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Hella Dittfeld, PNN Portraits, Potsdamer Neueste Nachrichten, Portrait, Mitarbeiter, 30.05.2018 Foto: Sebastian Gabsch PNN

© Sebastian Gabsch PNN

Etwas HELLA: Ich bin auch tot – kein Edelstein

Der Tod gehört zum Leben. Es ändert nichts, wenn wir über ihn nicht oder nur drumherum reden. Die Diskussion ist ohnehin entbrannt. Die Forderung lautet: Das deutsche Bestattungsgesetz muss geändert werden. Es ist völlig antiquiert.

Der Tod gehört zum Leben. Es ändert nichts, wenn wir über ihn nicht oder nur drumherum reden. Die Diskussion ist ohnehin entbrannt. Die Forderung lautet: Das deutsche Bestattungsgesetz muss geändert werden. Es ist völlig antiquiert. In Ländern wie der Schweiz ist es längst Praxis, eine Gedenkurne mit nach Hause zu nehmen oder aus ein paar Gramm Asche einen Diamanten pressen zu lassen. Das sollte auch in Deutschland möglich sein. Wieso, fragen Kritiker der deutschen Praxis, müssen alle sterblichen Überreste beerdigt oder im Wasser versenkt werden?

Gesetzesänderungen dauern meist recht lange und selbst wenn ich sie bei biblischem Alter noch erlebe – ich habe vorgesorgt! Ich war im Leben eine Kratzbürste, habe gern mal eine kesse Lippe riskiert und selbst entschieden, wo es langgeht. Das soll auch nach meinem Tode so sein. Als Ur-ur-ur...-Enkelin eines Fisches, vielleicht erinnern Sie sich an mein Outing, will ich ins Wasser. Damit mein Traum in Erfüllung geht, muss alle Asche in die wasserversenkbare Urne. Wenn ich nicht alles falsch gemacht habe, geliebt und gelitten habe ich auch und meinen ungetreuen Liebhaber auch nicht umgebracht, dann nähre ich die Hoffnung, dass ich nicht nur zu fröhlichem Schaum auf einer Welle werde, sondern sogar zu Sternenschaum – wie die kleine Meerjungfrau.

Ein geschliffener Diamant war ich ohnehin nie, eher ein Rohkiesel. Deshalb will ich auch im Tode kein Edelstein werden. Allein der Gedanke, dass der Erbe meiner Asche nur halb so schusselig ist wie ich und meine diamantisierten Überbleibsel verliert, die dann vielleicht via Fundbüro versteigert werden, macht mich nicht froh. Und mal ehrlich, wer trägt schon gern ein Stückchen Toten, noch dazu einen fremden, am Kettchen um den Hals?

Wäre ich nicht so aufs Wasser fixiert, hätte ich mich vielleicht an einem Baum beerdigen lassen, wie in Potsdam auf dem Neuen Friedhof. Es erspart den lieben Trauernden die Grabpflege und ist doch ein Ort des Gedenkens. Aber die Familie muss immerhin den richtigen Fleck auf dem Friedhof oder im Wald finden. Das würde einer orientierungsschwachen Familie wie meiner wohl schwerfallen. Also doch lieber als Kleinurne ins Bücherregal? Dahin ist der Weg nicht weit, man kann interessante Lektüre danebenstellen, die man mal (wieder) lesen und mit dem Verstorbenen diskutieren wollte.

Da ich die Sache anders geregelt habe, werde ich lebendigen Diskussionen den Vorrang geben, mich nur probeweise zum Bade in den Heiligen See stürzen, Wasser- und Sternenschaum auf später verschieben, und im Umkehrschluss erklären: Das Leben gehört auch zum Tode. Vorher.

Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam

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