewahrt werden. Auch von Schinkel (1823) und Persius (1828) liegen Zeichnungen vor. Auf einem hohen Sockel sollte sich der tempelartige, von Säulen umgebene Hauptbau in Bauformen der griechischen Antike erheben. Eine ebenfalls von Säulen flankierte gewaltige Treppenanlage führte Richtung Havel hinab. Am Ufer war ein Rundtempel vorgesehen; teils von Viadukten begleitet, hätte sich eine der Gräberstraße im altrömischen Pompeji nachgebildete Straße mit Triumphtor zum Brauhausberg gezogen. Dort sollte ein Bergkloster errichtet werden. Ein Weg also, der symbolisch von der Antike zum christlichen Glauben als Höhepunkt der Kulturentwicklung führte.

Doch damit nicht genug. Den heutigen Union-Sportplatz gäbe es auch nicht, denn dort wäre ein Hippodrom entstanden, eine den antiken Pferderennbahnen ähnelnde Anlage. Auf die Brandenburger Vorstadt müssten wir ebenfalls verzichten, denn anschließend an den Weinberg von Sanssouci sollte sich bis zum Havelufer, dort wo jetzt die Fähre nach Hermannswerder startet, eine breite, 3,5 Kilometer lange gärtnerisch gestaltete Sichtachse hinziehen. Der König war sogar gewillt, die wenigen damals in diesem Gebiet stehenden Gebäude abreißen zu lassen. Mit diesen Überlegungen knüpfte er wie in anderen Fällen an seinen großen Vorgänger Friedrich II. an. Der betrachtete ein Schloss oder einen größeren Pavillon auf dem Tornow ebenfalls als ideales Gegenüber für Sanssouci, baute dann aber das Neue Palais.

Die architektonischen Anregungen für sein Belriguardo erhielt Friedrich Wilhelm in Frankreich und Italien. Den Namen, der „schöne Aussicht“ bedeutet, tragen noch heute ungezählte italienische Bauten – vom Schloss über Hotels bis zum hoch gelegenen Pavillon. Auch das Lustschloss des Herzogs von Ferrara, in dem Goethes „Torquato Tasso“ spielt, heißt so.

Das Belriguardo auf dem Tornow wäre ein weiteres Symbol königlicher Macht und mit seinen Nebenanlagen Gestaltungselement der Potsdamer Kulturlandschaft geworden. Auf Wohnlichkeit legte der König wie auch beim Belvedere auf dem Pfingstberg oder beim Orangerieschloss in Sanssouci in seinen Großprojekten weniger Wert. Dafür zog er schon als Kronprinz in seinem Schlösschen Charlottenhof ein eher bescheidenes, bürgerliches Ambiente vor. Bemerkenswerteste Innenräume von Belriguardo wären zwei Festsäle geworden, die in ihrer kreisrunden Form und mit Oberlichtern dem Pantheon in Rom geähnelt hätten. In seinen Zeichnungen von 1828, die als Gegenentwurf zu den königlichen Vorstellungen verstanden werden können, versuchte Ludwig Persius dem Schloss etwas mehr wohnliche Wärme einzuhauchen – bis hin zu mit Kübelpflanzen besetzten Dachterrassen. Er stellte das Schloss nicht mehr an die Havel, sondern an eine zerklüftete Meereslandschaft.

Doch da waren die Messen für das Traumschloss wohl bereits gelesen. Wie andere Großprojekte Friedrich Wilhelms IV. scheiterte es vor allem an der Finanzierbarkeit. Belriguardo blieb Potsdam versagt – oder soll man angesichts der damit verbundenen Eingriffe in das Stadtbild sagen erspart?

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