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Bauernprotest in Potsdam.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Applaus für Hunderte Traktoren: So reagiert Potsdam auf den kilometerlangen Bauernprotest

950 Traktoren und Firmenwagen fuhren am Montagmorgen zur Staatskanzlei. Landwirte und Handwerker bekamen dabei Applaus von Potsdamern.

Auf dem Anorak von Uta Scholz klebte der Slogan „Liebe Polizei, es geht hier auch um euer Frühstücksei“. Neben ihr blockieren Traktoren und Firmenwagen die Heinrich-Mann-Allee. Vor der Staatskanzlei hatten sich am Montagvormittag Landwirte, Handwerker, Selbstständige, aber auch Dutzende Potsdamerinnen und Potsdamer versammelt. Mit ihren Fahrzeugen versperrten sie, aus Richtung Klaistow kommend, die Breite Straße und Zeppelinstraße und sorgten für Verkehrseinschränkungen auf Straße und Schiene.

Uta Scholz protestierte gegen die Streichung der Agrarsubventionen - und gegen die Regierung.

© Katharina Golze

Sie sind unzufrieden. Nicht nur wegen der gekürzten Subventionen auf Agrardiesel und den zunächst geplanten Wegfall der Kfz-Steuerbefreiung, die die Regierung mittlerweile teilweise zurückgenommen hat. Der Frust sitzt tiefer und er richtet sich gegen die Ampelregierung. „Wir sehen schon lange, dass das Land durch diese Politik kaputt gemacht wird. Wir sind froh, dass jemand mal aufsteht“, sagte Scholz.

Konvoi vom Ortsschild bis zur Staatskanzlei

Als sie und ihr Begleiter die Staatskanzlei erreicht haben, harrten zwei Potsdamer Handwerker, ein Denkmalpfleger und ein Kfz-Mechatroniker schon seit mehr als drei Stunden vor dem Sitz der brandenburgischen Landesregierung aus. Bei klarem, frostigen Wetter hatten sich laut der Kreisbauernverbände Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming mehr als 1000 Landwirte versammelt. Gegen 11 Uhr war Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) vor die Staatskanzlei getreten, hatte einen Protestbrief entgegengenommen, mit den Landwirten gesprochen und deren Forderungen unterstützt.

Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, spricht mit Landwirten, die mit ihren Fahrzeugen vor der Staatskanzlei demonstrieren.

© dpa/Soeren Stache

Potsdamer Landwirt über den Protest

Ernst Ruden, der in dritter Generation den Bauernhof Ruden in Krampnitz führt, war einer der Bauern, der mit Woidke sprach. „Ich habe dem Ministerpräsidenten gesagt, dass ein bäuerlicher Betrieb zehn Jahre Vorlauf in der Planung braucht“, sagte Ernst Ruden den PNN. „Jeder Subventionsabbau ist für uns das Todesurteil.“ Das gelte vor allem für kleine Familienbetriebe, die sich gegen große Agrarunternehmen behaupten müssten. Er sorge sich um die Zukunft der Kinder bäuerlicher Betriebe, aber auch um die des gesamten Landes. Er sowie mindestens zwei weitere Potsdamer Landwirte hatten sich dem Protest angeschlossen.

„Die Politik ändern kann langfristig der Wähler“, sagteRuden. Kurzfristig seien es die Politiker, die wieder mehr im Sinne der Wählerschaft handeln müssten. Ansonsten sei das nur „der kleine Anfang“ gewesen. Laut der Kreisbauernverbände Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming hatten sich rund 950 Personen mit ihren Fahrzeugen von Klaistow auf den Weg nach Potsdam gemacht und einen zwölf Kilometer langen Stau verursacht, darunter etliche Handwerker, Gewerbetreibende und Spediteure. „Heute war eine große Bewegung unterwegs“, sagte Ruden.

Unterstützung von Potsdamer Bürgerinnen und Bürgern

Gegenüber der Staatskanzlei stand ein Vier-Grüppchen mit heißem Tee, zwei aus Potsdam, zwei aus Falkensee. Sie seien gekommen, um die Bauern und Handwerker zu unterstützen – und letztlich „das ganze Volk, die Leistungsträger und Steuerzahler, die den ganzen Irrsinn finanzieren müssen“, sagten sie. Ihre Kritik endete nicht bei den Agrarsubventionen, es gehe ihnen um „Entwicklungshilfe, Steuererhöhungen, zu viele Subventionen, Klimawahnsinn, Energiepreise, Rüstungsexporte, Kriegstreiberei, Zensur, die Verlogenheit der Medien“, zählten sie auf.

Der Protestkonvoi löste sich gegen 13 Uhr auf.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Dutzende Anwohnerinnen und Anwohner standen an den Straßenrändern, applaudierten, winkten und reckten den Daumen entgegen, als Protestierende gegen 13 Uhr zum Rückweg aufbrachen. Der Protest sei komplett richtig, zu hundert Prozent, sagte ein Potsdamer Senior in der Breiten Straße. „Hier sind viele bekannte Handwerker aus dem Potsdamer Umland, die man kennt“, ergänzte ein zweiter Herr. Die meisten, die etwas sagen, wollten anonym bleiben.

Auch Spediteure beteiligten sich am Protest.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Im Konvoi fanden sich Tiefbauer und Baumfäller, Autovermieter und Klempner. Ihr Mann sei mit einem Hausmeisterservice selbstständig, sagte Gina aus Luckenwalde. Er sei nicht von den Agrarkürzungen betroffen. Sie sagte: „Es betrifft uns alle. Ohne die Bauern gehen wir pleite. Die Bauern stehen für uns als Volk auf der Straße. Wir sollten sie unterstützen.“

Einschränkungen im Verkehr

Im Potsdamer Nahverkehr sorgte die Demonstration für Einschränkungen. Die Polizei hatte die Lange Brücke einseitig abgeriegelt. Mehr als drei Stunden lang wurden Busse umgeleitet und die Tramlinien über den Hauptbahnhof unterbrochen. Am frühen Nachmittag habe sich die Verkehrslage entspannt, hieß es von der Polizeidirektion West. Zu Strafanzeigen könne man noch keine Auskunft geben. Zuvor hatte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) vor einer Unterwanderung von Rechts gewarnt. Laut RBB gab es „Wir sind das Volk!“-Rufe. An einigen Autos waren Deutschlandfahnen gehisst.

Auch Landwirt Ernst Ruden weiß um Befürchtungen, doch berichtete, er habe eine ruhige, friedliche und entspannte Demonstration erlebt. Der Krampnitzer wird auch am 15. Januar wieder dabei sein, wenn die Landwirte nach Berlin ziehen wollen. Ruden sagte: „Das ist unser nächster großer offizieller Termin.“

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