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Sebastian Walter, Chef der Brandenburger Linken.

© Die Linke

Brandenburgs Linken-Fraktionschef im Interview: „Weiter gegen die Aufrüstung der Bundeswehr“

Der Oppositionsführer im Brandenburger Landtag, Sebastian Walter, über den Krieg in der Ukraine. Zudem übt er Kritik an der Landesregierung - und Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne).

Herr Walter, profitiert Brandenburgs Linkspartei von den aktuellen Krisen in der Welt?
Unser Ziel ist es nicht, von irgendwelchen Krisen zu profitieren. Uns geht es darum, die Menschen in Brandenburg vor den Folgen der Krisen zu schützen. Sehen Sie, wir haben eine Sozialministerin, die lieber Spartipps gibt, anstatt sich um die Sicherung der sozialen Infrastruktur, wie zum Beispiel der Tafeln, zu kümmern. Wir haben eine Landesregierung, die sich beharrlich weigert, selbst auch nur einen einzigen Cent für die Entlastung von Familien, Unternehmen oder sozialen Einrichtungen in die Hand zu nehmen. Stattdessen schiebt sie jegliche politische Verantwortung auf den Bund. Das ist Politikverweigerung. Genau hier machen wir Druck, zum Beispiel für einen Schutzschirm des Landes in der aktuellen Preiskrise.

Wenn Sie auf das letzte halbe Jahr zurückblicken: Hat der Krieg in der Ukraine Ihre Politik verändert?
Der 24. Februar war auch für mich ein Schock. Natürlich hat der Krieg meine Politik und meine Sicht auf die Welt verändert. Ich gebe ganz offen zu, dass ich mir nicht hätte vorstellen können, dass Putin die Ukraine überfällt. Das habe ich völlig falsch eingeschätzt. Der Kern unserer Politik aber war und ist der Kampf um ein würdevolles Leben für alle Menschen in diesem Land. Daran hat sich nichts geändert. Zu einem würdevollen Leben gehört, dass die Menschen ihre Rechnungen bezahlen können. Dass sie keine Angst davor haben müssen, wenn zum Beispiel die Heizkosten- oder Stromabrechnung kommt. Gleichzeitig geht es darum, in Frieden leben zu können. Das sind die beiden Kernmotive linker Politik.

Würden Sie heute immer noch vor Kasernen demonstrieren, wenn ein Nato-Manöver in Polen oder im Baltikum stattfindet?
Ich würde mit meiner Partei immer für Frieden auf die Straße gehen. Und ich bin erschrocken, wie sehr sich die Stimmung in diesem Land verschoben hat. Sehen Sie sich doch mal an, wie viele Politiker und Parteien auf einmal Waffenlieferungen bejubeln. Das war für mich unvorstellbar. Es entsetzt mich, wenn ich sehe, dass sich viele Grüne als größere Waffennarren entpuppen, als es die CDU jemals hätte sein können. Für uns ist klar, dass Krieg niemals ein Mittel der Politik sein darf. Das Völkerrecht ist hier klar und daran orientieren wir uns. Und ja, wir sind auch weiterhin gegen die massive Aufrüstung der Bundeswehr. Das schafft keine Sicherheit.

Das Büro Ihrer Parteigenossin Kerstin Kaiser und der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau ist geschlossen worden. Was macht das mit Ihrem Russlandbild?
Ich glaube, ich muss hier mal mit dem Vorurteil aufräumen, dass wir Linke alle Putin-Versteher wären. Ich habe mich der russischen Kultur, der Literatur, den Menschen immer verbunden gefühlt. Deswegen habe ich Putin aber nie für einen Linken gehalten. Putin ist ein Autokrat, der sich nicht um Demokratie oder Menschenrechte schert. Das war auch vor dem 24. Februar schon klar. Ich hätte aber nie gedacht, dass Putin einen Krieg gegen die Ukraine beginnt. Tatsächlich habe ich in der Vergangenheit eher die Sicherheitsinteressen Russlands und weniger die Sicherheitsinteressen der Ukraine gesehen. Hier musste ich mich korrigieren. Jetzt kommt es darauf an, die Teile der russischen Zivilgesellschaft zu unterstützen, die gegen Putin und gegen diesen Krieg stehen. Die gibt es nämlich sehr wohl. Anstatt alle Verbindungen in die russische Gesellschaft zu kappen, müssten wir eigentlich alle Drähte nutzen, die wir haben.

Lassen Sie uns über die Folgen für die Brandenburger Bevölkerung reden. Eins der Themen ist die Energieversorgung. Sie setzen sich für Erdöl aus Kasachstan und Aserbaidschan ein. Muss das nicht auch durch Russland kommen?
Nein, nicht unbedingt. Aber selbst wenn man den direktesten Weg durch Russland wählt, ist es noch immer kein russisches Öl. Darum geht es der EU ja. Was wir mit dieser Initiative erreichen wollen, ist, dass die Menschen in Schwedt keine Angst vor ihrer Zukunft haben müssen. Wenn politische Entscheidungen getroffen werden, darf die Politik die Menschen anschließend nicht mit den Folgen allein lassen. Wir erleben mit Blick auf das PCK seit Monaten eine Chronologie des Versagens. Da steigt ein Wirtschaftsminister auf den Tisch und erklärt großspurig, was er jetzt alles klären will. Und Monate später stellen wir am Ende der Sommerpause fest: Es ist gar nichts geklärt.

Die Anlagen der Erdölraffinerie auf dem Industriegelände der PCK-Raffinerie GmbH.

© dpa

Wie bewerten Sie die Rolle von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Zusammenhang mit Schwedt?
Wir brauchen keinen Robert Habeck, der uns erklärt, dass eine Raffinerie sich umstellen muss. Das wissen die Schwedter auch allein. Das wird schon lange geplant und lange gemacht. Herr Habeck streut den Leuten Sand in die Augen, wenn er so tut, als wären mit zwei Schiffen und der Danziger Pipeline alle Probleme gelöst. Das Gegenteil ist der Fall. Und das weiß auch Herr Habeck. Was wir wollen, ist Sicherheit für die Menschen in der Region. Deshalb streiten wir für echte Garantien jenseits von Handschlägen, also dass es eine Beschäftigungs- und Jobgarantie für die Beschäftigten gibt. Und eine Garantie für die Menschen in Brandenburg, dass der Liter Benzin künftig nicht fünf Euro kostet.

Brauchen die Menschen, die in einem Land mit dem größten Fachkräftemangel seit Menschengedenken leben, überhaupt noch Beschäftigungsgarantien? In Brandenburg werden doch überall Mitarbeiter gesucht…
Wenn man das Bild im Kopf hat, dass Menschen einfach nur flexibel sein müssen und dann schon irgendeinen Job finden, dann mag das stimmen. Aber in Schwedt haben die Menschen seit Jahrzehnten dafür gesorgt, dass unsere Autos fahren, wir zur Arbeit oder zu Freunden kommen und dass bei uns das Licht brennt. Und der Dank dafür soll sein, dass wir sagen: „So Freunde, Licht aus, sucht euch woanders einen Job?“ Es geht hier auch um die Anerkennung von Lebensleistungen. Und es geht um persönliche Errungenschaften: wenn man sich in Schwedt ein Haus gebaut hat, wenn man sich ein Leben aufgebaut hat, wenn die Kinder zur Schule gehen und so weiter. So eine Politik der Entwertung haben die Menschen schon Anfang der 90er Jahre mitgemacht, das brauchen sie nicht 30 Jahre später noch mal!

Wie ginge es denn mit Schwedt weiter, wenn Sebastian Walter Wirtschaftsminister wäre? Es gäbe diese Beschäftigungsgarantie, aber das heißt ja noch nicht, dass da auch produziert wird…
Ich würde mich erstens beim Bund dafür einsetzen, dass es weitere Mittel für den Umbau in der Region gibt. Zweitens würde ich dafür sorgen, dass das Land auch selbst Verantwortung übernimmt. Im Moment sehen wir ja, dass Frau Lange und Herr Steinbach Briefe an Habeck schreiben und dann erstmal die Hände in den Schoß legen. Wir brauchen aber eine Landespolitik, die anfängt, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Und drittens würde ich überhaupt erst über ein Öl-Embargo reden, wenn eine alternative Versorgung tatsächlich sichergestellt ist. In 12 Wochen greift das Embargo und bis heute ist nichts geklärt. Wir sind aber auf das PCK und das Erdöl angewiesen. Auch in Zukunft! Es geht ja nicht nur um Benzin und Diesel, es geht um die gesamte Chemieindustrie im Osten. Es geht um die Dinge des täglichen Bedarfs. Auch für medizinische Produkte brauchen wir Erdöl. Und deshalb bleibe ich auch weiterhin dabei. Das PCK muss in der jetzigen Stärke erhalten bleiben.


Als die Linkspartei in Brandenburg noch in der Landesregierung war, hat man Schulden zurückgezahlt und war stolz auf enkelsichere Haushalte. Jetzt fordern Sie fast jede Woche ein neues Projekt, das das Land irgendwie bezahlen soll. Wie geht das zusammen?
Wir haben immer eine konstruktive und verlässliche Politik gemacht. Auch die Vorschläge, die wir heute machen, sind durchgerechnet und finanzierbar. Man muss sich nur trauen. Ich finde eher das, was die Landesregierung gerade macht, problematisch: Es werden Schulden in Milliardenhöhe aufgenommen, und dann wird das Geld irgendwo gehortet. Das Geld aus dem Corona-Fonds droht zum Ende des Jahres zu verfallen. Wieso nehmen wir nicht dieses Geld, um die Menschen in der Preiskrise zu schützen?

Das Gespräch führte Benjamin Lassiwe

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