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ORTSTERMIN: Auf dem Mönchsweg

Da hat sich was verändert. Auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung war der chinesische Botschafter am Mittwochabend ins Restaurant Le Manège am Neuen Markt gekommen.

Da hat sich was verändert. Auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung war der chinesische Botschafter am Mittwochabend ins Restaurant Le Manège am Neuen Markt gekommen. Angesichts der Wortgewandtheit, des Humors, der Stringenz der Argumente Shi Mingdes mussten wohl nicht wenige der fast 100 Gäste Vorurteile über die Steifheit von Bürokraten aus Peking über Bord werfen. So auch Jens Freiberg von der Tibet Initiative Deutschland (TID), der nach Mingdes Referat aufrichtig Beifall klatschte.

1972, erzählte der Botschafter, sei er zum Studium in Ostberlin mit der sibirischen Eisenbahn gefahren, erst nach Moskau und von dort weiter in die DDR. Sechs Nächte habe das gedauert. Vor 40 Jahren, sagte er, gab es noch „viel Zeit, aber kein Geld“. Das heutige Motto „Zeit ist Geld“ habe es noch nicht gegeben. Seither hätten sich tiefgreifende Veränderungen vollzogen. Rhetorisch brillant vermochte es Shi Mingde, Persönliches mit der großen Politik zu verbinden. Er erzählte, wie er damals von Pankow aus Potsdam besuchte – entweder fuhr er um Westberlin herum oder mit dem Diplomatenpass über die Glienicker Brücke. Die Folge: „Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle“.

Er möge Potsdam sehr, erklärte Shi Mingde. Darum habe er dem neuen chinesischen Regierungschef Li Keqiang auch empfohlen, „den Katzensprung zu machen“ und Potsdam zu besuchen. Jens Freiberg von der Tibet-Initiative kann sich daran gut erinnern: An jenem 26. Mai wollte er Li Keqiang mit einer Tibet-Flagge und einem Plakat mit der Aufschrift „Weltkulturerbe“ am Neuen Garten empfangen. Die Polizei verhinderte dies (PNN berichteten). Nun war Freiberg ins Le Manège gekommen, um „unbequeme Fragen“ zu stellen.

Doch zunächst zog Mingdes Rede in den Bann. Der Globalisierung könne keiner ausweichen, sagte er, „sie kommt auf uns zu“. Die Weltgemeinschaft werde zu einer Schicksalsgemeinschaft. Früher habe es geheißen, „wenn es meinem Feind schlecht geht, geht’s mir gut“. Das sei vorbei. China wolle ein starkes Europa mit dem Euro, denn: „Europa ist unser stärkster Absatzmarkt.“ Shi Mingde: „Wir sind zur Partnerschaft verdammt.“

Eindrucksvoll schilderte der Botschafter den Aufstieg Chinas. 32 Jahre lang habe China ein Wachstum über zehn Prozent im Jahr gehabt. „Marktwirtschaft im Sozialismus hat sich bewährt“, so Shi Mingde. Ein deutscher Außenminister habe einmal gegenüber seinem chinesischen Kollegen gebarmt, wie schwer es sei, 16 Millionen Ostdeutsche zu integrieren. Hochqualifizierte Menschen, habe der Chinese geantwortet. China habe 16 Millionen Babys im Jahr. Shi Mingde im 23 Jahr nach der Wende: „Jetzt haben wir 23 Mal DDR in China.“

In der Fragerunde kam endlich der Moment Freibergs. Er regte an, ob sich der neue Regierungschef nicht auf den Dalai Lama zubewegen könne. Nicht, solange das tibetische Oberhaupt nicht akzeptiere, dass Tibet ein Teil von China bleibe. Die Zerstörung der tibetischen Klöster sei in der Zeit der Kulturrevolution geschehen, „eine Katastrophe für das gesamte China“. Freiberg ist zunächst sauer: „Der Dalai Lama will, dass Tibet im chinesischen Verbund bleibt“, sagt er den PNN. Obwohl Mingde das Miteinanderreden so eindrucksvoll propagiere, „liegen die Gespräche mit dem Dalai Lama auf Eis“. Nach Veranstaltungsende ging Freiberg zu dem Botschafter und beide redeten miteinander. Freiberg sprach den tibetischen Mönchsweg Barkhor in Lhasa an, der durch einen Einkaufstempel verunstaltet werden soll. Shi Mingde sagte ihm, berichtete Freiberg, der Stil des Barkhor solle erhalten bleiben. Der Botschafter wolle selbst darauf hinwirken. Freiberg ist positiv überrascht, seine Reaktion: „Cool!“

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