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Landeshauptstadt: Einzigartige Messreihe soll nicht enden

Klimaforscher sammeln Geld für Stiftung, um die Wetterdienst-Klimastation auf Telegrafenberg zu erhalten

Klimaforscher sammeln Geld für Stiftung, um die Wetterdienst-Klimastation auf Telegrafenberg zu erhalten Teltower Vorstadt - „Die Stärke fünf ist sehr selten, der letzte Hurrikan dieser Größenordnung war Andrew im Jahr 1992.“ Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe hat einen Journalisten von der Presseagentur am Telefon. „Nein, deswegen haben wir keine Klimaänderung. Aber es gibt eine, global betrachtet. Eine Zunahme der Hurrikans dagegen nicht. Aber die Zahl der Extreme insgesamt hat sich erhöht“, sagt er. Die letzte Frage ist beantwortet, Gerstengarbe legt auf, lehnt sich in seinem Stuhl zurück. „Es macht keinen Spaß, immer nur über Katastrophen zu berichten“, sagt er. Gerstengarbe arbeitet im Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung auf dem Telegrafenberg. Hier werden vor allem die Folgen des Klimawandels auf der Erde untersucht. Davon ausgenommen sind Tage und Wochen, in denen die so genannten „Extremsituationen“ Schlagzeilen machen. Beim Hochwasser der Elbe etwa. „Da war das hier nur noch ein Auskunftsbüro, an Arbeiten war nicht zu denken“, erinnert er sich. Immerhin 30 bis 40 Anrufe täglich werden bei Katastrophen wie „Katrina“ oder dem Hochwasser in Süddeutschland Ende August verzeichnet. Zwei Fragen stellt fast jeder: „Ist das der Beginn einer Klimaänderung und ist der Mensch daran schuld?“, sagt Gerstengarbe. Und gibt zu, dass er sich schon zusammenreißen muss, wenn er 20-mal am Tag dieselben Fragen hört. Hier würde ein Pressesprecher helfen, der Auskünfte erteilt. Aber im Moment hat Gerstengarbe wichtigere Wünsche: den Erhalt der Säkularstation genannten Forschungseinrichtung. Denn der Deutsche Wetterdienst, der die Station noch unterhält, will die sechs Arbeitsplätze durch einen Automaten ersetzen – die Katastrophe schlechthin für die Klimafolgenforschung. Für diese Pläne gebe es keinen „zeitlichen Fixpunkt“, sagt Georg Kerath, Dienststellenleiter des Deutschen Wetterdienstes in Potsdam. Beschlossen worden sei die Automatisierung jedoch – im Zuge eines vom Bund vorgegebenen Stellenabbaus von 1,5 Prozent des deutschlandweiten Wetterdienst-Personals pro Jahr. Gekündigt werden sollen die sechs Mitarbeiter im „mittleren Wetterfachdienst“ laut Kerath nicht. Abgebaut werde, in dem freie Stellen nicht mehr besetzt würden. Insgesamt arbeiten derzeit rund 190 Menschen in der Potsdamer Dienststelle. An vielen Orten gibt es heute automatische Stationen, die aber im Vergleich mit der traditionellen Klimastation einen entscheidenden Nachteil haben: Sie liefern nur neue Daten. Dagegen wird auf dem Telegrafenberg seit Inbetriebnahme am 1. Januar 1893 ununterbrochen alles gemessen, was für die Klimaforschung eine Rolle spielt. Temperatur, Niederschlagsmenge, Sichtweite, Windstärke. Und das unter unveränderten Bedingungen. Klimaforscher Gerstengarbe: „Wir haben hier eine weltweit einzigartige Messreihe, die so nicht von Automaten fortgeführt werden kann.“ Um die Klimastation zu erhalten, ist eine Stiftung, benannt nach Reinhard Süring, ins Leben gerufen worden. Süring hatte im Jahr 1893 die erste offizielle Messung an der Station durchgeführt und war von 1909 bis 1932 und ab April 1945 bis zu seinem Tod 1950 ihr Leiter. Das Grundkapital in Höhe von 50 000 Euro für die Stiftung ist nach Auskunft der Gründer bereits vorhanden, auch die Mittelbrandenburgische Sparkasse in Potsdam beteiligte sich mit einer Spende. Ein weiterer Schritt soll am 28. September mit einem Benefizkonzert des Neuen Kammerorchesters Potsdam im Nikolaisaal getan werden. Ziel ist es, etwa 7 Millionen Euro zu sammeln. Von den Zinserträgen könnten dann die Gehälter und Pensionen bezahlt werden. Um Ausbildung der Mitarbeiter und Unterhalt der Geräte würde sich auch weiterhin der Wetterdienst kümmern. bou/SCH

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