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Steffen Freiberg (SPD), neuer Brandenburger Minister für Bildung, Jugend und Sport. +++ dpa-Bildfunk +++

© picture alliance/dpa/Soeren Stache

„Schritt in die richtige Richtung“ : Brandenburgs neuer Bildungsminister erntet Zustimmung für Kurswechsel

Die umstrittenen Pläne seiner Vorgängerin Britta Ernst (SPD) hat Steffen Freiberg (SPD) schon abgeräumt. Er macht älteren Lehrkräften ein Angebot – aber nehmen die das an?

In Brandenburg stößt die Blitz-Entscheidung von Neu-Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD), das Arbeitspensum älterer Lehrkräfte drastisch zu verringern und keine Lehrerstellen zu streichen, auf breite Zustimmung. Die Linke-Opposition, die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Landeselternrat haben wie auch SPD und Grüne am Sonntag den Kurswechsel des Nachfolgers der zurückgetretenen Ministerin Britta Ernst (SPD) begrüßt.

„Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Nun liegt der Teufel im Detail“, sagte GEW-Landeschef Günther Fuchs am Sonntag den PNN. „Wir brauchen nun einen tarif- und beamtenrechtlichen Vertrag, damit wir in den nächsten zehn Jahren genügend Lehrer und Lehrerinnen in Brandenburg haben.“

Die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag, Katja Poschmann, zeigte sich ebenfalls zuversichtlich. „Eine großangelegte, landesweite Werbekampagne wird uns helfen, noch mehr Lehrkräfte für unsere Schulen zu gewinnen“, teilte sie nach der Sitzung des Landesschulbeirats mit. „Auch das Programm „63+“ überzeugt und setzt die richtigen Anreize, um verdiente Lehrerinnen und Lehrer bei weniger Unterrichtsstunden weiter zu beschäftigen.“

Poschmann begrüßte es auch ausdrücklich, dass Freiberg die Umwidmung von 200 Stellen nicht mehr verfolgt. Zwar könnten die benötigten 1800 Neueinstellungen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht realisiert werden, meinte sie. „Der entscheidende Unterschied zum vorherigen Vorschlag ist allerdings, dass die Personalkosten für unbesetzte Stellen direkt an die betroffene Schule gehen, um konkret an dieser Schule unterrichtsergänzendes und unterstützendes Personal für den gesamten Schulalltag einstellen zu können.“

Landeselternrat: „Schritt in die richtige Richtung“

Die Bildungsexpertin der Grünen-Fraktion zeigte sich erleichtert. „Zum Glück sind die Pläne vom Tisch, 200 Lehrkräftestellen zu streichen“, sagte die Landtagsabgeordnete Petra Budke. Das von Freiberg vorgelegte Maßnahmenpaket gehe in die richtige Richtung.

Der Landeselternrat sprach von einem „Schritt in die richtige Richtung“. Der Rat sehe die Vorschläge aber bereits jetzt nicht als ausreichend an, erklärte die Vorsitzende Ulrike Mauersberger in einer Mitteilung. Sie forderte Freiberg auf, bis Mitte Juni einen konkreten Maßnahmenplan zur Sicherung des Schulbetriebs vorzulegen.

Petra Budke, Bildungsexpertin der Grünen-Fraktion.

© Soeren Stache/dpa

Die Linke-Bildungsexpertin Kathrin Dannenberg sieht wichtige Forderungen von Lehrern, Schülern, Eltern und Opposition aufgegriffen. „Unser massiver Druck der letzten Monate zeigt Wirkung.“ Ausdrücklich begrüßte Dannenberg auch die Entscheidung, den Schulen das Geld für unbesetzte Lehrerstellen als Budget zur Verfügung zu stellen: „Damit hätten die Schulen jetzt Beinfreiheit, selbst zu entscheiden, was bei ihnen konkret notwendig ist – ob Schulsozialarbeiter oder Seiteneinsteiger, auch Schulkrankenschwestern wären damit finanziell möglich.“

Unser massiver Druck der letzten Monate zeigt Wirkung.

Kathrin Dannenberg, Linke-Bildungsexpertin

Leider sei viel Zeit ungenutzt vergangen. „In drei Monaten beginnt das neue Schuljahr“, warnte Dannenberg. „Bleibt abzuwarten, ob die Pläne bis dahin unbürokratisch umgesetzt sind und an den Schulen wirken können.“

Streichung von 200 Stellen zurückgenommen

Freiberg hatte – vier Tage im Amt – am Samstag etwa zeitgleich gegenüber dem Landesschulbeirat, Medien und in einer Mail an alle rund 22.000 Lehrkräfte seinen Ansatz gegen den Lehrermangel verkündet. Danach werden 200 Lehrerstellen nun doch nicht gestrichen, um das Geld für Sozialarbeiter und Verwaltungskräfte an Schulen zu verwenden.

Ex-Bildungsministerin Britta Ernst war zurückgetreten, weil selbst die eigene SPD-Landtagsfraktion diesen Plan nicht mittrug, den Freiberg allerdings als Staatssekretär maßgeblich entwickelt hatte. Er hätte zur Folge gehabt, dass besonders an Schulen im Berliner Umland zusätzliche Angebote wie Förderunterricht oder Ganztagsangebote hätten gestrichen werden müssen.

1800
neue Lehrkräfte braucht Brandenburg im kommenden Schuljahr.

„Das Ministerium hat die Bedenken sehr ernst genommen. Ich ziehe den Vorschlag zurück“, heißt es in der den PNN vorliegenden Freiberg-Mail an die Lehrerschaft. Doch sicher sei, „wir müssen handeln und zwar schnell und weitsichtig“. Schon für das neue Schuljahr 2023/2024 braucht Brandenburg 1800 neue Lehrkräfte, die nicht in Sicht sind.

Freiberg lässt deshalb zum einen eine großangelegte Lehrer-Werbekampagne vorbereiten, in sozialen Medien und dem gesamten deutschsprachigen Raum, für die 2023 und 2024 bis zu rund vier Millionen Euro bereitstehen – mehr als das bisherige Marketing für das Land Brandenburg überhaupt. Doch vor allem will Freiberg erreichen, dass nicht mehr jeder zweite Lehrer schon mit 63 Jahren den Schuldienst quittiert und nur jeder fünfte Lehrer bis zur Rente unterrichtet.

Wer älter als 63 Jahre ist, darf um zehn Wochenstunden reduzieren

Deshalb soll der Pflichtunterricht für alle Lehrkräfte im Alter von über 63 Jahren um zehn Wochenstunden reduziert werden, auf 17 Stunden an Grundschulen, auf 15 Stunden an Gymnasien, an Ober- und Gesamtschulen, wobei die Lehrkräfte dafür andere an Schulen anfallende Aufgaben erfüllen.

„Lebensälteren Kolleginnen und Kollegen soll künftig die Entscheidung, im Schuldienst zu verbleiben, mit einem attraktiven Angebot erleichtert werden“, heißt es in der Freiberg-Mail an Brandenburgs Lehrkräfte. Der Vorschlag sei als „Gesprächsangebot“ des Ministeriums zu verstehen.

Die große Unbekannte ist, ob die älteren Lehrkräfte das Entlastungsangebot zum Bleiben annehmen. Die Mail von Freiberg an jede Lehrkraft im Land endete so: „In jedem Fall bitte ich Sie: Helfen Sie mit! Ich weiß, dass die Belastungen der vergangenen Jahre enorm waren. Aber wir brauchen Sie alle!(mit dpa)

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