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Brandenburg: Mit Kleingeld Millionen gemacht

Von Schloss Wiesenburg aus sollen Betrüger bundesweit mehr als 2000 Fondsanleger betrogen haben

Wiesenburg/Potsdam - Als die Herren gestern um kurz nach Zwölf die Bank in der Kölner Innenstadt betraten, um über einen Kredit zu verhandeln, war eigentlich schon alles zu spät. Ihre Büros und Wohnungen waren seit Stunden in der Hand von Polizei und Staatsanwaltschaft und ihre Konten kurz vor der Pfändung. Und statt mit einem Banker über ihre Zukunftspläne zu reden, müssen Dr. Hardfrid G. (63) und Hans-Joachim L. (61) seit gestern brandenburgischen Ermittlern die vergangenen vier Geschäftsjahre erklären. Kurz nach dem Betreten der Bank wurden die beiden Kaufleute gestern vorläufig festgenommen – dem Ort entsprechend von Polizisten in dezentem Zivil. Am Nachmittag waren mehr als 30 Konten gesperrt, die einem mit dem Hessen Dr. Hardfrid G. (63) und dem Mahlower Hans-Joachim L. (61) verbandelten Firmengeflecht zu geordnet werden.

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Potsdam und des Landeskriminalamtes Brandenburg sollen Dr. G. und Herr L. zusammen mit sieben weiteren Beschuldigten auf Schloss Wiesenburg (Potsdam-Mittelmark) aus Stroh Gold gesponnen haben. Bundesweit sollen sie seit dem Jahr 2002 die mindestens 2000 Anleger ihrer drei Fonds „VL Premium“ und der ebenfalls in Wiesenburg ansässigen Firma Bonus GmbH um 3,5 Millionen Euro geprellt haben.

Seit einem Jahr ermitteln die Wirtschaftsabteilung der Staatsanwaltschaft Potsdam und das LKA gegen das Firmenkonglomerat. Nach bisherigem Ermittlungsstand hatte etwa ein Fonds damit geworben, das Anlagekapital in den Erwerb von Wohnungen in Belzig zu investieren. Doch die sanierten Altneubauten in der Goethe-, der Schiller- und der Heinrich-Heine-Straße gehören noch immer der Belziger Wohnungsbaugesellschaft – der Fonds hatte sie nie besessen. Nach Überzeugung der Ermittler hatten G. und L. von Anfang an geplant, das Geld, das die Anleger in geringen Monatsraten von 40 Euro an aufwärts über vermögenswirksamen Leistungen überwiesen hatten, zum großen Teil nicht in Immobilien- sondern in Privatprojekte zu investieren.

So sollen Fondsgelder an andere Firmen überwiesen worden sein. Auch bei den meisten dieser Unternehmen – etwa der WHGe Finanzdienstleistung und der WHGe Kommunalfonds Verwaltung – habe es sich wie bei der Wiesenburger Bonus GmbH, die die VL Premium-Fonds aufgelegt hatte, um Scheinfirmen gehandelt. Überweisungen sollen nach PNN-Informationen auch an eine Biotech-Firma in Espenhain in der Lausitz gegangen sein.

Nach Ansicht von Experten hatten die Verdächtigen ihr Betrugssystem für die Branche relativ clever aufgezogen. Denn die Anleger sollten über zwölf Jahre hinweg monatlich ihre von Arbeitgebern und Staat geförderten vermögenswirksamen Leistungen an die Fonds überweisen. Erst nach zwölf Jahren sollten sie von eventuellen Renditen und Gewinnen profitieren – also frühestens ab dem Jahr 2024. Welchen Plan die Fondsmanager für die Zeit danach geplant hatten, interessiert die Ermittler ebenso, wie die tatsächlichen Geldflüsse und die Aktivitäten der zahlreichen Scheinfirmen aus dem Wiesenburger Geflecht. Nach ihrer gestrigen Razzia sind sich die Ermittler zumindest sicher, dass es sich schon beim Firmensitz in Wiesenburg um eine Täuschung handelt. Die Wohnung im Seitenflügel auf Schloss Wiesenburg habe lediglich als Aktenlager und Scheinadresse gedient. Nur alle paar Wochen, so berichten es Schloss-Angestellte, sei der Herr L. erscheinen – für ein paar Stunden. Er habe den Briefkasten geleert und wohl Akten gebracht und geholt. Herr Dr. G. sei seit mehr als einem Jahr nicht mehr in seiner Firma im Schloss gewesen sein.

Ein Arbeitsbesuch in den fünf Zimmern und zwei Abstellkammern lohnt seit gestern ohnehin nicht mehr. Zwei Ermittlungsgruppen des Landeskriminalamtes schleppten gestern kistenweise Akten durch den Regen über den Schlosshof in ihre Dienstwagen.

Bei Durchsicht der beschlagnahmten Papiere werden die Fahnder aber auch sehen, dass die Fondsmanager immerhin auf Schloss Wiesenburg sparsam waren: Für die 136,7 Quadratmeter große Luxus-Wohnung zahlten sie nur die Hälfte der eigentlichen Warmmiete: 1006 Euro. „Weil die Wohnung ja kaum genutzt und daher nicht abgewohnt wird“, so eine Schloss-Angestellte. Und wohl auch, weil Dr. G. und ein anderer Beschuldigter Miteigentümer von Schloss Wiesenburg sind.

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