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Landeshauptstadt: Abschied statt Geburtstagsfeier

Die letzten Tage der Molkereigenossenschaft Potsdam: 70 Jahre bewegte Stadtgeschichte

Die einst stadtbekannte Molkereigenossenschaft Potsdam ist längst nicht mehr da – aber auch noch nicht ganz weg. „Es sind noch einige Formalien zu erledigen“, sagt Rechtsanwalt Hans- Uwe Schöne, der seit über zehn Jahren mit der Abwicklung des Unternehmens beschäftigt ist. Am Jahresende soll das vollzogen sein, dann gibt es noch eine  Abschlusstagung. Bei der letzten Mitgliederversammlung im Dezember 2003 war das Ende der Genossenschaft bereits besiegelt worden. Bei den Formalien geht es erneut um die Auszahlung von Geldern an die   Nachfahren von einstigen Gründungsmitgliedern.

Als die Genossenschaft am 14. Juni 1936, also vor 70 Jahren, von Gutsbesitzern, Bauern, Gärtnern und Nebenerwerbslandwirten aus der Stadt und dem Umland  gegründet wurde, musste jeder 39 Reichsmark Mitgliedsanteil einzahlen. An der Zeppelinstraße gegenüber dem Persiusspeicher   und  der Heeresbäckerei, dem heutigen „art“- Hotel, entstand der große Betriebshof mit Werkstätten. Im Januar 1960 wurde eine neue Produktionshalle eingeweiht.   Mit der Kollektivierung der Landwirtschaft im selben Frühjahr wurde die Genossenschaft der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) zugeordnet. Ihr wurden auch die kleineren Molkereien Beelitz, Wittbrietzen und Brück angegliedert. Mit SED-Parteitagsbeschlüssen und Hauruck-Aktionen entstand dann 1989 das Molkereikombinat am Rande von Drewitz, mit Beteiligung der Genossenschaft. Der Betriebshof an der Zeppelinstraße sollte als Auslieferungslager genutzt werden, aber mit der Wende  kam alles anders.

„Wenn die DDR geblieben wäre, hätte keine Seele mehr  nach der Genossenschaftsmolkerei, nach deren Gründern und Mitgliedern gefragt. Es gab ja auch kaum noch welche“, so Rechtsanwalt Schöne.   Aus der neuen Molkerei  am Sternfeld wurde eine Eisfabrik. Die Genossenschaft kam beim Gang in die  Liquidation zu Geld durch den Verkauf des zentral gelegenen Geländes an der Zeppelinstraße.  Rechtsanwalt Schöne und Heinz Kaun, langjährig an der Zeppelinstraße tätig, machten sich auf die Suche nach jenen, die noch Ansprüche auf alte Genossenschafts-Anteile geltend machen konnten. Unterstützung bekamen sie von der Potsdamer Vereinigung der milchverarbeitenden Industrie. In Potsdams Stadtteilen und über 90 Umland-Ortschaften forschten sie nach den rund 1800 Berechtigten: Mit Handzetteln und mit Anzeigen. Für einen alten Anteilschein gab es 1000 D-Mark, später dann 700 Euro.

Nun also „die letzten Zuckungen“ eines Unternehmens, das sich nach 70 schicksalsschweren Jahren endgültig verabschiedet.  Die letzte Versammlung wird in Elsholz bei Beelitz stattfinden. Sicher mit einem Rückblick auf die dortige Molkereigenossenschaft, die bereits 1889 gegründet worden war.     Jo

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