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Landeshauptstadt: Junge Piraten in britischen Gefilden

Theater spielend Englisch lernen: „Bili-Clubs“ fördern die Zweisprachigkeit an Grundschulen

Als Alexander Hutten vor 20 Jahren von England nach Berlin zog, sprach er kaum ein Wort Deutsch. Heute ist er Lehrer und unterrichtet am Potsdamer Helmholtz-Gymnasium bilingual Geschichte und Politik. Aus eigener Erfahrung weiß er: Sprache kommt vom Sprechen. Die fremden Worte in immer neuen Zusammenhängen auszuprobieren, bringt den Erfolg. Je früher man das lernt, desto besser – wie selbstverständlich wuchsen seine eigenen Kinder zweisprachig auf.

Den Spaß, den man mit einer fremden Sprache erleben kann, will er jetzt mit seinem Kollegen, dem Englisch- und Musiklehrer Frank Siegmeier, bei jüngeren Schülern verbreiten. Ab dieser Woche leiten sie an der Eisenhart- und an der Gerhard-Hauptmann-Grundschule sowie am eigenen Gymnasium so genannte Bili-Clubs, in denen Fünft- und Sechstklässler (schau-)spielerisch ihr Englisch verbessern können. In 15 Kursstunden wollen die beiden Lehrer Bühnenstücke einstudieren, mit denen die Clubs am Ende in einem Theaterwettstreit gegeneinander antreten sollen. Verlieren kann dabei niemand. Der Gewinn hingegen soll enorm sein: ein leichterer, lockerer Umgang mit der Sprache und viele neue Vokabeln, die nicht stur gebüffelt, sondern im Spiel verinnerlicht wurden.

Hutten und Siegmeier freuen sich darauf, ohne Schulstress und Bewertungszwang neue Methoden auszuprobieren. In warm-up-Spielen sollen die Kinder zunächst ihren Körper genauer wahrnehmen. Wenn sie Adjektive wie fröhlich, traurig, träge oder hektisch in einer Pantomime umsetzen, eignen sie sich die englischen Worte geradezu körperlich an.

„Obwohl wir in den Stunden fast kein Wort Deutsch sprechen, überfordern wir die Kinder nicht“, ist sich Frank Siegmeier sicher. Als Musiklehrer wird er öfter mal ein englisches Lied einfließen lassen. Die neuen Vokabeln darin werden im Gedächtnis immer mit einer Melodie verbunden bleiben und auf diese Weise nicht in Vergessenheit geraten.

Alexander Hutten will es mit Bildergeschichten versuchen. Die Kinder sollen beschreiben, was sie auf einzelnen Zeichnungen sehen und daraus eine eigene Story entwickeln. Möglicherweise entsteht aus diesem kreativen Prozess sogar das Theaterstück. Unabhängig davon hat Hutten eine kleine Stückauswahl getroffen, die er den Schülern vorschlagen will. „Eine Piratengeschichte ist natürlich auch dabei“, verrät er, wohl wissend, dass man nur dann etwas gut lernt, wenn man sich für den Inhalt interessiert.

Was die Ausstattung ihres englischen Theaters betrifft, so hoffen die beiden Enthusiasten auf Unterstützung der Eltern und die Kostümierungsideen der Kinder. Auch im Fundus des Darstellenden Spiels am Helmholtz-Gymnasium wollen sie nach Requisiten stöbern. „Die 15 Kursstunden werden am Ende gar nicht reichen“, ahnt Frank Siegmeier, der mit den Grundschülern gern auch eine Aufführung der English Drama Group an der Potsdamer Universität besuchen würde, dort, wo er vor nicht allzu langer Zeit selbst studierte. Der junge Lehrer glaubt fest an die Möglichkeit, die Kinder über die Kunst für die englische Sprache zu interessieren und zu motivieren.

Die älteren Schüler im bilingualen Zweig des Helmholtz-Gymnasiums, die bereits englische und amerikanische Literatur im Original lesen und Spielfilme unsynchronisiert verstehen können, möchten dies nicht mehr missen. Alexander Hutten beobachtet, dass sich die Gymnasiasten im englischsprachigen Geschichts- und Politikunterricht viel intensiver mit einem Text auseinandersetzen. Jedes Thema wird auf Englisch diskutiert, selbst komplizierte politische Probleme. „Ich bewerte dann nicht die Sprache, sondern den Inhalt. Die Fehler aufzuzählen bringt nichts“, meint Hutten. „Wichtiger ist es, den Schülern Mut zu machen, dass sie sich trauen, auf Englisch Debatten zu führen.“

Die Bili-Clubs sollen nun helfen, schon frühzeitig bestehende Hemmschwellen zum freien Sprechen zu überwinden. „Natürlich schauen wir auch nach Talenten für den bilingualen Unterricht hier am Gymnasium“, wirbt Frank Siegmeier für die Förderung von Sprachbegabten an der Helmholtz-Schule. Bislang haben sich 70 Grundschüler in den Bili-Clubs angemeldet. Die Eltern bezahlen dafür im Halbjahr 40 Euro. Wenn der erste englische Theaterwettstreit im Januar erfolgreich über die Bühne gegangen ist und sich das Konzept bewährt hat, dürfte einer zweiten „Spielzeit“ wohl nichts im Wege stehen.

Antje Horn-Conrad

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